Zurück zu Schmitt!. Johannes Hucke

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Zurück zu Schmitt! - Johannes Hucke


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      Johannes Hucke

      Zurück zu Schmitt!

      BÜRO-NOVELLE VOM ERWARTETEN NIEDERGANG UND UNERWARTETEN AUFSTIEG DER PACKURA KARTONAGEN U.V.A.

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       Verlagslogo

      Dieses E-Book wurde erstellt für Johannes Hucke ([email protected])

      am 24.04.2015 um 8:01 Uhr, IP: 84.163.14.147

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Hinweise eines Fensterputzer-Fisches

       Einkauf mit Satteltasche, aber ohne Fahrrad

       Zwei Briefe

       Überfall plus Kuss von Emma Peal

       Dienstantritt mit 72: Forstarbeiten und versteckte Talente

       Überfällige Entschuldigungen und eine unvergessliche Rede

       Stubendurchgang und Ping-Pong mit Blick auf Altenglühen

       Entlassungswelle rückwärts

       Das wiedergefundene Paradies: Hohelied der Gegenstände

       Horrido! Antreten zum Schnitzelfassen

       Wie zerronnen, so gewonnen

       Frühlingswalzer in der Tiefgarage

       Fingerzeige einer Bockwurst

       Impressum

       Hinweise eines Fensterputzer-Fisches

      „Immer derselbe Carpaccio-Quatsch! Gibt´s denn nirgendwo mehr Pellkartoffeln?“

      Mit dem zum Vorzugspreis ausgewiesenen Businesslunch schien Direktor Essenwein nicht einverstanden zu sein.

      „Wenn Sie Pellkartoffeln wollen“, äugte Dr. Eleonore Kahle hinter der überdimensionalen Speisekarte hervor, „hätten wir vielleicht nicht zu Ihrem Edel-Italiener gehen sollen.“

      Unwillig hob Essenwein die Schultern. Sein Blick fiel auf einen Fensterputzer-Fisch, der in einem der Riesenaquarien, streng geometrisch über den weitläufigen Gastraum verteilt, seiner stumpfsinnigen Tätigkeit nachging: immer dieselbe Ecke, immer dieselbe Ecke ... Dahinter bemerkte der Direktor einen älteren Herrn, der eine auf DIN-5-Größe zusammengefaltete Zeitung las und mit seiner Lachslasagne schimpfte. Zu heiß, vermutlich.

      „Ich habe den Eindruck“, setzte Eleonore von neuem an, „dass Ihre Distanz gekünstelt ist; dass Ihnen der Verkauf der Firma persönlich viel näher geht als Sie es zugeben wollen.“

      „Ihnen kann ich´s ja sagen.“ Essenwein räusperte sich seltsam helltönend, der Fensterputzer-Fisch sah sich um. „So langsam verstehe ich die alten Offiziere, die für solche Fälle immer einen Revolver in der Schublade hatten. Das waren noch Ehrenmänner.“

      „Na, na.“ Frau Dr. Kahles Miene changierte in Richtung Psychotherapie. „Sagten Sie nicht, Sie gehen bald in Kur? Vielleicht, dass danach ...“

      „Ja, so ist es. Feigheit vor dem Feind, wenn Sie so wollen.“

      Der angeschlagene Direktor winkte dem Kellner. Er brauchte jetzt Rotwein. Schweren Rotwein.

      Eleonore Kahle, Wirtschaftsanwältin in dritter Generation, unverzichtbar in dieser Stadt, wenn es darum ging, kranke Firmen für gesund zu verkaufen – oder umgekehrt, je nach Bedarf – , war dem Hause Essenwein seit längerem verbunden. Hier herrschten also andere Gesetze. Wahrhaftig, das gab es! Von wegen „unbarmherzige Kampfhexe“, wie ihre wunderbar missratene Tochter sie zu titulieren pflegte. Jens Essenwein tat ihr als Mensch leid. Man stelle sich vor: als Mensch!

      Das verlangte ungewöhnliche Maßnahmen.

      „Wie Sie wissen“, bemühte sich die Anwältin um ein vertrauensvolles Timbre, „bin ich als Sparbrötchen verschrien. Heute aber nicht. Ich lade Sie zu einem schönen Brunello ein, ja? Und wenn Sie dann noch traurig sind ... fang´n wir an von vorn.“ Den Schluss hatte sie fast gesungen, im Heinz-Ehrhard-Stil.

      „Das bin ich nicht wert“, schluckte Essenwein, der sichtlich gerührt war. „Nicht mehr.“

      „Kscht!“

      Wäre Eleonore wirklich eine Hexe gewesen, mit exakt dieser Bewegung hätte sie alle Trübsal vom Tisch verscheucht. So aber irritierte sie nur die streng uniformierte edelitalienische Bedienung, deren Bewegungen, mehr noch, deren Seele inklusive Erscheinungsbild von irgendwem gleichgeschaltet zu sein schien. Sie sagte tatsächlich „Oups!“, sie säuselte „Was darf ich denn Leckeres bringen?“, ließ auch das sklavische „Sehr gerne!“ nicht aus und zischte beim Servieren immer wieder „Genießen Sie eees!“

      „Äh ...“ Direktor Essenwein deutete an, dass ihm übel sei. „Noch eine Generation, und das sind alles Automaten.“

      „Warten Sie zwei ab, dann gibt es nichts anderes mehr, und dann merkt´s auch keiner.“

      Frau Dr. Kahle schien sich nicht zu beunruhigen. Zumindest nicht, solange sie in einen so prachtvoll gereiften Brunello hineinriechen durfte.

      „Und die Menschen? Was wird dann aus ...“

      „Haben Sie Matrix gesehen?“

      „Den Film? Och bitte, keine Science-Fiction. Nicht schon mittags.“

      Nach und nach gelang es der Anwältin, ihren Schützling, der ihr in den vergangenen Jahren immer wieder fabelhafte Aufträge zugeschanzt hatte, in freundlichere Gewässer zu steuern. Statt von drohendem Konkurs, Zerschlagung, gierigen Erzfeinden quasselten die beiden bald vom Meer. Anlass war ein mit Limonen-Zesten erfrischter Schwertfisch, freilich in Mini-Ausführung, auf noch winzigeren Linguine gebettet. Ein Sonnenuntergang aus Bottarga vollzog sich in einer Tellerecke. Frau Kahle musste umschwenken; den Brunello ließ sie weiteratmen, indessen sie die Servierkraft programmierte, so schnell wie möglich einen Roero Arneis aus dem Kühlschrank zu fischen.

      „Alte Römerrebe“, konnte sie einmal mehr ihr Fachwissen nicht unterdrücken. „Leichter Honigton, aber schön kräuterherb. Haben schon die großen Dichter gesoffen, Dings zum Beispiel.“

      Während des erwartungsgemäß sich anschließenden Monologs über den Weinbau im Alten Rom im Vergleich zum noch älteren Griechenland nebst einem Exkurs in die frühe ägyptische Rebenkultur hatte Direktor Essenwein ausreichend Zeit, einer unerwarteten Kehrtwendung seine Beachtung zu schenken. Jener Fensterputzer-Fisch, den er kurz zuvor seiner tumb-gleichförmigen Verrichtungen wegen noch innerlich gescholten hatte, war auf einmal in eine andere Richtung unterwegs. Seinen traulichen Winkel hatte er verlassen, vielleicht für immer. Das unförmige graue Schleimvieh hatte sich auf eine schmierige Wanderschaft begeben,


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