Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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Besucher anzusehen, während sie zugab: »Es war falsch, das Kind auszusetzen, das weiß ich natürlich. Aber ich hab’ einfach keinen anderen Ausweg gesehen. Der Vater ist so streng, ich hatte Angst, er tut mir was an, wenn er das Kleine gewahrt.«

      »Ich verstehe schon, Christa. Aber du hättest trotzdem zu mir kommen müssen, dann wäre dir die Infektion erspart geblieben. Und daß dein Butzerl großes Glück hatte, muß ich dir wohl nicht extra sagen. Du hast leichtfertig mit zwei Leben gespielt.«

      »Ja, ich weiß.« Sie mußte weinen. »Und ich schäme mich ganz schrecklich. Aber wenn Sie wüßten, wie mein Leben bis jetzt ausgeschaut hat… Als die Mama noch gelebt hat, da war der Vater nicht so kalt und herrschsüchtig wie jetzt. Sie hat einen Einfluß auf ihn gehabt. Und ich glaube, er hatte sie sehr lieb. Aber sie ist zu früh gestorben, viel zu früh. Hernach wurde er so kalt und lieblos. Immer hat er mich drangsaliert. Manchmal hab’ ich gedacht, ich kann nimmer atmen, so setzt er mir zu. Ich hab’ versucht, so zu sein, wie er mich wollte. Aber geschafft habe ich das nie. Und dann kam der Thomas auf unseren Hof. Er hat sich so lange und so lieb um mich bemüht. Immer hat er mich verstanden, er war so geduldig und einfühlsam. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Als ich gemerkt hab’, daß ich in der Hoffnung steh, da wollte er gleich zu meinem Vater gehen, ihn um den Segen für die Hochzeit bitten. Mich hat fast der Schlag getroffen. Ich habe genau gewußt: Wenn der Vater erfährt, was passiert ist, dann wird er den Thomas und mich auseinander bringen. Und davor hatte ich furchtbare Angst. Ich wollte ohne ihn nicht mehr leben. Deshalb hab’ ich ihn angefleht, zu schweigen. Ich habe so getan, als ob ich aus Kummer immer dicker werden würde. Der Vater hat es mir abgenommen, er hat sich fei nie wirklich um mich gekümmert. Und er war ja damit beschäftigt, mir eine passende Partie zum Heiraten auszusuchen.«

      »Aber wie hast dir das mit dem Kind denn gedacht?«

      »Ich wollte es nicht hergeben, aber ich konnte es auch nicht behalten. Da dachte ich mir, im Doktorhaus ist es fürs erste gut aufgehoben. Und später, wenn der Thomas und ich heiraten, dann holen wir das Kind wieder zu uns.« Sie senkte die Lider. »Das war dumm von mir, ich hab’ nicht wirklich nachgedacht.«

      »Du hattest Angst, das ist ja auch verständlich.«

      »Wie hat der Vater denn reagiert? Sie haben ihm doch sicher die Wahrheit gesagt, oder?«

      »Nun, er war nicht eben begeistert. Ich denke aber, wenn die Gemüter sich beruhigt haben, wird er sich mit den Tatsachen abfinden müssen. Du bist volljährig, Christa. Und niemand kann dich daran hindern, den Thomas zu heiraten und dein Kind zu dir zu nehmen. Eben das solltest du tun, finde ich.«

      »Ja, das wäre schön…« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Aber es geht nicht. Der Vater wird es nicht erlauben.«

      »Er kann dir nichts mehr sagen. Und du solltest endlich anfangen, dein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Du siehst doch, wohin die Angst dich gebracht hat. So kannst du nicht weitermachen. Was sagt denn der Thomas? Er steht doch sicher auch weiterhin zu dir, nicht wahr?«

      »Ja, schon. Aber was sollen wir denn machen? Der Vater wird verhindern, daß wir heiraten. Ach, Doktor, ich habe solche Angst. Ich kann nix dagegen tun…«

      »Du mußt jetzt erst mal wieder gesund werden. Und was deinen Vater angeht, mit dem rede ich ein ernstes Wort.« Er merkte, daß sie ihm widersprechen wollte, und fuhr entschieden fort: »Du willst den Thomas doch heiraten, oder? Wenn das wirklich dein Wunsch ist, dann mußt auch dazu stehen.«

      »Ich wünschte, ich könnte das. Aber der Vater…«

      »Jetzt beruhige dich, Christa. Ich fahre zurück nach Wildenberg und werde deinem Vater noch heut einen Besuch abstatten. Und wenn ich morgen nach dir sehe, dann bringe ich dir dein Kind mit. Ich wette, dein Vater wird es sich überlegen, wenn er das kleine Engerl sieht.«

      »Mein Mariele? Mei, Herr Doktor, ich möchte das Kind so gerne sehen. Wenn Sie das tun könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar!«

      »Freilich. Das kriegen wir schon hin. Und jetzt hörst auf, dir ständig Sorgen zu machen und dich zu ängstigen, sonst kannst nämlich nicht gesund werden. Denk nur daran, daß es in Wildenberg einen Burschen gibt, der dich lieb hat. Und ein kleines Madel, das deine Tochter ist…«

