Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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      »Meinst, die Madln werden dir die Bude einrennen? Ganz jung bist fei nimmer.«

      »Ist doch meine Sache.« Lukas warf dem Vater einen unwilligen Blick zu. »Ich werde schon noch die Rechte heiraten. Mach dir nur keine Gedanken oder Sorgen.«

      »Mach ich net, keine Angst. Ich vertrau dir doch.«

      »Ach ja?« Der Bauer schüttelte leicht den Kopf und lachte dabei unfroh auf. »Ich dachte immer, der Max ist dir wichtiger als ich. Und daß du alles mit ihm besprichst, was wirklich wichtig ist. So war’s jedenfalls früher.«

      »Heut möchte ich was mit dir besprechen«, ließ Josef ihn wissen. »Und es geht dabei um deinen Bruder. Schau, ich werde die Praxis nimmer allein führen können. Es ist nicht ganz leicht, eine gute Vertretung zu finden, geschweige denn einen Nachfolger. Da hat die Christel den Vorschlag gemacht, daß wir den Max fragen, ob er heimkommen will. Was sagst dazu?«

      »Die Christel hat einen Narren am Max gefressen. Ich wette, sie hat nur auf so eine Gelegenheit gewartet.«

      »Lukas, ich bitt dich. Laß uns doch vernünftig darüber reden. Es geht um die Zukunft, darum, ob es auch in der nächsten Generation einen Landarzt Brinkmeier in Wildenberg geben wird.«

      Der Bauer hob die breiten Schultern. Seine markante Miene verfinsterte sich, als er zugab: »Das ist mir wurscht. Ich konnte ganz gut ohne den Max leben. Und wennst mich fragst, sollte das auch in Zukunft so bleiben.«

      »Denkst dabei denn net nur an dich? Vielleicht überlegst dir mal, wie es mir ums Herz ist. Ihr seid beide meine Söhne. Ich hab mit dem Max meine Differenzen gehabt, das stimmt. Aber daß ihr zwei euch nimmer versteht, ist mir leid.«

      »Das kann ich net ändern.« Lukas erhob sich und stellte klar: »Ich brauch den Max net. Wenn das bei dir anders ist, mußt tun, was du für richtig hältst. Mehr hab ich dazu net zu sagen.«

      Josef wurde ärgerlich. »Sei halt net so stur! Wir drei sind schließlich eine Familie und...«

      »Ich mag nimmer drüber reden«, war alles, was der Bauer noch sagte, dann verließ er einfach das Krankenzimmer.

      Josef Brinkmeier ärgerte sich sehr. Nach einer Weile griff er zum Telefonhörer und rief in Wildenberg an. »Christel? Schreib dem Max einen Brief. Ich hab mich entschieden: Ich will versuchen, mit meinem Sohn ins reine zu kommen.«

      *

      Die Missionsstation Holy Spirit lag etwa fünfzig Kilometer südlich von Kigali, der ruandischen Hauptstadt. Eine schmale, staubige Piste führte zu dem kleinen Dorf, das sich um die Station herum angesiedelt hatte. Kunstfertig hergestellte Hütten aus geflochtenen Palmblättern, wie sie vor ein paar Jahrzehnten noch üblich gewesen waren, wichen nach und nach einfachen Lehmhütten. In jüngster Zeit baute man mit Ziegelsteinen, was für die eher arme Landbevölkerung schon einen Hauch von Wohlstand bedeutete. Die Station war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von einem britschen Nonnenorden gegründet worden. In den schweren Zeiten des Bürgerkriegs hatte sie den Menschen Schutz und Hilfe gegeben. Nun war die Missionsstation eine moderne Klinik mit für das Land hohen Standards. Nur wenige Nonnen waren hier noch tätig, meist handelte es sich um Einheimische. Dr. Max Brinkmeier und Dr. Julia Bruckner hatten nun fast zehn Jahre ihres Lebens hier verbracht und waren bis zu einem gewissen Grad heimisch geworden in Holy Spirit.

      Der Mediziner machte wie jeden Tag seine Runde an den Krankenbetten vorbei, redete mit jedem Patienten und kümmerte sich dabei auch um die ganz profanen Ängste der Menschen, die hier ihre Krankheiten auskurierten. Manch einer fürchtete, die Rechnung nicht zahlen zu können. Dann beruhigte Dr. Brinkmeier mit dem Hinweis, daß man nur geben müsse, was man könne. Die Station war noch immer im Besitz der Kirche und basierte auf den Grundsätzen von Mildtätigkeit und Nächstenliebe. Eine junge Frau aus dem Dorf hatte ihr Baby auf der Station zur Welt gebracht und war nach der komplizierten Geburt noch geschwächt.

      »Doktor, ich habe Angst, daß meine Familie mich verstößt«, vertraute sie Max Brinkmeier leise an. Sie hatte keinen Vater für das Kind aufzuweisen und schämte sich.

