Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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Hof nehmen wollte. Aber in der jetzigen Stimmung war kaum vernünftig mit dem Bauern zu reden. Max wollte sich deshalb knapp verabschieden, da hakte sein Bruder nach: »Hat der Vater dich nun angerufen, oder net? Und was ist das wieder für eine Geschichte mit diesem Madl, dem du angeblich das Leben gerettet hast? Kannst es wohl nie sein lassen, dich aufzuspielen, was?«

      »Der Vater hat sich kurz bei mir gemeldet, er ist gut angekommen und fühlt sich in Meran wohl«, antwortete Max gezwungen ruhig. »Und jetzt füat di, Lukas. Ich muß weiter.«

      »Aha. Für deinen Bruder hast also keine Zeit. Na, kein Wunder, hier gibt’s ja auch keine Gelegenheit für Heldentaten, gelt?«

      »Sag mal, Lukas, was ist eigentlich in dich gefahren? Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, da warst ganz manierlich. Ich hab schon gehofft, wir könnten endlich vernünftig miteinander umgehen. Und jetzt benimmst dich wieder wie narrisch. Ich kann dich einfach net verstehen!«

      »Du nennst mich narrisch? Das hast net umsonst gemacht. Los, komm her, ich hau dir aufs Maul!«

      »Hört’s sofort auf damit!« Ohne daß die Brüder es bemerkt hatten, war das Mädchen ohne Namen aus dem Wagen gestiegen und hatte sich ihnen genähert. Nun stand sie da, starrte die beiden Mannsbilder aus großen, angsterfüllten Augen an und wiederholte immer wieder: »Hört doch auf damit, bitte, hört auf...«

      »Beruhige dich«, bat Max und machte einen Schritt auf das Madl zu, das aber ängstlich vor ihm zurückwich und sogar die Arme schützend ausstreckte. »Schlag mich net, ich hab doch nix gemacht. Bitte net, bitte...« Sie ging in die Knie und weinte bitterlich. Lukas wußte nicht, was er tun sollte, er starrte das Mädchen verständnislos an, während sein Bruder es unter den Achseln packte und kurzerhand auf die Arme nahm. Sie ließ es ohne Widerstand geschehen, schluchzte noch leise vor sich hin. Nachdem der junge Landarzt das Madl wieder ins Auto verfrachtet hatte, kehrte er noch einmal zu seinem Bruder zurück und holte seine Tasche. Lukas fragte: »Was ist denn los mit ihr?«

      »Das weiß ich auch net. Sie ist am Wochenende bei mir aufgetaucht, mitten in der Nacht, total verwirrt und auch verletzt. Bis jetzt habe ich nichts über sie erfahren können. Sie hat ihr Gedächtnis verloren.«

      »Sie tut mir leid. Kann ich... was tun?« Der Bauer gab sich wieder zugänglich, der Zwischenfall schien ihn zur Vernunft gebracht zu haben.

      »Schon recht, Lukas. Ich glaub, unser Streit eben, der hat in ihr was ausgelöst. Ich muß halt abwarten, bis sie sich wieder an früher erinnern kann. Also, bis dann.«

      Lukas schaute seinem Bruder betreten nach. Er ärgerte sich mal wieder über sich selbst. Wieso hatte er bloß so übertrieben reagiert? Dabei nahm er sich immer vor, mit Max auszukommen. Aber es gelang ihm einfach nicht...

      *

      Josef Brinkmeier schaute sich unsicher um. Seine neue Bekannte war nirgends zu sehen, wie er erleichtert feststellte. Rasch verließ er die Kurklinik, um einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Der alte Landarzt bereute es nun schon fast, freundlich zu Valeska Kaiser gewesen zu sein. Denn seit ihrer ersten Begegnung verfolgte sie ihn, hielt sich ständig in seiner Nähe auf. Eigentlich war das ja recht schmeichelhaft, doch die hübsche Brünette schien gewisse Absichten zu haben. Dauernd erzählte sie von ihrer harmonischen Ehe, von ihrer Einsamkeit und wie sehr sie sich wünschte, wieder zu heiraten. Josef lächelte schmal. Es war nicht schwer zu erraten, wen sie sich als nächsten Ehemann auserkoren hatte. Aber da war sie bei ihm an den Falschen geraten! Der verwitwete Landarzt dachte nicht im Traum daran, wieder zu heiraten. Einem kleinen Flirt war er nicht abgeneigt, doch das Thema Ehe war für ihn abgehakt. Er war über dreißig Jahre lang mit seiner Walburga glücklich gewesen. Und nun hatte er nicht vor, dieses Kapitel seines Lebens wieder aufzuwärmen. Das war aus und vorbei.

      Doch er mußte vorsichtig sein, denn die agile Witwe aus Garmisch war nicht so leicht abzuschütteln. Und sie schien es zudem gewöhnt zu sein, ihre Wünsche immer durchzusetzen.

