Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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schien sie schrecklich zu frieren. Maria Fellner war ganz bleich.

      »Hast Schmerzen, Madl?« fragte Josef die Hoftochter, während er sie behutsam untersuchte. Max zog eine Spritze auf, um Lisas Kreislauf wieder zu stabilisieren. Sie hatte einen leichten Schock erlitten. Lisa murmelte mit klappernden Zähnen: »Mir ist so schrecklich kalt, ich erfrier...«

      »Gewiß net.« Max reichte seinem Vater die Spritze, in diesem Moment fiel Maria Fellner einfach um. Was an diesem Abend so plötzlich und ohne Vorwarnung auf sie eingestürmt war, schien einfach zu viel für sie gewesen zu sein. Max fing die Bäuerin auf und legte sie vorsichtig in einen Sessel. Die beiden Ärzte arbeiteten Hand in Hand und schafften es so bald, die Fellner-Frauen zu stabilisieren. Als Maria wieder zu sich kam, wollte sie aufstehen, aber Max bat sie: »Bleib noch eine Weile liegen, Bäuerin. Und hernach gehst bald zu Bett. Nach einer ausgiebigen Nachtruhe wird es dir wieder gutgehen.«

      »Ich dank dir, Doktor. Und die Lisa?«

      »Sie schläft«, ließ Josef verlauten. »Ist alles halb so schlimm. Gebrochen hat das Madl sich nix, es ist mit dem Schrecken davongekommen. Ich würd sagen, die Lisa hat einen sehr fleißigen Schutzengel.«

      Maria Fellner seufzte tief. »Gewiß. Sein Name ist Tobias...«

      Währenddessen hatte Georg sich einige Stamperln genehmigt, um die Nerven zu beruhigen, wie er es nannte. Der Alkohol löste ihm die Zunge, und als die Ärzte erschienen, fuhr er Tobias gerade an: »Ich dulde es trotz allem net, daß du mir die Tochter stiehlst, Burgmüller. Und wenn die Lisa zu dir steht, duld ich sie auch nimmer auf meinem Hof!«

      Tobias sagte nichts, Max Brinkmeier mahnte: »Sei halt friedlich, Fellner. Der Tobias hat deiner Tochter das Leben gerettet. Dafür solltest ihm dankbar sein!«

      »Ohne ihn wär das alles nie passiert!« Der Bergbauer warf dem jungen Brinkmeier einen abfälligen Blick zu. »Was willst du da überhaupt? Schleich di, ich hab den richtigen Doktor gerufen.«

      »Schorsch, wie kannst dich nur so aufführen?« Maria Fellner trat in die offene Küchentür und schaute ihren Mann vorwurfsvoll an. »Sei doch froh, daß nix Schlimmeres geschehen ist.«

      »Das Schlimmste, was hätte passieren können, ist passiert. Die Lisa ist mir in den Rücken gefallen und zum Feind übergelaufen«, knurrte der Bergbauer. Dann versetzte er Tobias einen Stoß und lallte: »Nimm sie nur mit, hier will ich eine Burgmüllerin fei nimmer haben!«

      »Schorsch, bist narrisch!« Maria mußte sich am Küchenschrank festhalten, der Schwindel überkam sie schon wieder. Max tauschte einen vielsagenden Blick mit seinem Vater, dann schlug er vor: »Wir sollten die Lisa vielleicht mitnehmen ins Doktorhaus, sozusagen zur Beobachtung und bis sich die Gemüter ein wengerl beruhigt haben. Wäre dir das recht, Bäuerin?«

      Maria nickte. »Ja, das ist sicher das Beste.« Sie drückte Tobias die Hand und lächelte ihm ein wenig zu. »Danke, du hast uns die Tochter gerettet. Das werde ich dir nie vergessen.«

      Georg polterte aus der Küche und schlug wütend die Tür hinter sich zu. »Er wird sich beruhigen«, war Maria überzeugt. »Es war nur zuviel auf einmal.«

      Wenig später verließen die Brinkmeiers den Berghof. Tobias hatte Lisa in seinen Wagen gepackt und fuhr sie zum Doktorhaus. Sie schlief tief und fest, ihr ebenmäßiges Gesicht war entspannt, aber auch überblaß. Es gemahnte den Burschen daran, daß das Schlimmste für sie noch längst nicht überstanden war; im Gegenteil. Der Kampf für ihre Liebe hatte eben erst begonnen...

      *

      Rasch sprach sich im Tal von Wildenberg herum, daß der neue Landarzt sich gleich bei seinem ersten Einsatz überaus umsichtig und fähig gezeigt hatte. Das Wartezimmer im Doktorhaus füllte sich daraufhin wieder, die meisten kamen aus Neugierde, so ganz hatten sie ihre Vorbehalte gegen Max Brinkmeier aber noch nicht abgelegt. Der junge Mediziner machte sich nichts daraus. Zusammen mit seinem Vater hielt er Sprechstunde und spaltete bald die Wildenberger in zwei Lager: Die einen, die ihn bereits kannten und schätzten, und die anderen, die weiterhin auf Distanz blieben.

