Sie über sich. Paul Metzger
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Paul Metzger
Sie über sich
Eine exegetische Untersuchung zur Autorität der Schrift in ökumenischer Perspektive
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-7720-0052-2
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung ist eng mit meiner beruflichen Biographie verknüpft.
Im Oktober 2009 kam ich als erster Bibelwissenschaftler in der mittlerweile 70jährigen Geschichte des Konfessionskundlichen Instituts nach Bensheim. Mir fiel bereits während meiner Einarbeitung in das Fachgebiet des Catholica-Referenten auf, dass die Ergebnisse und Methoden der aktuellen Bibelwissenschaft zwar in jüngeren ökumenischen Dokumenten Beachtung erfahren, doch immer noch weder in dogmatischen Diskussionen noch in Stellungnahmen von Kirchenleitungen verschiedener Konfessionen speziellen und vor allem wirksamen Niederschlag finden.
Dies ist nicht nur um der Sache selbst willen bedauerlich, sondern vor allem deshalb, weil viele konfessionelle Auseinandersetzungen – seien es fundamentaltheologische Weichenstellungen oder aktuelle ethische Sachfragen – einen Bezug zu biblischen Texten aufweisen. Die biblischen Texte werden im Konfliktfall aber oft lediglich als Argumente oder Belege angeführt, ohne deren Kontext genügend zu beachten. Die prinzipiell durchaus erkennbare Hochschätzung der Heiligen Schrift wird dann konterkariert durch das sorg- und bedenkenlose Zitieren vermeintlich passender Belegstellen. Die Warnung, dass ein Vers allein kein Argument in einer Diskussion darstellen kann, verhallt dabei oft ungehört.
Die grundlegende Idee dieser Untersuchung ist deshalb, die Schrift um ihrer selbst willen zu Wort kommen zu lassen. Ich folge damit dem protestantischen Instinkt, der gerne fragt: „Was sagt die Schrift dazu?“ und frage nun: „Was sagt sie über sich?“ Sehr verdichtet lässt sich darauf mit der vorliegenden Untersuchung antworten: Die biblischen Texte brauchen kein Lehramt, das über sie urteilt, aber sie brauchen ein Amt, das Garantie für sie übernimmt.
Wenn es stimmt, dass sich die verschiedenen Konfessionen einander annähern, sofern sie Christus nahekommen und Christus in erster Linie in der Schrift zu finden ist, dann scheint meine Hoffnung berechtigt, dass ein gemeinsames Verständnis der Heiligen Schrift im Sinne des Selbstverständnisses der Schrift einen wesentlichen Beitrag zum ökumenischen Fortschritt darstellen könnte. Da die abendländische Kirche auch und gerade im Streit über die Autorität der Schrift für die Kirche zerbrochen ist, erscheint eine exegetische Beschäftigung mit diesem Thema aussichtsreich in Bezug auf eine konstruktive Annäherung.
Die Idee der Untersuchung, ihre Methodik und ihr Fortgang wurden von vielen Gesprächen begleitet, und ich habe auf unterschiedliche Weise viel Unterstützung erfahren. Der ehemalige Leiter des Konfessionskundlichen Instituts, Dr. Walter Fleischmann-Bisten M.A., hat die Arbeit interessiert verfolgt, schließlich das Manuskript Korrektur gelesen und mit wertvollen Hinweisen versehen. PD Dr. Gisa Bauer war als kluge Gesprächspartnerin in nahezu jeder Phase der Arbeit nur eine Tür entfernt und immer bereit, zwei Zigaretten lang zu diskutieren. Mein Vater, Rektor i.R. Alfred Metzger, hat die einzelnen Kapitel und schließlich die ganze Arbeit Korrektur gelesen. Ebenso haben sich Pfarrer i.R. Wieland Schubing und das Ehepaar Dr. Jürgen und Dr. Gisela Stölting um das Manuskript verdient gemacht. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank.
Im universitären Kontext waren mir Prof. Dr. Friedrich W. Horn, Prof. Dr. Jörg Lauster und Prof. Dr. Michael Tilly wertvolle Gesprächspartner, wofür ich ihnen ebenfalls danke.
Sehr zu danken habe ich der Evangelischen Kirche der Pfalz, die einen großen Teil der Druckkosten übernommen hat. Dies gilt ebenso für den Pfälzischen Bibelverein und den Evangelischen Bund Pfalz.
