Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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Doch Max hatte nichts, was er der Kleinen geben konnte. Er packte das Kind schließlich wieder in den Korb und rief Anna Stadler an. Es dauerte eine Weile, bis sie sich meldete, und das auch nicht sehr freundlich.

      »Entschuldige, Anna, wenn ich dich aus dem Bett geholt habe. Aber ich brauche sofort alles für ein Neugeborenes. Und wenn möglich auch ein bissel Hilfe dabei, das Wurm zu versorgen. Vor meiner Tür habe ich nämlich ein Findelkind aufgelesen.«

      »Ein… was?« Die Apothekerin brauchte ein paar Sekunden, um überhaupt zu begreifen, was das bedeutete. »Hast denn niemanden gesehen? Es muß doch einer bei euch abgestellt haben. So ein Butzerl fällt schließlich nicht vom Himmel.«

      »Ich fürchte, hier sind noch alle auf dem Fest. Und selbst wenn schon jemand daheim ist, muß er nicht unbedingt etwas gesehen haben. Das Kind hat sich ganz ruhig verhalten in dem Korb. Ich wäre fast darüber gestolpert…«

      »Das ist ja eine schöne Überraschung. Also gut, ich zieh mich rasch an und bringe alles mit, was du brauchst. In ein paar Minuten bin ich bei dir, Max.«

      »Ich dank dir, Anna. In Säuglingspflege bin ich nämlich wirklich kein Fachmann.«

      Als Anna Stadler kurze Zeit später das Doktorhaus betrat, schallte das durchdringende Weinen des Neugeborenen ihr bereits entgegen. Sie stellte rasch fest, daß das Kleine eine neue Windel brauchte und außerdem hungrig war. Während die junge Frau das Erstere besorgte, rührte Max eine spezielle Milch an, die das Kind mit offenbar großem Genuß trank. Bald darauf war es friedlich eingeschlafen. Dr. Brinkmeier atmete auf.

      »Ich kann dir gar net genug danken, Anna. Aber was machen wir jetzt? Wenn ich nur eine Ahnung hätte, woher das Wurm kommt. Es gibt meines Wissens nach aber im Moment keine Schwangere, die in Frage kommt. Und was hat die Mutter sich dabei gedacht, es hier abzustellen?«

      »Vielleicht kommt sie nicht aus Wildenberg, hat sich gedacht, im Doktorhaus gibt es bestimmt auch eine Arztfrau, die das Kind versorgen kann.«

      »Das erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich. Mitten in der Nacht von sonstwo hierher zu fahren, das Kind abzustellen… Noch dazu direkt nach einer Geburt. Nein, das glaube ich nicht. Mein Gefühl sagt mir, daß die Mutter hier in Wildenberg zu finden ist. Und daß sie mir das Kind gebracht hat, ist wohl so eine Art Hilfeschrei. Sie muß in einer Notlage stecken.«

      »Eine knifflige Geschichte«, urteilte Anna Stadler. »Am besten sagst dem Anderl Stumpf Bescheid. Im Grunde ist das doch eine Sache für die Polizei. Vielleicht kann er ja herausfinden, wo jemand heimlich ein Kind zur Welt gebracht hat. Und bis dahin behältst den kleinen Logiergast. Da schau her, ist das nicht eine süße kleine Dame?«

      »Anna, ich bitt’ dich, das geht doch net! Wer soll sich um das Kind kümmern? Die Afra hat genug mit dem Haushalt zu tun.«

      »Na und? Ich übernehme diese Aufgabe gern.« Die Apothekerin lächelte in das verblüffte Gesicht des Landarztes.

      »Jetzt schauen mir mal, wo wir das Kind unterbringen können. Und morgen in der Früh’ komm ich vorbei und kümmere mich um das Kleine. Einverstanden? Oder ist dir das nicht recht? Du schaust gar so verkratzt aus. Hast vielleicht eine bessere Idee?«

      »Ich… nein, eigentlich nicht. Aber der Gedanke, daß du dir diese Sache aufbürdest, die dich doch eigentlich gar nichts angeht, der gefällt mir ganz und gar nicht.«

      »Jetzt red halt keinen Schmarrn. Dich geht es ja im Grunde genommen auch nichts an. Aber du fühlst dich verantwortlich. Und das tu ich auch. Also, komm, suchen wir ein Bett für das Butzerl.« Anna verließ die Praxis und trat auf die Treppe, als die Haustür geöffnet wurde und Josef Brinkmeier, begleitet von der Hauserin Afra, erschien. Der alte Landarzt machte große Augen. Denn die hübsche Apothekerin mit einem Baby im Arm, das war ein Anblick, den er nicht kannte.

