Butler Parker 137 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker 137 – Kriminalroman - Günter Dönges


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Butler Parker – 137 –

      »Sie haben sich natürlich wieder mal verfahren«, räsonierte Lady Simpson grollend und deutete auf das Schloß jenseits des schmalen Flußarms. »Die letzte Trauerfeier dürfte dort vor ein paar hundert Jahren stattgefunden haben.«

      »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit konsterniert«, räumte Butler Parker ein.

      »Das ist kein besonderes Schloß, Mister Parker, das ist eine Ruine.«

      »Wenn Mylady gestatten, möchte ich mir erlauben, mich Myladys Eindruck und Feststellung anzuschließen.«

      »Und was jetzt?« Agatha Simpson, groß, stattlich, leicht reizbar und sehr unternehmungslustig, erinnerte rein äußerlich an die Walküre einer antiquierten Wagner-inszenierung. Sie trug eines ihrer ausgebeulten, ungemein bequemen Tweed-Kostüme und einen Hut, der eine abenteuerliche Kreuzung aus Südwester und Topfhut darstellte.

      »Mit Myladys Erlaubnis möchte ich noch mal die Einladung zur Trauerfeier studieren«, antwortete Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.

      Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, mit ausdruckslosem Pokergesicht, stoppte sein hochbeiniges Monstrum und griff in die Innentasche seines schwarzen Zweireihers.

      Josuah Parker war ein Butler, wie man ihn eigentlich nur noch in Filmen oder auf dem Bildschirm erlebte. Er schien das Relikt längst vergangener Zeiten zu sein. Seine Höflichkeit war irritierend und verleitete dazu, ihn zu unterschätzen. Zu seiner schwarzen Melone trug er einen rabenschwarzen Anzug, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Sein altväterlich gebundener Regenschirm, von dem er sich so gut wie nie trennte, befand sich in einer speziellen Halterung neben seinem Sitz.

      Den Wagen, den er steuerte, konnte man wirklich nur noch als Monstrum bezeichnen. Es handelte sich um ein uraltes Londoner Taxi mit betont rechteckigem Aufbau und harten Kanten. Dieses Taxi war allerdings nach Parkers eigenwilligen Vorstellungen und Plänen umgestaltet worden, was das Innenleben des Gefährts betraf. Rein technisch gesehen bot es Überraschungen am laufenden Band und war als Trickkiste auf Rädern zu bezeichnen. Parkers Monstrum nahm es spielend mit jedem Tourenwagen modernster Bauart auf, doch darüber redete er nicht.

      Er hatte inzwischen die Einladung zur Trauerfeier in seinen schwarzbehandschuhten Händen und studierte noch mal die Orts- und Zeitangaben.

      »Ein Irrtum scheint ausgeschlossen, Mylady«, meldete er dann. »Dies dort drüben müßte Chapelle-sur-Loire sein.«

      »Das ist ein Trümmerhaufen«, stellte Mylady grimmig fest. »Die Türme sind halb eingestürzt, die Dächer halb abgedeckt.«

      »Der Wassergraben scheint allerdings noch intakt zu sein, Mylady.«

      »Ich will nicht baden, ich will an einer Trauerfeier teilnehmen«, erinnerte die ältere Dame gereizt. »Fahren Sie weiter! Vielleicht sind diese Leute verarmt.«

      Diese »Leute« waren sehr entfernte Verwandte der Lady Agatha Simpson, die mit dem Blut- und Geldadel der Britischen Inseln verwandt und verschwistert war. Darüber hinaus gab es natürlich auch weitverzweigte Seitenlinien, die zum Teil hier in Frankreich existierten. Dazu gehörten auch diese »Leute«, die Lady Simpson jetzt aufzusuchen gedachte.

      Das Schloß Chapelle-sur-Loire war für Lady Agathas Geschmack viel zu elegant, selbst im augenblicklich desolaten Zustand. Es handelte sich um ein Wasserschloß, das nur über eine morsch wirkende Zugbrücke zu erreichen war. Wie Parker bereits diskret angedeutet hatte, war der Wassergraben wohlgefüllt, wenngleich er auch einen leicht verschlammten Eindruck machte.

      Chapelle-sur-Loire bestand aus vier stämmig und untersetzt wirkenden Rundtürmen, die die elegante Linienführung der Wohntrakte zusammenhielt. Es gab eine Vielzahl von spitzen Dächern, Giebeln und Erkern. Der Vorgänger eines gewissen Walt Disney schien hier bereits architektonisch gewirkt zu haben. Das märchenhaft Verspielte war noch deutlich zu spüren, wenngleich der Außenputz auch in großen Fladen abgeblättert war.

      Parker hatte die morsche Zugbrücke erreicht und hielt erneut.

