Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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      Während Alois Burgmüller sich bereits auf das vermeintliche Rendezvous mit seiner Angebeteten freute, war sein Sohn damit beschäftigt, eines ihrer Felder zu Füßen des Untersbergs zu düngen. Derweil der Jungbauer seine Bahnen zog, genoß er den herrlichen Frühlingstag. Der Himmel spannte sich in ungetrübtem Blau über dem Tal von Wildenberg, nur ab und an segelte ein strahlend weißes Schönwetterwölkchen vorbei. In der klaren, würzigen Bergluft zwitscherten die Lerchen, überall grünte und blühte es. Weit im Norden erkannte Tobias die himmelhohe Bergkette des Tennengebirges mit ihren weißen Schneemützen. Davor fand sich der Nationalpark Berchtesgaden mit dem berühmten Königssee und dem Kloster Sankt Bartholomä. Tobias dachte daran, wie er als Bub einmal mit der Schulklasse einen Ausflug dorthin unternommen hatte. Das klare Seewasser hatte ihn bei der Überfahrt ebenso beeindruckt wie das bekannte Kloster, das sich bei Touristen großer Beliebtheit erfreute.

      Der Jungbauer wendete den Traktor zu einer neuen Runde und schaute dabei hinauf zur Wildenklamm-Alm. Dort heroben, am Südhang des Untersbergs, stand der Berghof der Familie Fellner. Der Bursch mußte einen Seufzer unterdrücken, wenn er an den unseligen Streit zwischen Georg Fellner und seinem Vater dachte. Bislang hatte er sich nicht weiter darum gekümmert, wenn Alois über seinen ehemaligen Spezl in der übelsten Art und Weise hergezogen war. Da hatte er sich nur gewundert, wie man aus einer kleinen Streitigkeit um ein Wegerecht einen solchen Kleinkrieg machen konnte. Doch seit einer Weile lagen die Dinge anders, da hatte Tobias durchaus ein vitales Interesse daran, daß die beiden Kampfhähne endlich wieder Frieden schlossen. Danach sah es allerdings nicht aus...

      »Tobias!« Der Bursch stutzte und blickte sich um, als jemand seinen Namen rief. Und gleich darauf lief ein Strahlen über sein markantes Gesicht. Rasch fuhr er den Traktor zum Feldrain, sprang ab und eilte auf die schmale Person zu, die sich absichtlich nahe den Feldhecken ein wenig verborgen hielt. Kaum hatte er sie aber erreicht, sank sie in seine starken Arme, und ein langes, inniges Busserl ließ die beiden Liebenden alles andere auf der Welt für eine Weile vergessen. Als sie sich dann tief in die Augen schauten, spürten sie beide das Glück, zu lieben und geliebt zu werden. Tobias hielt das schöne Madl noch eine ganze Weile am Schlag seines Herzens, und sie schmiegte sich an seinen breiten Brustkasten, als wolle sie Vergessen suchen. Beinahe lag etwas wie Verzweiflung in der tiefen Innigkeit, mit der da zwei Herzen aneinander hingen. Und dafür gab es auch durchaus einen Grund.

      »Herzerl, was bin ich froh, dich zu sehen«, seufzte der Jungbauer schließlich wie befreit. »Kannst noch ein bisserl bei mir bleiben? Ich mag dich net gleich wieder fortlassen.«

      »Ich möchte schon. Aber ich hab net viel Zeit. In den Laden hat die Mama mich geschickt, ein paar Sachen einholen. Und das kann leider net Stunden dauern.« Ihre himmelblauen Augen blickten voller Hingebung zu ihm auf, wieder schmiegte sie sich ganz fest an ihn, wie Schutz suchend.

      »Deine Mutter weiß Bescheid und ist auf unserer Seite«, erinnerte Tobias seine Liebste da, nahm ihre Hand und zog sie auf eine Bank, die am Wegesrand zum Verweilen einlud.

      »Schon. Aber ich hab trotzdem Angst, daß einer was merkt. Weißt doch, wie schlecht die Väter aufeinander zu sprechen sind«, murmelte das schöne Madl beklommen. Lisa Fellner war die einzige Tochter des Bergbauern. Und daß sie sich ausgerechnet in den jungen Burgmüller hatte verschauen müssen, stellte die beiden nun vor große Probleme. Der Bursch legte einen Arm um ihre schmalen Schultern und drückte ihr zarte Busserln aufs Gesicht. Nur zu gern ließ Lisa sich das gefallen. Wenn Tobias bei ihr war, dann fühlte sie sich rundum zufrieden und glücklich, dann konnte nichts und niemand ihr etwas anhaben. Leider sah die Wirklichkeit aber anders aus.

      Als das junge Paar sich im vergangenen Jahr zu Kirchweih beim Tanz nähergekommen war, hatten sie noch nicht geahnt, wie schwierig die Situation für sie werden sollte...

