Mohammed. Klabund

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Mohammed - Klabund


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      Klabund – Mohammed

      Ambra und Aloe und alle Wohlgerüche Arabiens über dich, den erlauchten Leser dieses geringen Buches. Du stehst mir nahe wie meiner Eltern Kind. Sei mein tapferer Bruder Meine scheue Schwester

      Mohammed Ibn Ishak grüßt den edlen Gefährten und die anmutige Genossin einer kurzen Reise durch die Märchenwildnis seiner Schrift. Nach mündlichen Berichten und Zeugnissen und den gewissenhaften Erzählungen seiner Freunde schrieb er das Leben Mohammeds, des Gesandten Gottes, wie er es wahrhaftig erlebte. Möge Nachsicht seinem gewagten Unternehmen vergönnt sein Die Agave muß blühen, das Weib muß lieben, die Sonne sich sonnen, Mohammed Ibn Ishak mußte dichten: die goldene Geißel und die rosane Entzückung seines Seins.

      Der Schatten einer Palme segnete Aminah, die Liebliche, welche sanft dahingestreckt sich ihm vertraute. Die bronzene Wüste lag vor ihren Blicken, ein Kessel, der über unsichtbaren Feuern schwang. Ihre Ahnung irrte nach Westen. Dort hob sich eine Wolke Staub vom Boden, als entstiege sie einer Karawane. Mit lässiger Ängstlichkeit spielten ihre kleinen grauen Hände wie zwei Mäuse im silbernen Sand. Die Wolke aber kam näher, und sie nahm die Gestalt und den Glanz eines Jünglings an. Die Palme zu ihren Häupten begann zu tönen. Die Luft bestürmte sie. Zu schwarzen seidenen Kissen wandelte sich der Schatten, in dem sie lag. Eine selige Müdigkeit streichelte ihre Glieder. Ein strahlendes Echo zitternd gestammelter Liebkosung empfing sie aus der Wolke, dann sank sie rücklings in einen schwärmerischen Schlaf.

      Als sie erwachte, hing ihr die Dämmerung ins Gesicht. Ihre Brüste stießen hell und hart ins Dunkle. Die schimmernden Brustwarzen berührten die steigenden Sterne, ihre Geschwister. Ermattet und erlöst sah sie den braunen Rücken eines Jünglings, der in das Abendrot schritt. In weiter Ferne unkörperlich sich entfaltete und in einer blauen Wolke entschwand.

      Als Aminah einen Sohn gebar, da nannte sie ihn Mohammed. Sie empfand aber keine Wehen, wie die Weiber sonst, wenn sie gebären. Sie krümmte sich nicht wie die Weinbergschnecken. Sie schrie nicht wie der Schakal oder die wilde Katze. Sie lächelte, da sie ihn von sich nahm. Die Wunde schloß sich alsobald, sie erhob sich von ihrem Lager und eilte leichtfüßig, das Kind auf den Armen, nach der Kaaba. Dort brach sie in die Knie. Der schwarze Stein, der einst vom Himmel gefallen war, berührte die weißen Lippen des Säuglings, der, noch erblindet, sich an ihn saugte und Milch von ihm trank wie von den Brüsten einer Mutter.

      Aminah aber war zart, und Mohammed ergriff sie mit den Pranken eines jungen Tigers. Da sprach Abd Almuttalib zu ihr:

      »Ich werde gehen und eine Amme suchen. Denn das Kind ist stark, wie ich noch keines sah; es könnte dich töten… Auch mangelt es an genügender Nahrung für dich. Wir haben Dürre und Hungersnot. Ich werde gehen zu den Frauen vom Stamme der Benu Saad, deren Beruf und Verdienst es ist, zu säugen.«

      Abd Almuttalib ging auf den Markt, wo die Frauen vom Stamme der Benu Saad sich als Ammen anbieten, und rief: »Eine Amme für Mohammed, den Sohn der Aminah«

      Das Gemurmel der Frauen, das wie Plätschern eines tiefen Brunnens klang, riß mitten hindurch wie ein Leinentuch. Sie spitzten ihre Ohren wie Häsinnen.

      Als sie aber hörten, daß der Name eines Vaters nicht ausgerufen wurde, überstürzten sich ihre Stimmen wie Kaskaden, um dann munter und eben weiter dahinzuplätschern.

      Ein Waisenkind Pah Was soll es damit Das Gehalt fällt mager aus, wenn der Vater fehlt. Und wo bleiben die üblichen Ehrengeschenke des Erzeugers an die Amme? Der Großvater wird sich nicht sonderlich um das Kind kümmern.

      Abd Almuttalib lief den Markt auf und ab und rief: »Eine Amme für Mohammed, den Sohn der Aminah«

      Er lief den ganzen Vormittag. Als alle ändern Frauen schon Säuglinge gefunden hatten, trat Halimeh, die Ärmliche und Unscheinbare, mit den schlaffen Brüsten, welche fürchtete, um ihren Verdienst zu kommen, auf Almuttalib zu und sprach: »Ich bin bereit, Mohammed, den Sohn der Aminah, zu säugen und zu pflegen…«

      Sie nahm den Knaben auf die Arme und trug ihn, mißvergnügt, daß sie ein Waisenkind davongetragen und weiterer Geschenke verlustig gehe, zu ihrer Kamelin, einem halbverhungerten kärglichen Tier, und schloß sich der Karawane der Ammen an, die mit ihren Säuglingen heimritten.

