Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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setzen. Der Mann ist psychisch krank, man muß mit Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen«, riet er dem Beamten.

      »Und was schlagen Sie vor, Herr Doktor Brinkmeier?«

      »Ich würde gerne ins Haus gehen. Wenn Christian Farber mich hereinläßt, wohlgemerkt. Ich war mit seinem Bruder in der Stadt und habe mit seinem Chef gesprochen. Dabei hat sich herausgestellt, daß er heute entlassen wurde. Er hat offensichtlich Geldprobleme und auch mehrere Unterschlagungen begangen. Die ganze Angelegenheit ist mehr als verfahren. Aber vielleicht gelingt es mir, ihn zur Aufgabe zu bewegen.«

      »Eine gewaltfreie Lösung wäre auch uns lieber«, unterstrich der Kommissar. »Aber Sie gehen auf eigene Gefahr in dieses Haus. Ich kann nicht für Ihre Sicherheit garantieren. Und Sie sagen selbst, der Mann ist unberechenbar.«

      »Ich möchte es trotzdem versuchen.«

      »Also schön. Tun Sie, was Sie für richtig halten, Herr Doktor Brinkmeier. Meine Männer werden sich im Hintergrund halten. Wir bemühen uns, den Geiselnehmer nicht zu provozieren.«

      Max war damit einverstanden. Bevor er sich dem Haus näherte, sprach er noch kurz mit Benjamin Farber. Dieser hielt seine Entscheidung zwar für richtig, riet ihm aber, nicht allein zu gehen. »Laß mich mitkommen, Max. Vielleicht schaffen wir es zusammen, Christian zur Vernunft zu bringen.«

      Dr. Brinkmeier überlegte kurz, dann lehnte er dieses gut gemeinte Angebot aber ab. »Dein Bruder hat dich heute schon mal abblitzen lassen. Ich möchte nichts riskieren. Versteh mich nicht falsch, Ben, aber als neutrale Person bin ich vielleicht der bessere Vermittler.«

      »Ja, wahrscheinlich. Ich drücke dir die Daumen, Max...«

      Dieser nickte knapp, dann griff er seinen Notfallkoffer und ging über den Hof hinüber zum Nachbarhaus. In der Zwischenzeit war es dunkel geworden. Das Haus lag im Licht einiger eilig aufgestellter Scheinwerfer, eine unnatürliche Ruhe spannte sich wie eine Glasglocke darüber und schien den Rest der Welt einfach auszusperren. Während der Landarzt auf die Haustür zusteuerte, war er angespannt, das Herz klopfte ihm im Hals. Er spähte in alle Richtungen, konnte aber nirgendwo eine Bewegung wahrnehmen. Im Haus war es dunkel, kein Lichtschimmer drang nach draußen. Die Stille war unnatürlich und fast laut. Als Max gegen die Tür klopfte, erschien ihm jeder Schlag wie ein Schuß. Er mußte sich erst räuspern, um seiner Stimme einen normalen Klang zu geben.

      »Herr Farber, hören Sie mich? Hier ist Max Brinkmeier. Ich würde gerne nach Ihrer Frau und den Kindern sehen. Und ich habe Ihnen etwas von Herrn Dirlinger auszurichten!«

      Zunächst erfolgte keine Reaktion. Der junge Mann hatte eigentlich auch nicht damit gerechnet. Er pochte wieder gegen die Tür und rief: »Sie sollten Ihre Lage überdenken. Es gibt Alternativen. Manchmal kommt man nicht allein darauf, da ist es besser, sich mit jemandem zu unterhalten. Ich biete Ihnen diese Möglichkeit an.«

      »Hauen Sie ab!« Die Stimme klang direkt hinter der Tür auf. »Ich will niemanden sehen und mit keinem reden. Das hat doch alles keinen Sinn. Mit uns ist es aus.«

      »Ist Monika auch dieser Meinung? Oder zählt ihre Stimme mal wieder nicht?«

      »Was geht Sie das an? Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Sachen. Ich habe Sie nicht um Hilfe gebeten.«

      »Aber ich möchte Ihnen helfen. Ich war mit Ihrem Bruder in der Stadt, habe mit Ihrem Chef gesprochen. Er ist durchaus bereit, Ihnen noch eine Chance zu geben. Aber wenn Sie nicht aufgeben, dann machen Sie sich diese Möglichkeit auch kaputt. Und das wird vielleicht die letzte sein...«

      »Und wenn schon. Der Dirlinger lügt doch. Und Sie sind auch nicht ehrlich. Keiner hilft dem anderen, jeder ist gegen jeden, das ist meine Erfahrung. Sie wollen nur, daß die Bullen mich kriegen und wegsperren.«

      »Ich möchte nach Ihrer Frau und den Kindern sehen. Meinen Sie nicht, daß Sie ihnen das schuldig sind? Nach allem, was war...«