      Georg Fellner hatte eine Weide eingezäunt, die an den Grund vom Burgmüller grenzte. Alois war der Meinung, daß der Zaun zur Hälfte über einen Weg lief, der zu seinem Eigentum zählte. Zunächst hatten die beiden noch versucht, die Sache anhand alter Karten einvernehmlich zu regeln. Aber da aus keiner der Gemarkungskarten eindeutig hervorging, wer nun im Recht war, hatte Alois den Zaun einfach abreißen lassen. Freilich wollte Georg sich das nicht gefallen lassen. Sie hatten gestritten, zuerst untereinander, dann im Rat und schließlich vor Gericht. Als der Richter den Zaunbau nach einem Ortstermin für rechtens erklärt hatte, war auf dem Burgmüllerhof ein Sturm losgebrochen, dessen Auswirkungen noch immer zu spüren waren. Alois hatte getobt und gebrüllt und dann angefangen, seinen ehemaligen Spezl systematisch zu schikanieren. Selbst als der Fellner ihm im Rat die Hand zur Versöhnung reichen wollte, hatte er nur Spott und Hohn für den Bergbauern übrig gehabt.

      »Ein bisserl geht’s uns wie Romeo und Julia«, sinnierte Lisa nach einer Weile bekümmert. Ihre schönen Augen schauten Tobias so kummervoll an, daß es ihm das Herz umdrehte. »Aber ich will net erleben, daß aus uns ein tragisches Liebespaar wird, bloß weil die Väter um einen Schmarrn streiten.«

      »Das wirst auch net erleben«, versicherte der Bursch da mit Nachdruck und nahm Lisas zitternde Hände fest in seine. »Wir zwei gehören zusammen, niemand auf der Welt kann uns wieder trennen. Und in Jahresfrist, das verspreche ich dir, wirst die Meine werden.« Und um seine Worte zu bekräftigen schenkte Tobias seinem Schatz noch ein langes, langes Busserl.

      »Mei, ich fürcht mich«, bekannte Lisa, als ihr Liebster sie schließlich freigab. »Du klingst so entschlossen, Tobias. Bitte, tu nix Unüberlegtes. Ich hoffe immer noch, daß die Väter sich wieder versöhnen. Und wenn net, daß sie zumindest vernünftig werden. Die Mama will auf meinen Vater einwirken. Aber das braucht Zeit, verstehst?«

      »Ich hab dir versprochen, zu schweigen, solange du es willst. Aber es fällt mir nicht leicht.« Er suchte ihren Blick. »Wenn die Alten sich nicht einsichtig zeigen, müssen wir handeln. Schließlich können wir net ewig darauf warten, unser Leben zu teilen. Und ich mag auch nimmer warten. Jeden Abend sehn ich mich nach dir, und jeden Morgen denk ich an dich. Das ist auf Dauer kein Zustand, Liebes, das macht mich narrisch.«

      »Mir geht’s ja net anders«, bekannte sie verschämt. »Halt mich fest, Tobias. Wir wollen an nix denken, uns nur gut sein.«

      Er folgte zu gern ihrer Bitte, doch die trüben Gedanken ließen sich nicht so leicht abstellen. Wie ein Mühlrad gingen sie im Kopf um und um. Der Bursch fühlte sich hin und her gerissen zwischen seiner tiefen Liebe zu Lisa und dem Wunsch, sie glücklich zu sehen auf der einen Seite und der Notwendigkeit zu warten, geduldig zu sein auf der anderen. Doch weil Liebe keine Geduld kennt, brannte Tobias das Herz vor Sehnsucht.

      »Ich muß jetzt gehen«, erinnerte Lisa ihren Liebsten nach einer Weile. »Es tut mir leid, aber ich bin schon spät dran. Wennst magst, sehen wir uns morgen am Marterl. Der Vater hat doch am Abend seinen Stammtisch.«

      »Ich werde auf dich warten«, versprach Tobias ihr. Noch einmal versanken sie in einem zärtlichen Kuß voller Vertrauen und Sehnsucht. Dann eilte das Madl rasch davon.

      Der Jungbauer kehrte zu seiner Arbeit zurück, doch das Herz war ihm schwer. Lisa im Arm zu halten, sie zu küssen, das machte ihn glücklich. Doch sie gehen zu lassen, brach ihm fast das Herz. Und die Heimlichtuerei, die ging ihm gegen den Strich. Er wünschte sich, endlich vor aller Welt zu seiner Liebsten stehen zu können. Und er dachte nicht zum ersten Mal daran, seinem Vater endlich reinen Wein einzuschenken...

      Als Tobias am Abend heimkam, mußte er jedoch feststellen, daß sein Vater übellaunig und auffahrend war. Für ein ernstes Gespräch war dies gewiß nicht der rechte Zeitpunkt.

      »Was ist denn geschehen? Hast dich über wen geärgert?« fragte Evi ihren Vater, während sie mit der Fernbedienung vom Fernseher spielte. »So eine schlechte Laune gibt’s ja gar net.«

      »Das ist doch wohl meine Sache, oder?« knurrte der Alte und vertiefte sich in die Zeitung. »Hast net noch was für die Schul zu tun?«

      Das Madl zog einen Flunsch und bemängelte: »Mei, ist das heut ungemütlich bei uns. Ich geh in mein Zimmer.«

      »Und was ist mit dir, Tobias? Hast vielleicht auch was an mir auszusetzen?« stänkerte Alois seinen Sohn an.

      »Eigentlich net. Aber


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