      Als sie nun Mohammed an ihren schlaffen Busen legte, da schwoll er rund wie ein Granatapfel und gab Milch im Überfluß. Am Abend, da es sie hungerte und ihr Mann die Kamelin molk, molk er viele Eimer voll. Als sie sich zum Schlaf niederlegten, standen Dattel- und Feigenbäume um ihr Lager und sie tranken und aßen sich seit langem wieder einmal satt. Halimeh aber sagte: »Wisse, wir sind in einen Garten der Wunder getreten. Die Welt liegt hinter einem Rosenbusch. Palmen fächeln wie Mohrensklaven. Ich bin jung und wieder schön. Küsse mich Geliebter…«

      Das Land der Benu Saad, welches das unfruchtbarste Arabiens ist, wandelte sich, wo die Schritte Halimehs, der Amme Mohammeds, es berührten, zu einem paradiesischen Acker. Schwer mit Milch beladen schwankte Halimehs Vieh jeden Abend heim. Die Bäume warfen Schatten und Früchte ins ehedem leere Haus. Vögel und Blumen, die man vordem in dieser Gegend nie gesehen, blühten und zwitscherten um Mohammed und Halimeh. Nach zwei Jahren entwöhnte Halimeh Mohammed von ihrer Brust. Er aber verlangte noch oft nach ihr, bis in sein viertes Jahr.

      Mohammed verbrachte die Tage als Hirt auf den Wiesen der Tochter Abu Dsueibs.

      Öfter sprach Halimeh mit ihrem Mann: »Wundert es dich nicht, daß seine Mutter gar nicht nach ihm verlangt? Ist das noch eine rechte Mutter, die vier Jahre, zwei Jahre nach der Entwöhnung, sich gar nicht nach ihrem Knaben erkundigt?«

      »Abd Almuttalib schickt regelmäßig das Abgehandelte und Ausgemachte. Und haben wir nicht sonderbaren Segen durch Mohammed? Bekümmere dich nicht um die unmütterlichen Gefühle fremder Mütter«, entgegnete ärgerlich ihr Gatte. Das Gespräch durchbrach, wie der Wolf die Lammhürde, bellend der Milchbruder Mohammeds, ihrer beider Sohn.

      Ein riesiger Vogel, so erzählte er stammelnd, sei auf Mohammed, der sich bei den Tieren auf der Wiese befand, aus der Sonne herniedergestoßen, habe ihm mit dem goldenen Schnabel die Brust aufgehackt, so daß die Gedärme heraushingen, und habe in den Gedärmen gewühlt, als suche er das Herz. Da habe sich plötzlich eine schöne Frauengestalt, durchsichtig wie Glas und wie ein Schleier über die Wiese wehend, gegen den Vogel geworfen, der, von seinem Opfer ablassend, sich nunmehr gegen die offenbare Feindin wandte, sie mit seinen riesigen Krallen ergriff und mit ihr in den Lüften verging.

      Erschreckt eilten Halimeh und ihr Gatte, der in Eile eine Hacke als Waffe an sich riß, auf die Wiese. Sie fanden das Vieh ruhig grasend und inmitten des Viehes auf einem kleinen Hügel Mohammed ohnmächtig, mit aufgerissener Brust und einer Wunde in der Herzgegend. Sie trugen ihn ins Haus und verbanden die Wunde, welche zusehends heilte.

      Nach drei Tagen schon sprang Mohammed wieder, der über sein Erlebnis keine Auskunft geben konnte, zwischen den Eseln und Kamelen im Stall umher.

      Aus der Beschreibung der schleierhaften Frau, die Mohammeds Milchbruder malte, schlössen Halimeh und ihr Gatte mit Bestimmtheit, daß es Aminah, Mohammeds Mutter, gewesen sein müsse. Das Abenteuer entsetzte sie aber dermaßen, daß sie beschlossen, Mohammed seiner Familie zurückzubringen und das Kostgeld aufzusagen.

      Als sie ihn zu Abd Almuttalib brachten, erfuhren sie, daß Aminah, Mohammeds Mutter, gestorben sei. Der wunderliche Alte hatte es ihnen drei Jahre verheimlicht.

      In Syrien lebte ein Mönch namens Bahirah in einer Einsiedelei inmitten eines Gehölzes. Er hatte ehemals seine Hütte unter einem Baum, nicht weit von der großen Karawanenstraße, errichtet. Es war aber nach und nach ein ganzer Wald um seine Behausung aufgeschossen, der sie vor den Blicken und Besuchen neugieriger Schnüffler verbarg. Er war ein Christ und mit christlichen Sitten und Gebräuchen wohlvertraut. In seiner Hütte verwahrte er an einer eisernen Kette ein heiliges Buch, zu dem die Mönche und Schriftgelehrten von weither pilgerten. Das Buch aber hatte ihm prophezeit, er werde den Gesandten Gottes erblicken und in den Armen halten an dem Morgen, an dem er es nicht werde berühren können. Und der Gesandte Gottes werde eine Narbe über dem Herzen haben: die Narbe, da Gott ihm sein menschliches Herz aus der Brust geschnitten und ihm ein englisches eingesetzt habe an seiner Statt. Jahrelang hielt Bahirah Ausschau nach dem Gesandten Gottes und bereitete sich auf ihn vor mit Gebeten und Kasteiungen.

      Eines Morgens, als er den Tag wie gewöhnlich mit


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