Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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etwas akzeptieren? Müssen Sie immer Ihren Kopf durchsetzen?«

      Er warf ihr einen schwer zu deutenden Blick zu. »In dem Fall schon. Los, kommen Sie. Ich glaube, wir haben etwas zu klären.«

      Dr. Bruckner folgte dem Kollegen nur widerwillig. Der schmale Pfad, der durch den nahen Dschungel führte, endete auf einer Lichtung. Hier gab es eine kleine Felsengrotte, in die ein Wasserfall stürzte. Es war ein Ort von wundersamer Schönheit, die fast schon magisch zu nennen war. Julia und Max hatten hier manch verliebte Stunde verbracht. Und sie sah es wie einen Verrat an, nun mit einem anderen hier zu sein.

      Tom Kennedy schaute sich aufmerksam um, dann stellte er fest: »Dieser Platz hier ist ein Symbol. Er steht für eine Art von Wegkreuzung. Verstehen Sie, was ich damit meine?«

      »Nein, tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht folgen«, kam es abweisend von Julia.

      »Eigentlich ist es ganz einfach.« Der Schotte ließ sich auf einem Felsen nieder und lächelte ihr ein wenig zu. »Die Station und alles, was dazugehört, ist für Sie noch immer das Werk des Mannes, den Sie lieben. Sie verteidigen diese Erinnerung mit Zähnen und Klauen. Ich vermute, das ist auch der Grund, weshalb Sie mich nicht akzeptieren können. Aber auf Dauer können wir so nicht weitermachen. Entweder schaffen Sie es endlich, zwischen Ihren Gefühlen und unserer Zusammenarbeit zu unterscheiden, oder aber einer von uns beiden muß gehen.«

      »Sie wollen die Station in Zukunft allein leiten? Ich hätte es mir denken können.« Julia lachte unfroh auf. »Ein Mann mit Ihren Qualifikationen geht nicht in den Busch und arbeitet. Er will sich überall, wo er hinkommt, etwas schaffen. Aber Holy Spirit ist der falsche Platz für Ihre Ambitionen.«

      »Sie haben mich völlig mißverstanden. Und langsam habe ich das Gefühl, Sie tun das mit Absicht.«

      »Ich habe Sie verstanden, keine Angst. Aber ich lasse mir von Ihnen keine Vorschriften machen. Ich tue meine Arbeit hier so, wie ich es für richtig halte. Und wenn Sie damit nicht zurecht kommen, kann ich es auch nicht ändern!«

      Julia wollte gehen, doch Tom hielt sie am Arm fest und schaute sie mit ernster Miene an. »Es hat keinen Sinn, was Sie versuchen. Max Brinkmeier wird nicht zurückkommen, wenn Sie ihm hier einen Schrein der Erinnerung errichten. Ich weiß, was es heißt, jemanden zu verlieren. Es geht über das hinaus, was man ertragen kann. Aber wenn Sie ohne diesen Mann nicht leben können, dann sollten Sie ihm nach Deutschland folgen.«

      Sie starrte ihn aufgewühlt an, dann machte sie sich mit einer heftigen Bewegung von ihm los und lief davon. Julia war zutiefst bestürzt, sie brauchte eine ganze Weile, um wieder ruhig zu werden. Denn ihr war bewußt geworden, daß Tom im Recht war, mit allem, was er ihr vorzuwerfen hatte…

      *

      »Meinst wirklich, es ist gut, wenn du ihr das Kind bringst? Läßt ihr Zustand das denn zu?« Josef Brinkmeier schaute sehr skeptisch zu, wie sein Sohn das Baby im Wagen unterbrachte.

      »Die Christa sehnt sich nach dem Baby. Ich bin sicher, es wird ihr großen Auftrieb geben, wenn sie das Kleine sieht. Und für Thomas Berger gilt dasselbe. Die zwei brauchen Unterstützung.«

      »Schon. Aber sie wird sich gewiß aufregen. Und was ist mit ihrem Vater? Wird der nicht wieder toben?«

      »Falls er sich überwinden kann und seine Tochter endlich mal besucht, wird ihn dieses süße Baby bestimmt besänftigen«, war der Landarzt überzeugt. Allerdings ahnte Max Brinkmeier nicht, daß er sich in diesem Punkt irren sollte…

      Rudolf Graf hatte lange überlegt, ob er seine Tochter wirklich besuchen sollte. Zuerst hatte er sich eingeredet, daß das ganz überflüssig sei. Schließlich würde Christa bald heimkommen, dann konnten sie sich immer noch aussprechen. Aber er hatte ein schlechtes Gewissen, auch wenn er sich das nicht mal selbst eingestehen wollte. Daß seine Tochter so viel hatte durchmachen müssen, weil sie sich vor ihm fürchtete, war schon arg. Und im Grunde war ihm das auch gar nicht recht. Eigentlich hatte der Bauer sich immer gewünscht, daß Christa ihn liebhatte und zu ihm aufschaute. Aber dieser Wunsch erschien ihm unrealistisch, dachte er an ihre Mutter und daran, was sie ihm angetan hatte…