      »Wo kommt denn das Butzerl her?« wollte die Hauserin sofort wissen. »Anna, ich hab’ net gewußt, daß du Mutter bist.« Sie warf Max Brinkmeier einen strengen Blick zu. »Magst mir mal erklären, was das zu bedeuten hat, Doktor? Gibt es da vielleicht Dinge, die wir alle wissen sollten?«

      »Ganz gewiß net«, versicherte dieser rasch. »Es handelt sich bei diesem Baby um ein Findelkind. Als ich heimgekommen bin, hat es vor der Haustür in einem Korb gelegen. Die Anna war so nett, vorbeizuschauen und mir zu helfen.«

      »Helfen, wobei?« Josef Brinkmeier schüttelte verständnislos den Kopf. »So was hab’ ich ja im Leben noch net gehört.«

      »Es stimmt aber«, pflichtete Anna Max bei. »Niemand weiß, woher das Kind kommt.«

      »Gibt es denn keinen Hinweis in dem Korb?« Josef untersuchte diesen, ohne fündig zu werden. Anna Stadler war in der Zwischenzeit nach oben gegangen, Afra folgte ihr. Der alte Landarzt konnte sich auf das, was er gehört hatte, noch keinen rechten Reim machen. »Wie ist es denn möglich, daß ganz Wildenberg auf der Hochzeit deines Bruders tanzt, während hier jemand ein Baby abstellt? Hast du wirklich keine Ahnung, was dahinterstecken könnte, Bub?«

      Max ahnte, worauf sein Vater hinauswollte. »Ich bin ganz sicher nicht der Vater dieses Wurms. Und was Lukas angeht, der ist schon über ein Jahr mit Tina zusammen und ihr treu. Kennst ihn doch, auf ein Gespusi war der auch nicht aus, als er noch einschichtig gewesen ist. Na, Vater, das Baby hat mit uns direkt nix zu tun. Die Mutter hat wohl einfach gehofft, daß das Kleine bei uns gut verorgt ist, weil sie selbst sich nicht darum kümmern kann. Womöglich ist sie sehr jung. Oder sie hat schon mehrere Kinder und weiß nicht, wie sie ein weiteres durchbringen soll. Gründe für so eine Verzweiflungstat gibt es viele.«

      »Das schon. Aber dabei vergißt du eines, Bub: Wir sind hier in Wildenberg, wo jeder jeden kennt. Im Grunde ist es unmöglich, eine Schwangerschaft total zu verheimlichen und ebenso die Geburt. Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.«

      »Ich auch nicht«, gestand sein Sohn ihm ein. »Ich werde morgen gleich den Gendarmen informieren. Mag sein, er findet heraus, was hinter dieser Geschichte steckt.«

      »Der Stumpf?« Josef schüttelte leicht den Kopf. »Da würde ich mir an deiner Stelle keine großen Hoffnungen machen. Der findet net mal eine Kuh in einer Schweineherde. Jedenfalls nicht ohne Hilfe von außerhalb…«

      *

      Anderl Stumpf war bereits seit über zwanzig Jahren Dorfpolizist in Wildenberg. Mit der Zeit hatte er einiges an Gewicht zugelegt, wohingegen sein Scharfsinn eher unterentwickelt geblieben war. Die Nachricht, daß es im Doktorhaus ein Findelkind gab, regte ihn zu allerlei wenig lustigen Späßen an, die schließlich in dem Rat gipfelten: »Geh halt einmal die Liste aller Madeln durch, die dir und deinem Bruder schon gefallen haben, Doktor. Vielleicht wirst fündig.«

      »Ich finde das net zum Lachen«, beschwerte Josef Brinkmeier sich daraufhin ungeduldig. »Das Kind gehört zu irgend jemandem. Und es ist deine Aufgabe, Stumpf, das in Erfahrung zu bringen!«

      »Schon recht. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß ich da was herausbringen werde. Schau, gestern auf d’ Nacht war ja ein jeder auf der Hochzeit von deinem Sohn. Wenn einer unser Wildenberg hätte stehlen wollen, wer sollte das denn schon bemerkt haben?«

      Der alte Landarzt schenkte sich eine Erwiderung, während Anna

      Stadler, die das Kind herumtrug, nachdem es gefüttert worden war, erbost feststellte: »Wozu haben wir eigentlich einen Gendarmen? Nur damit er uns erklärt, wie unmöglich es für ihn ist, seine Arbeit zu machen?« Damit hatte sie den Stumpf aber doch an der Ehre gepackt. Er erhob sich ein wenig schwerfällig und versprach: »Ich höre mich gleich in der Nachbarschaft um. Und hernach werden wir ja sehen, ob sich was erfahren läßt.« Damit zog er ab. Max warf seinem Vater einen unwilligen Blick zu. »Der Anderl ist damit doch restlos überfordert. Wir müssen selbst was tun. Ich bin heut morgen schon alle mir bekannten Fälle von Schwangeren durchgegangen. Leider kommt keine in Frage, das heißt, die Mutter des Kindes ist entweder nicht in ärztlicher Behandlung oder…«

      »Und wenn sie beim Haselbeck in Schlehbusch war? Oder in der Stadt? Da hat es genug Kollegen, die einen nicht kennen.«

      »Ich habe schon mit dem Haselbeck telefoniert


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