Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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ein paar Monate lebte er nun wieder in seinem Heimattal, zuvor hatte er zehn Jahre im Ausland verbracht. Die Erinnerung an die Missionsstation im afrikanischen Ruanda kehrte sehr lebendig zurück und brachte auch die Sehnsucht in das Herz des jungen Mannes. Denn dort hatte Max nicht nur viele liebenswerte Menschen zurückgelassen, sondern auch den Menschen, dem sein Herz gehörte. Dr. Julia Bruckner, die zauberhafte Kollegin, die für ein Jahrzehnt zum Mittelpunkt seines Lebens geworden war. Sie hatten sich seinerzeit in München an der Uni kennengelernt und waren dann gemeinsam in die Entwicklungshilfe gegangen. Es war für Max ein besonderes Glück gewesen, Beruf und Privates auf so ideale Weise verknüpfen zu können. Julia war Medizinerin aus Leidenschaft wie er. Sie hatten sich oft auch ohne Worte verstanden, denn ihre Ziele und Auffassungen waren die gleichen gewesen. Ein leises, bekümmertes Seufzen kam über Max’ Lippen, während das Bild der schönen, geliebten Frau vor seinem geistigen Auge entstand. Daß sie ihn nicht begleitet hatte, als er nach Wildenberg zurückgekehrt war, um die väterliche Praxis zu übernehmen, war der einzige Wermutstropfen dieses neuen Lebensabschnitts. Doch er hatte noch immer die Hoffnung, daß sie ihm eines Tages folgen würde. Denn er wußte, daß sie ihn ebenso sehr vermißte wie er sie. Max verlangsamte das Tempo, als das Ortsschild von Wildenberg auftauchte. Er ließ seinen Blick über das liebliche Tal schweifen und fühlte sich dabei ganz glücklich und zufrieden. Daß er heimgekommen war, als sein Vater ihn gebraucht hatte, daß er

      die Tradition der Brinkmeiers als Landärzte von Wildenberg fortführte, machte ihn froh. Ohne Julia war das Glück nicht perfekt. Doch hieß es nicht, daß man im Leben nicht alles haben konnte? Zumindest nicht auf einmal...

      Max schaute auf seine Uhr und stellte fest, daß er noch eine gute Stunde Zeit hatte, bis die Sprechstunde anfing. Er würde in Ruhe essen können. Und er freute sich schon aufs Mittagessen, denn die Hauserin im Doktorhaus war eine ausgezeichnete Köchin.

      Der Landarzt passierte die Rosenapotheke und bemerkte Anna

      Stadler, die vor dem Haus stand und sich mit der Hauserin vom Pastor unterhielt. Als die junge Apothekerin Max erspähte, winkte sie kurz und trat dann neben seinen Wagen.

      »Hallo, Max, schön, daß wir uns sehen. Das nimmt mir einen Weg ab, ich wollte dich nämlich für heut abend zu mir einladen. Wir könnten uns zusammen das Klavierkonzert im Fernsehen anschauen. Oder hast keine Zeit?« Sie lächelte ihm lieb zu, wie sie es immer tat, und Max erwiderte ihr Lächeln. Er mochte Anna, auch wenn er ahnte, daß sie heimlich in ihn verliebt war.

      »Ich komme gern. Mein Vater ist im Moment im Reisefieber, er denkt ständig, daß er was vergessen hat und macht die Afra damit ganz narrisch.«

      Anna mußte lachen. »Wann geht es denn los mit der Kur? Ich wundere mich immer noch ein bisserl, daß du es geschafft hast, ihn dazu zu überreden. Nicht mal nach seinem Herzkasperl hat er so richtig ausspannen mögen, oder?«

      »Ja, das stimmt schon. Und in den letzten Monaten war ich auch froh, daß der Vater noch in der Praxis mitgearbeitet hat. Immerhin mußten die Leut’ sich ja erst mal an mich gewöhnen. Aber jetzt läuft alles rund, da hat er sich eine Kur redlich verdient. Und Meran im Herbst, das war schon immer sein heimlicher Traum, morgen geht’s los.«

      »Hm, das könnte mir auch gefallen. Aber nur in netter Begleitung, versteht sich«, sinnierte sie.

      »Eine Begleitung braucht mein alter Herr nicht, die würde ihn nur stören. Kennst ihn doch. Aber jetzt muß ich los. Also, dann bis heute abend. Soll ich was mitbringen? Vielleicht eine gute Flasche Wein?«

      Die junge Frau nickte, und ihr Lächeln vertiefte sich. »Eine prima Idee. Ich freu mich schon!«

      Wenig später hatte Max das Doktorhaus im Ortskern von Wildenberg erreicht. In der Diele roch es bereits sehr appetitlich, so daß dem jungen Mann das Wasser im Munde zusammenlief. Afra, die alte Köchin und Hauserin, die schon Josef Brinkmeier ein halbes Leben lang versorgt hatte, verdrehte die Augen, als Max erschien.

      »Ist was angebrannt?« fragte der erschrocken.