      Josef hatte sich eben auf einer Bank unter der milden Spätherbstsonne niedergelassen, als sich ihm rasche Schritte näherten. Er schluckte. Es war tatsächlich diese Valeska! Und er hatte keine Möglichkeit mehr, sich aus dem Staub zu machen.

      Gleich darauf setzte sie sich neben ihn und stellte in tadelndem Tonfall fest: »Das ist aber nicht nett von Ihnen, Josef, einfach ohne mich etwas zu unternehmen.«

      Er lächelte schmal. »Ich wußte ja net, daß Sie heut auch einen Spaziergang machen wollten. Wollten Sie nicht zur Massage?«

      »Später.« Sie rückte ein wenig näher. »Ich muß Ihnen ein Geheimnis verraten: Ich verbringe meine Zeit fei viel lieber mit Ihnen als bei irgendwelchen Anwendungen. Geht es Ihnen net auch so? Nun seien Sie mal ehrlich, Sie müssen sich gar net verstellen. Ich merk doch, daß Sie mich mögen.«

      »Ich verstell’ mich nie«, erklärte er mit Nachdruck und rückte ein Stück von ihr ab. »Aber wissen Sie, Valeska, ich verbringe eben auch gerne mal ein Stünderl ganz allein. Zum Ausspannen und Nachdenken, verstehen Sie?«

      »So? Wird Ihnen das denn net fad? Ich muß immer in Bewegung sein, bin ein aktiver Typ, schon mein Leben lang.«

      Er nickte bedächtig. »Tja, es gibt halt doch einen gewaltigen Altersunterschied zwischen uns beiden, das sollte man nicht vergessen. Und wenn Sie mich näher kennen würden, dann wäre Ihnen gewiß rasch fad in meiner Gesellschaft. Ich bin nämlich ein ziemlich langweiliger Mensch.«

      »Ach, Schmarrn, das nehme ich Ihnen net ab!« Sie lachte unbekümmert. »Was wollen wir denn heut zusammen unternehmen?«

      »Na ja, ich muß später zur Wassergymnastik. Mein Kreuz spielt nimmer so mit, wissen Sie? Da kann ich mir keine allzu anstrengende Bewegung mehr erlauben, Sie verstehen?« Er lächelte harmlos und kam sich dabei fast ein bißchen niederträchtig vor. Aber nur fast. Valeska wirkte schon ein wenig ernüchtert. Er schien endlich den richtigen Dreh gefunden zu haben, um sie auf Distanz zu halten...

      Am frühen Abend rief Josef dann in Wildenberg an und erkundigte sich, ob daheim alles in Ordnung sei. Christel Brenner berichtete ihm von dem Mädchen ohne Namen und auch davon, daß Max und Lukas sich wieder einmal gestritten hätten.

      »Und ich hab gehofft, daß der Lukas sich endlich mal am Riemen reißt, hab ihm extra noch ins Gewissen geredet, bevor ich abgefahren bin. Mei, ich fürcht, der Bub wird sich nie und nimmer ändern. Es ist zum Auswachsen.«

      »Der Max nimmt es gar nicht so schwer. Er hat viel Geduld mit seinem Bruder«, meinte die Sprechstundenhilfe. »Darüber mußt dir gewiß keine Sorgen machen, Doktor. Erholst dich denn gut?«

      »Ich geb mir jedenfalls Mühe.«

      Christel hörte Max kommen, der bei einem Notfall gewesen war, und hielt ihm den Hörer hin. Der junge Arzt sprach kurz mit seinem Vater, als die ersten Patienten zur Sprechstunde erschienen, bat er Josef noch: »Ruf halt auch mal beim Lukas an, Vater. Er wartet darauf, daß du dich bei ihm meldest. Ich muß jetzt Schluß machen, die Sprechstunde fängt gleich an.«

      »Ist schon recht. Die Christel sagt, der Lukas hat wieder mal den wilden Mann gespielt.«

      »Halb so schlimm, ist immer das alte Lied. Also, füat di.«

      An diesem trüben Novembertag füllte sich das Wartezimmer der Landarztpraxis bis auf den letzten Platz. Viele Menschen litten an Erkältungen, die Rheumatiker hatten stärkere Beschwerden als sonst. Und manch einer hatte sich im Forst beim Holzeinschlag verletzt. Max Brinkmeier hatte alle Hände voll zu tun. Es ging bereits auf sieben Uhr am Abend zu, als Christel ihn wissen ließ: »Da ist nur noch der Bichler, wegen seinem Herzen.«

      Max notierte sich gerade etwas und fragte ohne aufzusehen: »Der Förster Bichler?«

      »Na, sein Bruder. Er war doch letzte Woche schon mal da.«

      »Ah, ich erinnere mich. Das EKG ist aber zufriedenstellend. Schick ihn nur rein, Christel. Ich will ihn noch mal gründlich untersuchen.«

      Thomas Bichler war ein gestandenes Mannsbild in den Fünfzigern. Er bewirtschaftete einen mittelgroßen Hof am Dorfrand und hatte sich auf die Bullenmast spezialisiert.


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