      Strenge schien Rudolf Graf das einzige Mittel, um seine Tochter im Zaum zu halten. Vielleicht war er ja nicht streng genug gewesen. Als er nach Berchtesgaden zum Spital fuhr, war der Bauer fest entschlossen, Christa wieder zur Vernunft zu bringen. Sie mußte sich fügen und seinen Wünschen folgen, denn das war die letzte Chance, die er ihr geben wollte…

      Als der Großbauer das Krankenzimmer seiner Tochter betrat, meinte er allerdings, zu träumen. Und keinen angenehmen Traum. Christa saß im Bett, hielt ein Baby im Arm, der Landarzt stand mit wohlwollender Miene am Fenster, und neben dem Krankenbett saß Thomas Berger, einer der Knechte vom Graf-Hof. Die eben noch entspannte Miene des Bauern verhärtete sich. So dachte seine Tochter sich das also – aber nicht mit ihm!

      »Vater, das ist aber eine Überraschung, ich…« Die junge Mutter verstummte, als er auf sie losging: »Du traust dich was, ich muß schon sagen! Schämst dich eigentlich gar net? Sitzt hier herum und hälst Hof wie die Königin von Saba. Dabei hast net einmal einen Vater für das Wurm!«

      »Ich bin der Vater«, meldete Thomas sich da zu Wort.

      Der Bauer lachte abfällig. »Hätte ich mir denken können. Ein Nichtsnutz, zu faul, um als Knecht sein Auskommen zu verdienen. Der hängt sich an die Hoftochter und hat ausgesorgt, gelt? Das hast dir doch wohl eingebildet, als du meine Tochter geschwängert hast, was?«

      Der Bursch ballte die Hände zu Fäusten und knirschte: »Wie kann ein Mensch nur so gemein und niederträchtig sein? Ich hab’ die Christa lieb und werde für sie und das Butzerl sorgen. Dazu brauchen wir deinen Hof net, Bauer! Wir kommen auch so durch!«

      »Ha, das möchte ich erleben. Große Tön’ spucken, das kannst. Aber wie sieht dann die Wirklichkeit aus? Angekrochen kommst und verläßt dich auf meine Mildtätigkeit…«

      »Hört doch endlich auf!« Christa starrte den Vater aus großen, tränenfeuchten Augen an. »Ich kann das nimmer hören, hört sofort auf zu streiten, sonst geschieht was!«

      Das Kind fing an zu weinen, Thomas starrte den Bauern verächtlich an. »Da siehst, was du angerichtet hast! Alles ist gut gewesen, bevor du gekommen bist, Bauer. Kannst denn alle Menschen in deiner Umgebung immer nur unglücklich machen?«

      Rudolf Graf winkte ab. »Laßt mir doch alle meine Ruh, ihr Bagage. Aber bildet euch nur net ein, daß ich mich erweichen laß. Niemals! Ich hab’ keine Tochter mehr. Und du, Berger, kannst auch deine Sachen packen.« Damit drehte der Bauer sich auf dem Absatz um und polterte aus dem Raum. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloß.

      Christa war es mittlerweile gelungen, das Kind zu beruhigen. Max Brinkmeier schlug vor: »Ich nehme das Butzerl wieder mit nach Wildenberg. Das war doch alles ein bissel viel für dich, Christa, net wahr? Thomas, kümmere du dich um sie, die Aufregung hat ihr gewiß geschadet.« Er nahm Christa das Baby ab, die sich nur schwer davon trennte. »Darf ich es bald wiedersehen?« fragte sie sehnsüchtig. »Ich hab’ jetzt erst gemerkt, wie sehr ich das Kleine vermißt habe.«

      Der Landarzt überlegte nicht lang, er schlug vor: »Wenn du das Spital verlassen darfst, Christa, dann kommst ins Doktorhaus. Ich glaube, es ist das Beste so, zumindest fürs erste. Du kannst bei deinem Kind sein, und dein Vater hat ein wenig Zeit zum Nachdenken. Die braucht er nämlich unbedingt.«

      Christa warf Thomas einen unsicheren Blick zu, der meinte: »Das ist gewiß die beste Lösung. Ich werde mir eine neue Stellung suchen. Und hernach überlegen wir, was werden soll.« Er gab sich optimistisch. »Zusammen schaffen wir es, Schatzerl. Davon bin ich fest überzeugt.«

      Die schöne Hoftochter wollte ihrem Schatz zu gerne glauben. Und als Thomas ihr zum Abschied ein inniges Busserl schenkte, da vergaß sie für kurze Zeit allen Kummer. Aber nachdem die Besucher gegangen waren, fühlte Christa sich ganz allein und verlassen. Das Gefühl der Erleichterung, daß die Zeit der Lügen und Heimlichtuerei nun vorbei war, wich allmählich einer diffusen Angst. Der Vater hatte sich schlimmer aufgeführt als befürchtet. Keinen Blick hatte er für sein Enkelkind gehabt. Es schien ihm einzig darum


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