      »Ich möchte meiner Befürchtung Ausdruck verleihen, daß Mylady hinsichtlich der Adresse getäuscht worden sind«, sagte er dann. »Nach Lage der Dinge dürfte es sich um das handeln, was man gemeinhin eine Falle nennt.«

      »Dann unternehmen Sie gefälligst etwas dagegen«, grollte die resolute Dame, ohne in Panik oder Angst zu geraten. »Ich glaube, daß ich ziemlich verärgert bin, Mister Parker.«

      *

      Die beiden Gangster lagen auf der Lauer.

      Sie stammten aus Paris, hatten ihre speziellen Fähigkeiten gegen Bargeld vermietet und verfügten über einschlägige Erfahrungen, über Gerissenheit und mörderische Energie. Darüber hinaus verfügten sie über je ein Gewehr mit Zielfernrohr. Sie hießen Paul und Jean, waren durchschnittlich aussehende Männer, etwa dreißig Jahre alt. Bisher war es ihnen gelungen, ihre Identität zu verschleiern. Sie nannten sich Paul und Jean, das reichte. Wer in der Vergangenheit versuchte, mehr über sie zu erfahren, lebte längst nicht mehr.

      »Gleich werden sie aussteigen«, sagte Paul fast beiläufig. Er und sein Partner standen im rechten Brückenturm und besaßen erstklassiges Schußfeld.

      »Schneller kann man die Miete nicht verdienen«, antwortete Jean und lächelte zufrieden. »Teilen wir sie auf, Paul.«

      »Ich nehme die Lady«, sagte Paul.

      »Einverstanden.« Jean nickte. »Paßt mir durchaus. Einen Butler hatte ich noch nie.«

      Sie kontrollierten noch mal ihre Schießgeräte, denn sie waren ordentlich und nahmen ihren »Beruf« ernst. Dann warteten sie entspannt darauf, daß ihre Opfer diesen verrückt aussehenden, antiquierten Wagen verließen. Sie gingen von der Voraussetzung aus, daß ihre Opfer sich die Zugbrücke ansehen würden. Sie rechneten mit der menschlichen Neugier.

      »Anschließend lassen wir sie im Graben verschwinden«, erinnerte Paul und vergewisserte sich, daß der Schalldämpfer auch wirklich fest saß.

      »Samt Wagen.« Jean nickte und überprüfte ebenfalls den Schalldämpfer seines Gewehrs. Dann lachte er leise und spöttisch. »Etwas Abkühlung scheint er zu brauchen. Sieh dir das an!«

      Paul sah bereits.

      Aus dem Bereich des Kühlers stiegen weißliche Wasserdampfwolken empor, die sich schnell verstärkten und ausbreiteten. Der Motor schien überhitzt zu sein, das Kühlwasser zu kochen.

      Die beiden Todesschützen beobachteten kopfschüttelnd das verrückte Schauspiel. Die Wasserdampfwolken aus dem Kühler wurden in Sekundenschnelle zu einer wahren Nebelbank, in der die bereits nur noch schwach erkennbaren Konturen des hochbeinigen Wagens untergingen. Diese Nebelbank breitete sich aus und hüllte bereits einen Teil der morschen Zugbrücke ein.

      »Da stimmt doch was nicht«, vermutete Paul, der plötzlich von einer seltsamen Unruhe erfaßt wurde.

      »So viel Kühlwasser gibt’s doch gar nicht.« Jean spürte leichten Schweiß auf seiner Stirn. »Was machen wir jetzt, Paul?«

      Paul war das kühle Hirn dieser beiden Gangster. Und Jean erwartete in dieser Situation eine klare Stellungnahme.

      Paul wollte antworten, doch er hüstelte leicht, bellte dann heftig und faßte an seinen Hals. Er hatte das Gefühl, als würde ihm die Kehle zugeschnürt. Er ließ das Gewehr los, lehnte sich zurück und hustete erneut.

      Jean reagierte entsprechend.

      Er tat es wirklich nicht aus Sympathie. Auch seine Kehle wurde zugeschnürt. Er schnappte verzweifelt nach Luft, registrierte, daß der Raum sich bereits ebenfalls mit weißen Schwaden füllte, und kniete erst mal nieder. Die Beine kündigten ihm den Dienst.

      Paul schleppte sich mit letzter Kraft zur Wendeltreppe und wollte ins Freie. Als er die beiden ersten Stufen geschafft hatte, verlor er das Gleichgewicht und kollerte haltlos nach unten. Er blieb auf dem ersten Zwischenabsatz dieser Wendeltreppe liegen und bekam schon nicht mehr mit, daß sein Partner Jean sich ihm zugesellte.

      Paul träumte, aber es war ein böser Alptraum.

      Er trieb im grenzenlos weiten Meer und wurde von schäumenden Wogen


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