Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

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Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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Max Brinkmeier war nicht eben optimistisch gestimmt, als er heimkam. Afra, die Hauserin, nahm ihm das Kind ab, sein Vater wollte wissen, was sich im Spital abgespielt habe.

      »Der alte Graf ist uneinsichtig und stur. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Mit gutem Zureden hab’ ich nix erreicht.«

      »Das hätte ich dir gleich sagen können«, meinte der alte Landarzt. »Der Bauer ist ein Sturschädel, wie er im Buche steht. Er hat seine Frau aus dem Haus gegrault. Und mit seiner Tochter wird es auf dasselbe hinauslaufen. Daran kannst du auch nichts ändern, Max, das liegt nur an ihm.«

      »Ich dachte, seine Frau wär’ früh gestorben. Das hat mir jedenfalls die Christa erzählt.«

      Afra trug das Abendessen auf, dabei erzählte sie: »Der Graf hat seine Frau solange terrorisiert, bis sie ihn verlassen hat. Hernach ist er auf eine Versöhnung ausgegangen. Und als sie nachgegeben hat, war es schlimmer als vorher. Man sagt, er hat sie ins frühe Grab gebracht. Gelernt hat er daraus aber nix. Und die Christa hat jetzt ebenso zu leiden wie ihre selige Mutter. Der Bauer ist ein harter Mensch, der sich einfach nicht ändern kann. Das Beste für das Madel wäre, wenn es Wildenberg den Rücken kehren und nimmer zurückkommen tät. Das ist jedenfalls meine Meinung.«

      Max machte eine nachdenkliche Miene. Wenig später erschien Anna Stadler, um ihren kleinen Schützling zu versorgen. Als der Landarzt ihr erzählte, was sich an diesem Tag im Spital abgespielt hatte, konnte sie nur den Kopf schütteln.

      »Ich verstehe den Bauern nicht. Statt sich zu freuen, daß es seiner Tochter und dem Kind gut geht, hat er nix im Sinn als sich zu streiten. An der Christa ihrer Stelle wäre ich schon lange auf und davon. Sie hat doch einen Burschen, der sie lieb hat. Ich finde, das ist das Wichtigste, darauf kommt es an.«

      »So einfach ist es aber für die Christa nicht«, gab der junge Mann zu bedenken. »Sie hatte ihr ganzes Leben Angst vor ihrem herrschsüchtigen Vater. Ich glaube, sie ist zu verschüchtert, um sich einen Neuanfang zuzutrauen. Lieber wird sie auf alles verzichten, bloß um ihren Vater nicht noch weiter gegen sich aufzubringen. Ich weiß, das klingt komisch. Aber ein Mensch, der sein Lebtag so unterdrückt worden ist, der kann die Fesseln nicht einfach abstreifen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Das ist schon eine tragische Geschichte.«

      »Du meinst, sie wird heimgehen und alles tun, was ihr Vater will? Das kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Anna. »Und das wird der Thomas gewiß auch nicht zulassen.«

      »Was soll denn nun werden? Haben die zwei schon Pläne gemacht?« wollte Josef von seinem Sohn wissen.

      »Ich hab’ der Christa vorgeschlagen, bis auf weiteres zu uns zu kommen. Hier kann sie bei ihrem Butzerl sein und ist ihrem Vater nicht ausgesetzt. Im Grunde habe ich gehofft, daß der Alte dann vernünftig wird. Aber nach der Szene im Spital kann ich kaum noch daran glauben.«

      »Die Idee, sie hier aufzunehmen, finde ich gut. Und der Thomas? Gewiß kann er nicht auf dem Graf-Hof bleiben.«

      »Ich glaube, er sucht sich schon eine neue Anstellung. Er ist tüchtig, wird sich was aufbauen, daran zweifle ich nicht. Aber wenn die Christa es nicht schafft, ihre Angst vor dem Vater zu überwinden, dann kann das auf Dauer nicht gutgehen mit den beiden«, war Max überzeugt.

      »Vielleicht sollte sie mal zu einem Psychologen gehen, eine Therapie machen«, überlegte Anna. »Das könnte ihr sicher helfen. Oder meinst, sie will das nicht?«

      »Schwer zu sagen. Im Moment sollten wir ihr einfach Zeit lassen«, schlug der junge Landarzt vor. »Und dafür sorgen, daß ihr Vater doch noch zur Besinnung kommt.«

      Josef seufzte leise. »Wenn das so einfach wäre. Du hast schon viel für die Christa und den Thomas getan. Vielleicht solltest jetzt auch dem Alten Zeit lassen. Er muß von sich aus einsehen, daß er einen Fehler gemacht hat. Zwingen kannst den zu gar nix, dann schaltet er bloß auf stur.«

      Max nickte. »Ja, ich fürchte, du hast recht, Vater. Aber es gefällt mir nicht, einfach untätig abzuwarten. Das ist nicht meine Art.«

