Drei Dichter ihres Lebens. Stefan Zweig

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Drei Dichter ihres Lebens

      Drei Dichter ihres Lebens

      Casanova - Stendhal - Tolstoi

      Stefan Zweig

      Erstmals erschienen 1928

      © Lunata Berlin 2019

      Inhalt

       Vorwort

       Casanova

       Bildnis des jungen Casanova

       Die Abenteurer

       Bildung und Begabung

       Philosophie der Oberflächlichkeit

       Homo eroticus

       Die Jahre im Dunkel

       Bildnis des alten Casanova

       Genie der Selbstdarstellung

       Stendhal

       Lügenlust und Wahrheitsfreude

       Bildnis

       Film seines Lebens

       Ein Ich und die Welt

       Der Künstler

       De Voluptate Psychologica

       Selbstdarstellung

       Gegenwart der Gestalt

       Tolstoi

       Vorklang

       Bildnis

       Vitalität und ihr Widerspiel

       Der Künstler

       Selbstdarstellung

       Krise und Verwandlung

       Der künstliche Christ

       Die Lehre und ihr Widersinn

       Der Kampf um Verwirklichung

       Ein Tag aus dem Leben Tolstois

       Entscheidung und Verklärung

       Die Flucht zu Gott

       Ausklang

       Über den Autor

       Maxim Gorki

       dankbarst und verehrungsvoll

      Vorwort

      »The proper study of mankind is man.«

       Pope

      Innerhalb der darstellenden Reihe Die Baumeister der Welt, mit der ich versuche, den schöpferischen Geistwillen in seinen entscheidenden Typen und diese Typen wiederum durch Gestalten zu veranschaulichen, bedeutet dieser dritte Band gleichzeitig Gegenspiel und Ergänzung der vorangegangenen. Der Kampf mit dem Dämon zeigte Hölderlin, Kleist und Nietzsche als dreifach abgewandelte Wesensform der von dämonischer Macht getriebenen tragödischen Natur, die ebenso über sich selbst wie über die reale Welt hinaus dem Unendlichen entgegenwirkt. Die Drei Meister veranschaulichten Balzac, Dickens und Dostojewski als Typen der epischen Weltgestalter, die im Kosmos ihres Romans eine zweite Wirklichkeit neben die schon vorhandene setzen. Der Weg der Drei Dichter ihres Lebens führt nun nicht wie bei jenen ins Unendliche hinaus und nicht wie bei diesen in die reale Welt, sondern einzig in sich selbst zurück. Nicht den Makrokosmos abzubilden, die Fülle des Daseins, sondern den Mikrokosmos des eigenen Ich zur Welt zu entfalten, empfinden sie unbewußt als entscheidende Aufgabe ihrer Kunst: keine Wirklichkeit ist ihnen wichtiger als jene der eigenen Existenz. Indes also der weltschöpferische Dichter, der extrovertierte, wie ihn die Psychologie nennt, der weltzugewandte, sein Ich im Objektiven seiner Darstellung bis zur Unauffindbarkeit auflöst (am vollendetsten Shakespeare, der menschlich zum Mythos gewordene), wird der subjektiv Fühlende, der introvertierte, sich selbst zugewandte, alles Weltliche in seinem Ich enden lassen und vor allem Gestalter seines eigenen Lebens sein. Welche Form er auch wähle, Drama, Epos, Lyrik und Autobiographie, immer wird er unbewußt sein Ich in jedes Werk als Medium und Mitte hineingestalten, mit jeder Darstellung stellt er vor allem sich selber dar. Diesen Typus des selbstbeschäftigten subjektivistischen Künstlers und seine entscheidende Kunstform, die Autobiographie, an drei Gestalten, Casanova, Stendhal, Tolstoi, darzutun, bedeutet den Versuch und das Problem dieser dritten Folge.

      Casanova, Stendhal, Tolstoi, diese drei Namen, ich weiß es, sie passen im ersten Zuklang mehr überraschend als überzeugend zusammen, und man wird sich zunächst das Wertniveau nicht erdenken können, auf dem sich ein lockerer, amoralischer Filou und zweifelhafter Künstler wie Casanova mit einem heroischen Ethiker, einem so vollkommenen Gestalter wie Tolstoi begegnet. Tatsächlich meint auch diesmal Beisammensein in einem Buche nicht Nebeneinandersein auf derselben geistigen Ebene; im Gegenteil, diese drei Namen symbolisieren drei Stufen, ein Übereinander also, eine immer erhöhte Wesensform gleicher Gattung, sie repräsentieren, ich wiederhole es, nicht drei gleichwertige Formen, sondern drei aufsteigende Stufen ebenderselben schöpferischen Funktion: der Selbstdarstellung. Casanova repräsentiert selbstverständlich nur die erste, die niederste, die primitive Stufe, nämlich die naive Selbstdarstellung, wo ein Mensch noch Leben mit äußerem sinnlichen und faktischen Erleben gleichsetzt und unbefangen Ablauf und Ereignisse dieses seines Daseins berichtet, ohne sie zu werten, ohne sich selbst zu durchforschen. Mit Stendhal erreicht die Selbstdarstellung schon eine höhere Stufe, die psychologische. Ihr genügt nicht


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