Wrong turn. Juryk Barelhaven
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Juryk Barelhaven
Wrong turn
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Inhaltsverzeichnis
Epilog
Wrong turn
Langsam fuhr Brown am Einkaufszentrum vorbei, als er den kleinen Jungen bemerkte. Er kam aus dem Haupteingang, schien vielleicht drei oder fünf Jahre alt zu sein und sein Gesicht zu einer Grimasse verzogen, die Brown bestens kannte. Er wollte nicht weinen, würde aber gleich losheulen. Brown hielt kurz an und betrachtete eingehend die Kulisse: eine gut besuchte Einkaufsmeile zwischen der Altstadt und dem Hauptbahnhof von Croydon. Jeden Samstagmorgen unternahmen gestresste Eltern mit ihren Zöglingen einen Einkaufsbummel durch die überfüllten Passagen, kämpften sich durch die allgemeine Hektik der Weihnachtsfeiertage und hofften inständig, dass die greinenden und nach Geschenken gierenden Kinder bis zum Abend sich wieder beruhigt hatten. Manchmal entschwand ein Kind und tauchte ab im Trubel, um noch ein bisschen länger zu glotzen und zu träumen.
Brown hielt seinen Wagen an und spürte die vertraute Anwandlung von Ekel. Doch je öfter er ein Kind aufgriff, umso schwächer wurde das Gefühl. Irgendwann würde es ganz verschwunden sein, aber die Frage blieb, was der Händler mit ihnen anstellte. Beim ersten Mal hatte Brown den schmierigen Händler gefragt und als Antwort bekommen, dass sie sicher und geborgen ein neues Zuhause bekommen würden. Dabei hatte er ihn ausdruckslos angestarrt, und Brown hatte in der Pause folgende Botschaft verstanden: Und wenn du schlau bist, fragst du nicht weiter. Die Spielschulden waren hoch, und wenn er binnen zwanzig Stunden dem Händler nicht die Ware brachte, würde er mehr als nur Unannehmlichkeiten erdulden müssen.
Brown litt unter Schlaflosigkeit, machte sich Gedanken über die kleinen Engel und wünschte sich insgeheim, er hätte nie damit angefangen in kleinen verrauchten Bars Karten zu spielen. Aber seine Leidenschaft gehörte den Karten und jedes Spiel war ihm recht, solange man dabei gewinnen konnte.
Aufmerksam betrachtete Brown den Jungen. Er wollte, dass ihm jemand half, dass ihm jemand die richtige Frage stellte: Hast du deine Eltern verloren? Sollen wir sie suchen gehen?
Doch es wäre nicht klug gewesen, sofort auszusteigen und sich dem Jungen zu nähern. Brown suchte nie an denselben Orten zweimal und achtete stehts auf aufmerksame Wachmänner und Kameras. Das Timing war wichtig. Zweimal waren sogar die Eltern rechtzeitig aufgetaucht und einmal hatte ein besonders aufmerksamer Wachmann ihn bis zu seinem Wagen verfolgt. Noch drei Fahrten. War das zu viel verlangt? Er atmete tief durch, hängte seine Invalidenplakette an den Rückspiegel und steuerte den Lieferwagen in eine Parkbucht speziell für Invaliden, denn sie lagen immer günstig und nach seiner Erfahrung würde niemand Fragen stellen.
Er stellte den Motor ab und holte seine Tasche hervor, in der das Chloroform, einen Lappen und Klebeband aufbewahrte. Das Kind konnte ihm aus seiner misslichen Lage heraushelfen, doch einmal erwischt würde es das Ende für ihn bedeuten. Unangenehme Fragen, eine Ermittlung und Knast drohten – und einen nicht amüsierten Händler, der am Ende seiner Haftzeit auf Michel Brown warten würde. Und sicher würde er Mittel und Wege finden, Brown die Ernsthaftigkeit der Lage klarzumachen.
Brown stieg aus, zog die Kappe über seinen Kopf und näherte sich vorsichtig dem Jungen, der sich immer ängstlicher umschaute. Jawohl, dachte er, der Kleine musste um die fünf Jahre alt sein, vielleicht sogar sechs. Er wirkte zart und trug keine Secondhand-Ware, sondern teure Kinderkleidung. Brown hatte mittlerweile einen Blick für Kinder reiche Vorstädter bekommen und seltsamerweise machte ihm diese Erkenntnis seine Arbeit etwas erträglicher: die Reichen würden sich mit ihrem Verlust schon irgendwie arrangieren, vielleicht adoptierten sie wieder ein Kind oder bezahlten einen teuren Psychologen dafür, den Schmerz weg zu therapieren. Ein hässlicher Gedanke.
Langsam fing der Junge an zu weinen. Wenn er laut werden würde, würde jemand auf ihn aufmerksam werden. Das konnte Brown nicht gebrauchen.
Brown beschloss seine Chance zu nutzen. Die Brust des Jungen zuckte, und die Zeit wurde knapp. Er ging zu dem Kind, ein junger Mann im Khaki-Hemd und einem Gesicht voller Sorgen. Die Hände auf die Schenkel gestutzt, beugte er sich über den Jungen, der ihm sein verstörtes, zartes Gesicht zuwandte. Himmelblaue Augen starrten ihm entgegen, wobei die Farbe durch die Tränen intensiviert wurde.
„Hast du deinen Daddy verloren, mein Sohn?“ fragte Michel Brown und lächelte freundlich.
1. Kapitel
Weit draußen im All schwebte eine blass glänzende Kugel, ein Klasse M-Planet mit der leicht irreführenden Bezeichnung Oasis, die sicherlich nicht zum Verweilen und zur Stärkung von müden Gliedern einlud. Früher einst ein dichtbesiedelter, frisch kolonisierter Planet der Gesellschaft, bis unerwartete Meteoriteneinschläge das geordnete Leben praktisch unmöglich machte und aufgegeben werden musste. Doch die Gesellschaft schmiss nichts weg – Oasis hatte nun eine neue Bestimmung gefunden. Nach der Aufgabe Oasis und der Errichtung