      »Ich habe mit deinem Vater geredet, Marcia. Du kannst bleiben, und deine Eltern wollen auch das Kind liebhaben«, ließ er sie freundlich wissen. »Und wenn mich nicht alles täuscht, ist dein Freund doch auf der Suche nach Arbeit, nicht wahr? Wenn er sich eine Existenz aufgebaut hat, wird er dich bestimmt zu sich holen. Bis dahin mußt du ein bißchen Geduld haben.«

      »Danke, Doktor.« Sie lächelte ihn strahlend an. Max Brinkmeier war bei den Menschen in Holy Spirit hoch angesehen. Daß er sich immer für sie einsetzte, daß er ihre Sorgen und Probleme kannte und zu helfen versuchte, wenn er konnte, hatte sich schnell herumgesprochen. Nun kamen manchmal Leute von weiter her, um seinen Rat einzuholen. Der hoch gewachsene Arzt mit dem sandblonden Haar und den ausdrucksvollen Augen war zu einer Institution geworden, auf die seine Mitmenschen nicht verzichten konnten. Schwester Mary, die schwarze Nonne, die ihn bei seiner täglichen Visite begleitete, brachte es auf den Punkt: »Sie finden immer das richtige Wort, Doktor. Marcia war so verzweifelt, als sie herkam. Und jetzt wirkt sie fast glücklich. Sie haben ihr neuen Mut gegeben.«

      »Ich versuche zu helfen, das ist meine Aufgabe«, erwiderte Max bescheiden. »Sehen Sie bitte später noch mal nach Marcia. Sie wirkt noch sehr geschwächt auf mich. Wenn sich das nicht bessert, sollten wir sie vielleicht an den Tropf hängen.«

      Die ausgebildete Krankenschwester machte sich eine kurze Notiz. Von draußen war ein Jeep zu hören, der rasch näher kam. Das Hospital war luftig gebaut, man sah schon von weitem, wenn sich jemand näherte. Und Dr. Brinkmeiers markante Miene hellte sich auf, als er erkannte, wer da kam.

      »Das war im Moment alles, Schwester Mary«, murmelte er knapp und eilte dann auf die breite Terrasse, die etwas erhöht lag und das Haus nach vorne abschloß. Der schon in die Jahre gekommene Geländewagen hielt vor dem Gebäude, eine junge Frau mit kastanienbraunen Locken stieg aus und lächelte dem Mediziner zu. Sie trug khakifarbene Hosen und ein helles T-Shirt, das Haar hatte sie hochgesteckt und wirkte so sehr mädchenhaft.

      »Alles in Ordnung, Liebes?« fragte er und küßte sie zart.

      »Das Impfserum ist mir ausgegangen. Aber ich konnte noch alle behandeln. Jetzt bin ich allerdings geschafft.«

      »Komm, essen wir zu Mittag.« Er nahm ihre Hand und lächelte.

      »Ich bin immer froh, wenn du von so einer Tour zurück bist.«

      »Aber es besteht doch kein Grund zur Sorge. Ich kenne mich aus.« Sie erwiderte sein Lächeln keck. »In der Gegend und mit dem Getriebe unseres Jeeps.«

      »Zum Glück. Ich hab davon nämlich wenig Ahnung«, gab er offen zu.

      »Hübsch schaust aus, mein Engel der Landstraße.«

      »Du und seine Spaßletten! Ich spring schnell unter die Dusche, bin gleich wieder da.«

      Max Brinkmeier betrat die Privaträume, die Julia und er sich teilten. Als sie in dem luftigen Wohnraum erschien und einen frischen Duft mitbrachte, hatte Max bereits das Essen aufgetan. Früher hatte der Mediziner keine Ahnung vom Kochen gehabt, doch in Ruanda hatte er vieles gelernt und sich zur Gewohnheit werden lassen, was ihm daheim in Bayern unwichtig gewesen war. Sein Leben hatte sich verändert, war einfacher aber auch anstrengender geworden. Er hatte lernen müssen, auf manchen selbstverständlichen Komfort zu verzichten. Im Gegenzug war er rasch heimisch geworden unter den offenen und herzlichen Menschen. Und er hatte festgestellt, wie viele überflüssige Dinge früher sein Leben bestimmt hatten.

      »Hm, schmeckt wunderbar«, lobte Julia, die keine begeisterte Hausfrau war. »Wenn du keine Lust mehr hast, als Mediziner zu arbeiten, kannst du ein Restaurant aufmachen.«

      Er lachte. »Mit ruandischen Spezialitäten. Ich fürchte nur, es wird ein bisserl schwierig werden, in Bayern Maniok und Süßkartoffeln auf dem Markt zu kriegen.«

      »In Bayern? Bleib halt in Kigali«, scherzte sie munter.

      »Sag einmal, Julia, hast eigentlich über das nachgedacht, was ich gestern abend gesagt hab? Net daß du denkst,


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