Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

Читать онлайн книгу.

Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


Скачать книгу
auf mein Geschäft verzichten. Und ich will die Fellner net als Schwiegertochter! Ist denn das so schwer zu verstehen? Ich dachte, du bist mein Spezl. Warum bist dann gegen mich?«

      »Das bin ich ja gar nicht«, versicherte Hochwürden und erhob sich. Ein wenig ging er in der guten Stube des Pfarrhauses hin und her, ein noch immer schlanker, großer Mann mit dunklem, gewelltem Haar und klugen grauen Augen. Einst waren er und Alois die größten Spitzbuben und Schürzenjäger im Tal gewesen. Nun hatte der Bürgermeister Speck angesetzt, doch im Herzen hatte er sich weitaus weniger fortbewegt als sein Freund. »Schau, Lois, ich denke an die Zukunft. Was soll werden, wenn du dem Georg net die Hand zur Versöhnung reichen willst? Die Lisa hat deinen Sohn lieb, sie werden irgendwann heiraten. Der Tobias ist ein fleißiger Bauer, und der Georg braucht einen Jungbauern. Sie werden auf den Berghof ziehen. Du bleibst allein und wirst nicht einmal deine Enkel aufwachsen sehen. Ist es das wert? Der dumme Hochmut, die Rachsucht, die Gier nach Profit?«

      »Du übertreibst wie immer. Ich bin im Recht und dabei bleibt es«, kam es da uneinsichtig vom Alois. »Füat di.« Ärgerlich ging er wieder heim. Keiner verstand ihn. Warum nur?

      Tobias hatte derweil Lisa in seine Arme geschlossen und schenkte ihr viele verliebte Busserln. Sie hielten sich ganz fest, genossen diese vertraute Nähe und schauten einander immer wieder in die Augen, als wollten sie sich gegenseitig ihrer Liebe auch auf diese Weise versichern.

      »Jetzt bin ich wieder froh«, sagte der Bursch schließlich. »Wenn du nur bei mir bist, Schatzerl, dann wird jeder Tag schön. Auch wenn eher das Gegenteil der Fall ist.«

      Sie setzten sich, Lisa schmiegte sich an den geliebten Burschen und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich weiß, die Väter haben sich wieder unmöglich benommen. Die Mama war vorhin da und hat es mir erzählt. Ach, Tobias, ich hab schon gehofft, ich könnte bald heim. Aber danach schaut es jetzt net aus.«

      »Es wird nimmer lang dauern.« Der Jungbauer wirkte nun sehr entschlossen. »Ich werde dem Vater klarmachen, daß er tun kann was er will, es wird ihm doch nicht gelingen uns zu trennen.«

      »Aber, Tobias, was...«

      »Keine Angst, Engerl, es gibt keinen Unfried. Wir zwei gehören zusammen. Und deshalb werden wir das jetzt auch aller Welt zeigen. Am Sonntag hole ich dich ab, dann gehen wir zusammen zum Gottesdienst.«

      Das Madl erschrak. Ganz blaß wurde Lisa. »Ich fürchte mich! Was, wenn die Väter in der Kirche das Streiten anfangen?«

      »Das werden sie fein bleiben lassen, dafür sorgt gewiß Hochwürden. Und jetzt schau net so ängstlich. Ich bin ja bei dir. Wenn wir nur fest zusammenhalten, dann kann uns nichts passieren. Vertrau mir bloß!«

      »Das tu ich ja.« Sie stahl sich in seine Arme. »Aber ich hab trotzdem Angst...«

      Eine Weile später machte Tobias sich auf den Heimweg. Er verabschiedete sich auch von Max, der mit Anna Stadler beisammen saß. Kurz unterhielten die beiden Mannsbilder sich noch, dann meinte der junge Landarzt: »Die beiden lassen sich durch nichts irritieren, sie stehen fest zusammen, so, wie es sein soll.«

      »Das ist schön.« Anna bekam ganz verträumte Augen. »Wenn man einen Menschen hat, der immer für einen da ist...«

      »Warum hast eigentlich net geheiratet, Anna? Oder darf ich das net fragen?«

      »Doch. Warum nicht?« Sie seufzte leise. »Weißt, Max, als ich studiert hab, da war ich sehr verliebt in einen Mitstudenten. Wir haben Pläne gemacht, wollten sogar heiraten. Aber dann ist er mit dem Motorrad verunglückt. Ich hab lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Als ich die Apotheke von den Eltern übernommen hab, war das eine große Anstrengung. Ich hatte so viel um die Ohren, daß ich kaum zum Luftholen gekommen bin. Es gab schon den einen oder anderen, der mir den Hof gemacht hat. Aber die große Liebe war net dabei. Und da hab ich lieber verzichtet, als mich auf Halbheiten einzulassen.«

      »Eine Frau von Format«, lobte Max. »Kein Wunder, daß der Bürgermeister dir gern mehr wäre...«

      »Ach, der!« Anna schüttelte den Kopf. »Ich mag ihn net, er ist nur aufs Geschaftelhubern aus. Und mich sieht er wohl als so eine Art Trophäe, die er erringen will. Wie den stärksten Bock im Herbst. Na, dank schön!«

      Der Landarzt mußte schmunzeln, in diesem Moment meldete sich das Telefon. Max entschuldigte sich und griff danach. Er meldete sich, und es dauerte nur einen Augenblick, als eine erstaunliche Wandlung mit ihm vor sich ging. Ein glückliches Strahlen trat in seine Augen, und ein jungenhaftes Lächeln machte ihn für Anna nahezu unwiderstehlich. Doch was er sagte, das ernüchterte sie rasch wieder.