      »Bei mir net«, kam es spröde von der Alten. »Aber dein Vater bringt mich noch um den Verstand. Kannst net mal mit ihm reden, Doktor? Seine Koffer sind gepackt und alles ist drin, was er braucht. Ich mag das fei nimmer wiederholen.«

      Max mußte schmunzeln. Als er die Küche wieder verließ, mahnte Afra ihn noch, daß es in fünf Minuten Essen gäbe. Er fand seinen Vater in der guten Stube, wo dieser in der Anrichte kramte.

      »Wennst unseren ganzen Hausstand mitnimmst, wird noch der Zug entgleisen«, scherzte der junge Mann. »Die Afra beschwert sich schon über deine Packerei. Ich soll dir sagen, daß alles im Koffer drin ist, was rein gehört.«

      Josef Brinkmeier winkte ab. Er sah seinem Sohn sehr ähnlich, war sozusagen die ältere Ausgabe mit dem leicht ergrauten Haar und den vielen Lachfältchen um die Augen. Seit er wegen einer Herzgeschichte nicht mehr allein praktizieren konnte, führten Vater und Sohn die Landarztpraxis gemeinsam.

      »Ich will nur meinen alten Fotoapparat mitnehmen. Das wird ja noch erlaubt sein. Und was die Afra angeht, die hat es eh im Salz liegen. Sie hat meine Koffer so verquer gepackt, daß ich mich nimmer auskenne. Und wenn ich was suche, schimpft sie.«

      Max mußte lachen, sein Vater kam schließlich um ein Schmunzeln nicht herum.

      »Ach, Bub, ich laß dich gar net gern allein. Jetzt wo der Haselbeck krank ist und du die ganzen zusätzlichen Patienten hast, könntest doch gut Hilfe brauchen.«

      »Das ist halb so wild, ich kriege schon die Kurve. Weißt, Vater, die Arbeit wird mir nie zuviel. Schließlich hab ich den Beruf, der mir am besten liegt. Und das kann net ein jeder von sich behaupten.«

      »Du arbeitest aber nicht zuviel, aus Kummer, meine ich...«

      »Keine Angst. Ich vermisse die Julia nach wie vor, daran wird sich wohl kaum etwas ändern. Aber ich hab ja schließlich gewußt, daß ich mich von ihr trennen muß, wenn ich Afrika verlasse.«

      »Wenn ich wieder da bin, dann besuchst sie. Na, was hältst davon? Ist das net eine schöne Idee? Zu Weihnachten vielleicht?«

      »Freilich wäre das schön, aber es kommt nicht in Frage. Ich kann dich doch nicht im Stich lassen, allein kannst die Praxis nimmer führen, das wissen wir beide.« Er machte ein sehr nachdenkliches Gesicht. »Und ich glaube, es würde nur alte Wunden aufreißen. Es ist mir schon schwer genug gefallen, das Land einmal zu verlassen. Dieses Kapitel meines Lebens ist abgeschlossen.«

      »Du stellst dich also auf den Standpunkt, daß die Julia dich besuchen sollte.« Josef zwinkerte leicht. »Wohl mit dem Hintergedanken, daß sie dann vielleicht bleibt...«

      In diesem Moment erschien Afra und erklärte ungeduldig: »Das Essen steht auf dem Tisch, kommt ihr jetzt endlich?«

      »Ja, freilich.« Max erhob sich, sein Vater folgte ihm ein wenig schwerfällig. »Und was deine Vermutung angeht, Vater, da kann ich dir nicht widersprechen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Julia eines Tages hier bei mir sein wird.«

      *

      Am frühen Abend, Max Brinkmeier hatte noch in der Praxis zu tun, verließ sein Vater das Doktorhaus und machte sich auf den Weg zum Brinkmeier-Hof, der nicht weit entfernt lag. Lukas, Josefs jüngerer Sohn, bewirtschaftete das Anwesen am Ortsrand. Der alte Landarzt hatte sich stets bemüht, seine Söhne gleich zu erziehen. Er wollte keinen bevorzugen und keinen benachteiligen. Das hielt er auch heute noch so, obwohl es schien, als sei sein Konzept nicht ganz aufgegangen.

      Während Josef und Max sich nach dessen Rückkehr wieder gut verstanden, herrschte zwischen Lukas und dem Rest der Brinkmeiers eine eher angespannte Atmosphäre. Der Bauer war ein Eigenbrötler und schwieriger Mensch. Max hatte bereits mehrfach versucht, sich mit ihm auszusprechen, doch es war ihm nicht gelungen. Lukas machte es seinem Bruder zum Vorwurf, daß dieser stets vorgezogen worden sei. Er hatte ihn einen Egoisten genannt, als er nach Afrika gegangen war. Und er hatte ihn ebenso abgelehnt, als er wieder zurückgekommen war. Josef ging das zuwider. Ihm lag daran, daß die Brüder sich endlich versöhnten. Und als er an diesem Tag bei Lukas vorbeischaute, sprach er auch das Problem an, das ihm das Herz recht schwer machte.


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