      »Ben hat sich in meine Ehe gedrängt. Moni liebt mich nimmer, ich weiß es. Das hat alles keinen Sinn mehr.«

      »Monika und die Kinder haben darunter zu leiden, daß Sie keinen Ausweg mehr sehen. Lassen Sie sich helfen. Denken Sie doch an Ihre Familie, Herr Farber. Wieviel sie Ihnen mal bedeutet hat. Das ist noch gar nicht lange her...«

      »Ich will nichts hören, das ist vorbei!«

      »Das glaube ich nicht. Lassen Sie mich rein, ich bleibe bei Ihnen, wenn Sie Ihre Frau und die Kinder gehen lassen. Wir können gemeinsam überlegen, was zu tun ist...«

      »Reden Sie keinen Schmarrn. Sie wollen mich nur reinlegen.«

      »Und wie soll ich das machen? Ich habe nur meinen Notfallkoffer bei mir. Öffnen Sie die Tür und überzeugen Sie sich selbst. Ich gehe sofort, wenn Sie es wollen. Zeigen Sie nur ein bißchen guten Willen, Herr Farber.«

      Eine Weile herrschte hinter der Tür Schweigen. Dann hörte Max aus einem weiter entfernten Zimmer leises Weinen. Das schien den Ausschlag zu geben, denn im nächsten Moment wurde die Haustür aufgeschlossen. Christian Farber richtete den Stutzen auf Max und befahl: »Reinkommen, aber ein bissel schnell!«

      Kaum war der Landarzt der Aufforderung gefolgt, knallte die Tür hinter ihm zu und wurde sofort wieder abgeschlossen.

      Anna Stadler, die es daheim nicht mehr ausgehalten hatte, biß sich auf die Lippen und fragte Benjamin Farber: »Wieso hast du das zugelassen? Du weißt doch selbst, daß deinem Bruder alles zuzutrauen ist. Was, wenn er durchdreht und...«

      »Der Max wird ihn schon zur Vernunft bringen«, murmelte der Bauer unbehaglich. »Schau mich net so vorwurfsvoll an. Ich habe ihn nicht aufhalten können. Er wollte ja nicht, daß ich ihn begleite.«

      Die junge Apothekerin senkte den Blick und seufzte leise. »Ist schon recht, ich weiß, du kannst nix dafür. Aber ich hab ganz einfach furchtbare Angst um den Max. Er denkt nämlich meistens zuerst an die anderen und erst zuletzt an sich selbst...«

      *

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis Dr. Brinkmeier sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Im Haus herrschte fast völlige Dunkelheit. Christian Farber stand ganz in seiner Nähe, er hörte den jungen Mann heftig atmen.

      »Wo sind Ihre Frau und die Kinder?« fragte er betont ruhig.

      »In der Kuchel. Sie kennen sich ja aus.«

      »Darf ich Licht machen? Ich fürchte, in der Dunkelheit kann ich sie nicht untersuchen.«

      Christian Farber, der sich dicht hinter dem Landarzt hielt, drückte auf den Lichtschalter. Max mußte blinzeln, dann erkannte er Monika Farber. Sie lag auf der Eckbank, an Händen und Füßen gefesselt. Birgit saß auf dem Boden, direkt neben dem Tisch, der kleine Paul hatte sich angstvoll an sie gekauert.

      Max Brinkmeier hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Der Anblick der gepeinigten angstvollen Menschen machte ihn wütend. Er gab sich einen Ruck, trat zu Monika und löste ihre Fesseln. Christian reagierte nicht. Er stand wie gedankenverloren in der offenen Küchentüre, den Stutzen im Arm. Vorsichtig half der Landarzt der jungen Frau, sich aufzusetzen. Sie reagierte kaum auf seine Berührung, schien sich auch nicht zu fragen, wo er herkam. Es war offensichtlich, daß Monika Farber einen schweren Schock erlitten hatte.

      Dr. Brinkmeier untersuchte sie und fand seinen ersten Eindruck bestätigt. Ihr Zustand war ernst. Er spritzte ihr ein Mittel, das den Kreislauf anregen sollte und lagerte sie dann in einer entlastenden Position auf die Eckbank. Monika ließ alles mit sich geschehen. Die kleine Birgit hatte eine Platzwunde auf der Wange, die Max desinfizierte. Paul kroch zu dem Mediziner und hielt sich an ihm fest. Das schien Christian Farber nicht zu passen. Er schnauzte seinen Sohn an: »Weg da, laß ihn los!«

      Sofort wich Paul zurück. »Und Sie verschwinden jetzt auch wieder, Doktor. Das reicht.«

      »Bitte, Herr Farber, seien Sie vernünftig«, bat Max betont ruhig. »Ihre Frau muß ins Spital, sie hat einen schweren Schock erlitten. Wenn ihr Kreislauf kollabiert, kann sie sterben.«

      »Na und? Wir sterben sowieso alle«, knirschte der junge Mann.


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