      Christel Brenner kümmerte sich um Lisa Fellner, die im Gästezimmer untergebracht war. Auch Anna Stadler, die Apothekerin, schaute vorbei und fragte, ob sie helfen könne. Sie brachte ein paar Medikamente mit, die Max angefordert hatte. Normalerweise war das Susi Angerers Aufgabe, aber die Chefin kam selbst, weil sie eben neugierig war. Das Kennenlernen zwischen ihr und Max Brinkmeier verlief freundlich. Daß es sie mitten ins Herz traf, als er ihr das erste Mal in die Augen schaute, konnte Anna erfolgreich verbergen. Zugleich aber spürte sie den dringenden Wunsch, diesen Mann näher kennenzulernen. Er war so ganz anders als alle, die sie kannte. Und er gefiel ihr zudem auf Anhieb besser als all die anderen...

      »Gewiß kannst dich net an mich erinnern, Max«, meinte sie. »Es liegen ja fast zehn Jahre zwischen uns. Ich bin noch in die Grundschule gegangen, als du schon die Matura gemacht hast.«

      »Und du erinnerst dich an mich?« wunderte er sich.

      Sie lächelte ihm strahlend zu. »Und ob. Warst ein fescher Bursch, alle kleinen Madln haben von dir geschwärmt. Leider bist dann fortgegangen, zum Studium. Mei, war das ein Schlag!«

      Max mußte lachen. »Tja, die Zeiten ändern sich. Jetzt bin ich wieder da und wir sind lange erwachsen.«

      »Ja, ein bisserl schad, gelt?« Sie räusperte sich, weil er sie fragend anschaute, und wechselte rasch das Thema. »Die Lisa schaut recht unglücklich aus. Ich würde mich gerne ein wenig um sie kümmern. Natürlich nur, wenn es dir recht ist, Max.«

      »Gewiß, hab nix dagegen. Ich fürchte nur, es wird nicht so leicht werden, ihren Vater und den Burgmüller zu versöhnen. Die zwei haben sich gestern auf d’ Nacht wie die wilden Stiere aufgeführt.«

      Anna nickte verständig. »Der Alois ist kein einfacher Mensch. Ich werde mal mit ihm reden, hab ein bisserl Einfluß auf ihn.«

      Allerdings erreichte Anna Stadler wenig beim Bürgermeister. Er freute sich zwar, sie zu sehen und lud sie gleich zum Abendessen ein, doch was seinen Sohn und dessen Liebste anging, da war er zu keinem Zugeständnis bereit.

      »Es tut mir leid, was geschehen ist. Aber das ändert nix an meiner Meinung«, stellte er kategorisch klar. »Die Lisa will ich net zur Schwiegertochter, basta!«

      So vergingen einige Tage, in denen das Madl sich im Doktorhaus aufhielt. Jeden Abend besuchte Tobias seine Liebste, ihre Mutter schaute vorbei, und auch Anna Stadler kümmerte sich um Lisa. Freilich nicht ganz uneigennützig, denn sie saß oft noch eine Stunde mit Max bei einem Glas Wein zusammen. Dabei lernten die beiden sich zwar etwas näher kennen, doch eine gewisse Distanz blieb trotzdem zwischen ihnen bestehen. Anna bedauerte dies, den wahren Grund für Max’ zurückhaltende Art erfuhr sie aber bald.

      Tobias hatte mal wieder einen unerfreulichen Tag hinter sich, als er Lisa am Abend besuchte. Der Vater schien ganz versessen auf das Geschäft mit den Ferienhäusern zu sein und hatte sich mit einigen Verantwortlichen der Baufirma direkt vor Ort getroffen. Freilich war das Georg Fellner nicht verborgen geblieben. Der Bergbauer war mit seinem größten Traktor direkt über die Burgmülleralmen gerattert, und die Investoren hatten sich nur durch einen Hechtsprung aus dem Gefahrenbereich des Gefährts retten können. Daraufhin war Alois ausfallend und sogar handgreiflich geworden. Die beiden ehemaligen Spezln hatten sich beschimpft wie die Kesselflicker. Als Alois dann heimkam, mit einer Schramme im Gesicht und überaus schlecht gelaunt, hatte er Tobias heftige Vorwürfe gemacht, die in der Behauptung gipfelten, er wolle den eigenen Vater in den Schlaganfall treiben. Hernach hatte der Burgmüller das Haus türenknallend verlassen. Zunächst war er zur Rosenapotheke gegangen, doch Anna hatte ihm nicht aufgemacht. Schließlich war ihm sein alter Spezl Dominik Hirtner eingefallen. Aber als er diesem sein Leid klagte, konnte er wenig Verständnis erwarten.

      Der gute Hirte von Wildenberg musterte seinen ehemaligen Schulkameraden mit einer Mischung aus leisem Amüsement und Strenge. Und das war etwas, das Alois gar nicht leiden konnte.

      »Ich kann dir nur eins raten, Lois: Werde endlich vernünftig. Geh in dich, verzichte auf das Geschäft und gib den Kindern deinen Segen. Das ist der einzig vernünftige Weg.«


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