      Rudolf Graf war alles andere als begeistert, den Landarzt zu sehen. Er hatte einen Kater; und das in mehr als einer Beziehung. Die Altmagd Rosa kam Max Brinkmeier schon auf dem Wirtschaftshof entgegen und wollte gleich wissen: »Wie geht es der Christa? Sie wird doch wieder gesund, net wahr?«

      »Freilich. Es geht ihr schon besser. Und wenn nix dazwischen kommt, dann wird sie bald das Spital verlassen können.«

      »Ach, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen. Ich habe mich arg gesorgt, weil es doch im Grunde meine Schuld war, was das Madel zu leiden hatte. Ich hätte die Christa zu Ihnen bringen müssen, Doktor. Das kann ich mir nicht verzeihen.«

      »Schmarrn, du hast wirklich keine Schuld, Rosa. Du hast ja alles getan, was du konntest. Und es ist noch mal gutgegangen, dafür wollen wir dankbar sein. Ist der Bauer daheim?«

      »Er hockt in seinem Arbeitszimmer und schmollt. Ich hab’ versucht, vernünftig mit ihm zu reden, aber er droht mir nur dauernd mit dem Rauswurf. Ich glaub, ich kann da nix erreichen.«

      »Dann will ich mal mein Glück versuchen.« Dr. Brinkmeier klopfte kurz an und betrat nach entsprechender Aufforderung das Arbeitszimmer des Bauern. Dieser musterte ihn mit finsterer Miene und schnaubte: »Was willst da, Doktor? Ich hab’ dich net bestellt, und hier ist auch keiner krank.«

      »Du weißt, was ich will, Graf«, hielt Max ihm entgegen. »Deine Tochter wartet darauf, daß du nach ihr siehst, und ich…«

      »Den Weg hättest dir sparen können, Doktor. Mit der Christa habe ich nix mehr zu schaffen. Ich hab’ mir immer eingebildet, ein ordentliches und rechtschaffenes Madel erzogen zu haben. Und jetzt muß ich einsehen, daß sie nur ein billiges Flitscherl ist, das sich dem Erstbesten an den Hals wirft.«

      »Du tust deiner Tochter Unrecht. Die Christa hat den Kindsvater von Herzen lieb, und umgekehrt ist es ebenso. Die zwei hätten längst geheiratet, wenn deine Tochter nicht eine so große Angst vor deinem Zorn hätte.«

      »Aha, jetzt bin also ich daran schuld, daß die Christa eine ledige Mutter ist. Sauber. So kann man die Tatsachen verdrehen.«

      »Bauer, laß uns einmal vernünftig miteinander reden«, bat der Landarzt da besonnen. »Du hast deine Tochter zu streng behandelt, sie hat Liebe und Zuwendung vermißt, es dir zudem nie recht machen können. Sie hat sich nach einem Menschen gesehnt, der sie versteht, ihr gut ist. Und den hat sie auch gefunden. Das solltest net als Unglück ansehen, sondern als Chance. Wennst jetzt richtig reagierst, der Christa die Hand zur Versöhnung reichst, dann hast auf deinem Hof bald einen Jungbauern und eine glückliche Familie. Bleibst aber stur, wirst vielleicht nicht einmal dein Enkelkind aufwachsen sehen. Und das wäre doch wirklich sehr traurig, oder?«

      Rudolf musterte sein Gegenüber mit verschlossener Miene. Die Worte des Landarztes hatten ihn nachdenklich gemacht. Aber soweit, über seinen Schatten zu springen, war der Großbauer noch längst nicht. Sein Sturschädel stand einfach dagegen. Und das zeigte sich auch in seinen Worten. »Ich verbitte es mir, daß du dich in meine Erziehung einmischst. Du hast keine Ahnung, was hier wirklich geschehen ist. Oder meinst, ich bin aus Spaß und Übermut so streng zur Christa gewesen? Das hatte schon seinen guten Grund. Wir reden da von einem schlimmen Vertrauensbruch. Den kann ich nicht so einfach hinnehmen. Und was den vermeintlichen Jungbauern auf meinem Hof angeht; du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich zusehe, wie sich einer meiner Knechterln aufschwingt und Bauer spielen will? So etwas gibt es bei mir net. Wir Grafs haben nie unter unserem Stand geheiratet. Und ich werde gewiß nicht mit dieser Tradition brechen. Ich sag dir, was ich mache: Das Kind kommt weg, in ein Heim. Und die Christa wird einen ordentlichen Jungbauern heiraten, wie ich es vorgesehen hatte. Wir werden die Mitgift erhöhen, das tröstet über manchen Mangel hinweg.«

      Max Brinkmeier konnte nicht recht glauben, was er da hörte. Daß ein Mensch dermaßen kalt und verbohrt sein konnte, wollte ihm nicht in den Kopf. Doch er mußte einsehen, daß er momentan nichts tun


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