      »Julia, ich kann dir gar net sagen, wie schön es ist, deine Stimme zu hören! Wie geht es dir? Gut? Na, kann ich mir denken. Ach, ganz manierlich. Aber ich vermisse dich wie narrisch...«

      Anna erhob sich und verließ auf leisen Sohlen die Stube und gleich darauf das Doktorhaus. Das war also der Grund, warum sie bei Max nicht weiterkam. Sein Herz war bereits vergeben! Ganz niedergeschlagen fühlte sie sich auf dem Heimweg. Endlich hatte sie ihr Herz wieder verschenkt und dann an den Falschen. Aber war Max wirklich der Falsche? Anna dachte nach. Wenn seine Freundin noch immer in Afrika war, dann schien ihr der Beruf mehr zu bedeuten als Max. Konnte denn eine solche Beziehung auf Dauer bestehen, noch dazu aus so großer Distanz? Die junge Apothekerin bezweifelte es. Und plötzlich schöpfte sie neuen Mut. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren. Vielleicht brauchte sie nur Geduld und ein wenig Geschick. Von beidem besaß sie genügend...

      *

      Dr. Julia Bruckner legte den Hörer auf und seufzte leise. Seit fast einer Woche hatte sie nicht mit Max telefoniert und sich schrecklich nach ihm gesehnt. Nun, da sie seine Stimme gehört hatte, war es aber nicht besser geworden – im Gegenteil. Die Sehnsucht in Julias Herzen war noch gewachsen. Und sie fühlte sich zugleich schrecklich einsam in der vertrauten Umgebung. Mit müden Schritten ging sie auf die Terrasse, lauschte dem Lied des Urwalds und betrachtete die Sterne am klaren Abendhimmel. Er war nicht mal einen Monat her, als sie mit Max hier gestanden hatte. Fast meinte sie, seine Lippen noch auf ihrem Mund zu spüren, seine Bitten zu hören, ihn zu begleiten. In Momenten wie diesem fragte sie sich, warum sie es nicht getan hatte. Seit Max fort war, hatte sie sich beinahe jede Nacht in den Schlaf geweint. Oft lag sie gegen Morgen wach, in dem unwirklichen Zwielicht zwischen Tag und Traum und stellte sich vor, wie es wäre, in Max’ Armen zu liegen, ihm endlich wieder nah zu sein. Dann schmerzte ihr Herz zum Zerspringen, und sie konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken.

      Am Tage war es nicht so schlimm, da konnte Julia sich hinter all ihren Pflichten vor der Wahrheit verstecken. Doch nachts, wenn der Wind sacht durchs Fenster strich und den exotischen Duft fremder Blüten mit sich brachte wie ein Versprechen...

      »Guten Abend, Frau Doktor. Machen Sie noch einen Spaziergang?« Es war Schwester Mary, die nun ebenfalls auf die Terrasse getreten war. Eigentlich lebte sie in einer kleinen Zelle in einem anderen Gebäudeteil. Doch sie suchte öfter die Nähe der Ärztin, seit Max Brinkmeier Afrika verlassen hatte. Die einfühlsame Nonne spürte, daß Julia Beistand brauchte.

      »Ich wollte nur ein wenig frische Luft schnappen«, erklärte Dr. Bruckner. »Kommen Sie, trinken wir noch einen Kaffee zusammen. Wollen Sie mir kurz Gesellschaft leisten?«

      »Gern.« Mary lächelte freundlich. Und als die beiden sehr unterschiedlichen Frauen sich dann gegenübersaßen, fragte sie: »Vermissen Sie den Doktor noch sehr?«

      »O ja. Ich kann es nicht leugnen.« Julia versuchte nicht, vor Mary Theater zu spielen, sie wußte, daß die Schwester sie doch durchschaute. Mary verfügte über eine gute Menschenkenntnis. »Als Max fortgegangen ist, habe ich geglaubt, ich kann es ertragen. Schließlich habe ich hier meine Arbeit, werde gebraucht. Aber es wird mir immer schwerer, mit jedem Tag, der vergeht. Sollte es nicht umgekehrt sein?«

      Die Einheimische überlegte sich ihre Antwort gut. »Eigentlich nicht. Man redet sich das ein. Doch es stimmt nicht. Vielleicht hätten Sie den Doktor begleiten sollen. Der Mensch ist nicht auf Erden, um zu leiden und unglücklich zu sein.«

      Julia mußte unwillkürlich lächeln. Sie mochte die direkte, positive Art und Weise, wie die einheimischen


Скачать книгу