      Anna tauschte einen vielsagenden Blick mit dem alten Landarzt, der versicherte: »Das wissen wir, Max. Das wissen wir genau.«

      *

      Drei Tage später durfte Christa Graf das Spital in Berchtesgaden verlassen. Thomas war natürlich zur Stelle, um sie abzuholen. Auf dem Rückweg nach Wildenberg berichtete er: »Ich hab’ schon eine neue Anstellung, beim Strohmüller in Schlehbusch. Der hat mich mit Kußhand eingestellt. Mußt dich also nicht sorgen, Liebes, unser Auskommen haben wir.«

      »Ich bin froh, daß du wieder eine Stelle gefunden hast. Aber ich frage mich, was der Vater macht. Er hat mich kein einziges Mal mehr besucht. Gewiß wird er jetzt ganz verbittern.«

      »Darüber solltest dir keine Gedanken machen. Er hat es so gewollt. Und ich seh’ ihn heut eh noch mal, weil ich meine Papiere abholen geh. Wenn es dir recht ist, versuche ich dann, noch mal vernünftig mit ihm zu reden. Was hat es denn für einen Sinn, wenn er sich eingräbt und schmollt? Die Dinge entwickeln sich halt manchmal anders, als man sich das wünscht. Aber ich finde, dein Vater hat keinen Grund, sauer auf dich zu sein.«

      »Er sieht das anders. Ich hab’ ihn betrogen, sein Vertrauen mißbraucht. Statt mir von ihm einen Burschen zum Heiraten aussuchen zu lassen, habe ich einfach gemacht, was ich wollte. Und das wird er mir ganz bestimmt niemals verzeihen.«

      »So ein Schmarrn. Ich kann ja verstehen, daß er das Beste für dich gewollt hat. Und ich kenne deinen Vater gut genug, um zu wissen, daß er nur sein eigenes Urteil gelten läßt. Aber er muß doch auch einsehen, daß du erwachsen bist. Man kann niemandem ein Leben aufzwingen, das er nicht will.«

      Christa lächelte traurig. »Das weißt du, und ich weiß es auch. Aber der Vater kennt nur seine eigene Meinung, er läßt sonst nichts gelten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich daran jemals etwas ändern wird. So war es jedenfalls, solange ich zurückdenken kann.«

      »Vielleicht wird er ja doch noch vernünftig. Spätestens wenn ihm aufgeht, daß er dich verlieren wird, wenn er weiterhin auf stur schaltet. Immerhin bist sein einziges Kind. Und die Hofnachfolge ist ihm doch wichtig, oder?«

      »Schon. Trotzdem wird der Vater nicht nachgeben, das weiß ich. Es wäre das erste Mal in seinem Leben, daß er über seinen Schatten springt. Und ich meine, er kann das nicht.«

      »Na, wir werden sehen.« Thomas stoppte vor dem Doktorhaus. »Solange du hier bist, hat dein Vater Gelegenheit, in sich zu gehen und über alles nachzudenken. Vielleicht sieht er dann ja doch noch ein, daß er einen Fehler gemacht hat.«

      Christa seufzte leise. Sie wünschte sich nichts mehr, aber sie wußte zugleich, wie wenig wahrscheinlich dies war…

      Max Brinkmeier begrüßte die junge Frau freundlich, Afra zeigte ihr das Gästezimmer, das sie hergerichtet hatte, und meinte: »Dein Butzerl ist ein richtiger kleiner Schatz. Wir haben alle viel Freude daran. Weißt was? Ich glaub, es wird auch dem Doktor ein bissel schwer, das Kleine wieder herzugeben.«

      Christa mußte lächeln. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Alle hier sind so nett zu mir, das bin ich nicht gewöhnt.«

      »Dein Vater ist ein alter Sturschädel und Streitnagel. Eine Schand’ ist es, wie er dich behandelt. Aber wart nur ab; wenn dein Thomas dich heiratet, dann wird noch alles gut. Oder habt ihr noch nicht darüber geredet?«

      »Doch, schon. Der Thomas hat mich gleich heiraten wollen, als ich festgestellt hab’, daß ich in der Hoffnung steh. Aber ich hatte Angst vor dem Vater und habe ihn deshalb gebeten, zu warten. Vielleicht war das ja falsch…«

      »Gewiß war es falsch. Es geht ja um dein Leben, und das mußt schon selbst bestimmen. Trotzdem glaube ich, daß ihr zwei euer Glück noch finden werdet. Mußt nur zu deinem Liebsten stehen.«

      »Das tu ich«, versicherte Christa, doch es klang eher halbherzig, wie die Hauserin feststellen mußte. Offensichtlich hatte das Madel noch immer große Angst vor dem Vater. Und diesem Gefühl mußten sich alle anderen unterordnen…

      Thomas Berger


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