Weiter danke ich Frau Isabel Johe, Elena Gastring und Vanessa Weihgold vom Francke-Verlag für die verlegerische Betreuung des Manuskripts.
Zuletzt geht mein Dank an meine Frau und meine Kinder, die die Entstehung der Untersuchung mit großer Geduld und zuweilen freundlicher Irritation angesichts akademischer Dispute begleitet und mitgetragen haben.
I. Einleitung
Sola Scriptura! Allein die Schrift! Diese Wendung bezeichnet einen Kerngedanken reformatorischer Theologie und ist bis heute Kennzeichen der evangelischen Konfessionsfamilie. Allein die Schrift soll die maßgebliche Autorität sein.
Aber: Wollte die Schrift allein sein? Kann sie das sein? Beansprucht sie eigentlich selbst die Autorität, das zu sein, was insbesondere die evangelische Theologie ihr zuweist?
Diese Fragen umreißen die grundlegende Idee der vorliegenden Untersuchung. Sie fragt nach der Autorität, die die Schrift für sich selbst in Anspruch nimmt, und vergleicht diese mit der Autorität, die der Schrift von Seiten der theologischen Theoriebildung zugemutet wird.
Gleichzeitig versucht die Untersuchung, einem bekannten Grundsatz der ökumenischen Diskussion gerecht zu werden: Je näher die verschiedenen Konfessionen Christus kommen, desto näher finden sie auch zueinander. Da Christus unzweifelhaft in den biblischen Texten zu finden ist, da sich sein Antlitz auf ihnen spiegelt, kann das Bemühen um die Autorität der Schrift letztlich nur in einem ökumenischen Horizont geschehen. Es darf deshalb darauf gehofft werden, dass von dieser Untersuchung Impulse für die weitere ökumenische Diskussion ausgehen.
1. Umstrittene Autorität
Wenn Autorität diskutiert wird, ist sie bereits beschädigt. Autorität lebt davon, fraglos akzeptiert und anerkannt zu werden. Autorität wird angerufen, bei Diskussionen ins Feld geführt und auf sie wird rekurriert. Autorität entscheidet am Ende verbindlich.1 Deshalb gibt Autorität Halt und Verlässlichkeit. Sobald sie in Frage gestellt wird, verliert sie ihre Funktion.2
Die Autorität der Schrift ist seit der Aufklärung (zumindest im Einflussbereich europäischer Theologie3) massiv in Frage gestellt worden.4 Daraus ergibt sich die Frage, welche Funktion die Schrift im Rahmen der theologischen Urteilsbildung einnimmt bzw. inwiefern sie für die Urteilsbildung eine oder die entscheidende Autorität darstellt.5 Durch diese Frage bewegt sich die Arbeit im Bereich der Fundamentaltheologie, die als wissenschaftliche „Selbstauslegung des Glaubens“6 verstanden wird.7 Gleichzeitig ist damit das Feld der Konfessionskunde und der ökumenischen Theologie betreten, in dessen Kontext die Frage eingebettet wird. Die Antwort auf diese Frage wird allerdings in exegetischer Perspektive gesucht.
So verbindet die Untersuchung verschiedene Arbeitsbereiche der Theologie miteinander,8 um so einen neuen Impuls zur Fragestellung vor allem im Hinblick auf die ökumenische Diskussion und die Bedeutung der neutestamentlichen Wissenschaft für die Konfessionskunde zu finden. Damit folgt sie der sowohl von kirchenleitenden Personen wie auch ausgewiesenen Ökumenikern gewonnenen Einsicht, dass sich die christlichen Konfessionen nur dann einander annähern können, wenn sie sich über die Bedeutung der Schrift im Klaren sind;9 denn „ohne eine Verständigung über die Autorität der Heiligen Schrift sind weitere Schritte aufeinander zu nicht möglich.“10 Zu diesem Ziel möchte die Untersuchung einen Beitrag leisten.
Die zentrale Idee, der sie sich verpflichtet weiß, wird dabei im Haupttitel ausgedrückt: Sie über sich! Diese Formulierung zeigt bereits die Herausforderung an, die durch die fundamentaltheologische bzw. konfessionskundliche Frage und die exegetisch zu suchende Antwort gegeben ist.
Die Fundamentaltheologie bestimmt