Die kleine Dame (1). Stefanie Taschinski

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Die kleine Dame (1) - Stefanie Taschinski


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      Stefanie Taschinski

      Die kleine Dame

       Weitere Titel in dieser Reihe:

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      Die kleine Dame auf Salafari

      Die kleine Dame melodiert ganz wunderbar

      Die kleine Dame feiert Weihnachten

      Die kleine Dame und Du – Ein Salafari-Buch zum Entdecken,

      Staunen & Mitmachen

       Auch als Hörbücher bei Arena audio

       Stefanie Taschinski

       Die kleine Dame

       Mit Bildern von Nina Dulleck

       Für meine Töchter

       Elisabeth und Katharina

      1. Auflage 2020

      © 2010 Arena Verlag GmbH

      Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

      Alle Rechte vorbehalten

      Einband und Innenillustrationen: Nina Dulleck

      E-Book-Herstellung und Auslieferung:

      readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

      E-Book ISBN 978-3-401-80912-0

       www.arena-verlag.de

       Das Brezelhaus

      Diese Geschichte beginnt mit einer Brezel. Einer kleinen goldenen Brezel. Aber Vorsicht! Zum Essen ist sie nicht. Du würdest dir nämlich ganz bestimmt deine Zähne an ihr ausbeißen. Denn die Brezel, von der hier die Rede ist, hängt hoch über dem Eingang des Brezelhauses und ist aus allerfeinstem Gips.

      Ohne diese hübsche Brezel wären Lillys Eltern niemals in das Brezelhaus gezogen, das mitten in der großen Stadt Hamburg in einer kleinen Seitenstraße steht. Sie wären auf ihrer Suche nach einem neuen Zuhause einfach an dem alten Haus mit den vier Stockwerken vorbeigegangen.

      Und wir hätten nie wieder etwas von ihnen gehört.

      Doch genau an jenem Tag, als Lilly, ihre Mutter und ihr Vater mit ihrer kleinen Schwester an dem Brezelhaus vorbeischoben, stand ein junger Maler auf der Leiter und strich die alte Brezel mit neuer Goldfarbe.

      Lilly blieb neugierig stehen. »Sieh mal«, rief sie und tippte Papa an.

      Papa sah nach oben. »Eine Brezel«, sagte er, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

      »Sie ist aus Gold«, flüsterte Lilly.

      Gold oder nicht, Papa wollte weiter. Er hielt sich nicht gern auf. Schon gar nicht mit Brezeln. Denn als weit geradelter Fahrradspezialist wusste er, wie wichtig es ist, auf Kurs zu bleiben. Doch wie geschickt er den Kinderwagen auch wendete, an der großen Malerleiter und den Farbeimern kam er nicht vorbei.

      Da schaute Mama zu der kleinen Brezel hoch. Sie sah wirklich genauso aus wie die Brezeln, die sie in ihrer Backstube zusammendrehte. In einem Schwung. Bei dem Gedanken musste sie lächeln.

      Sie sah zu Lilly. »Sieht zum Reinbeißen aus«, sagte Mama und nahm Lillys Hand.

      Ja, das fand Lilly auch.

      Papa wurde unruhig. Er spürte, dass etwas in der Luft lag.

      Oben betupfte der Maler in aller Ruhe die letzte graue Stelle mit Gold.

      Was war das für ein Glanz!

      Was war das für ein Leuchten!

      Mit ihrem frischen Gold sah die Brezel wie eine feine Einladung aus.

      »Komm herein!«, sagte die Brezel. »Tritt ein. Hier bist du glücklich.«

      Da geschah es.

      »Ich wünschte, wir könnten hier wohnen«, sagte Mama und lächelte Papa so sehnsüchtig an, dass er den Arm um sie legte und alles andere vergaß.

      Er sah von Mama zu der goldenen Brezel und nickte. So kam es, dass Familie Bär mit ihren zwei kleinen Mädchen in das Brezelhaus zog.

      »Ich bin kein kleines Mädchen!«, sagt Lilly. »Ich bin acht und eine große Schwester!«

      Na, aber auch große Schwestern dürfen manchmal noch kleine Mädchen sein. Wenn zum Beispiel nachts die alte Laterne auf dem Kleiderschrank plötzlich aussieht wie eine Fratze und sich der Bademantel auf dem Stuhl in eine unheimliche Gestalt verwandelt – dann fühlen sich selbst die größten Mädchen wieder klein. In solchen Momenten ist Lilly froh, dass Karlchen da ist. Ihre kleine Schwester ist erst fünf. Sie schläft unten im Etagenbett, und wenn sie nachts aufwacht, läuft sie oft noch zu Mama und Papa. Karlchen ist ganz bestimmt ein kleines Mädchen. Ein noch kleineres als Lilly.

      Es gibt allerdings eine im Brezelhaus, die ist noch ein ganzes Stück kleiner als alle kleinen Mädchen, die darin wohnen. Und das ist die kleine Dame.

      Sie wohnt im Hinterhof. Sie ist so groß wie ein ausgewachsener Pinguin, trägt bei Wind und Wetter ihre Safariausstattung und dank ihres Schirms kann sie jederzeit chamäleonisieren.

      Du fragst, was chamäleonisieren ist?

      Das geht so: Die kleine Dame spannt ihren Schirm auf und schwups ist es passiert. Steht sie vor ihrem blau geblümten Ohrensessel, ist die kleine Dame vom Schirm bis zur Sohle blau geblümt. Macht sie einen flotten Spaziergang an roten Klinkerhäusern vorbei, tanzen rote Ziegel auf ihrem Kostüm. Und wenn sie mit aufgespanntem Schirm die Rinde der alten Weide nach Marienkäfern absucht, läuft die kleine Dame so silbergrau an, dass gleich ein frecher Käfer angeflogen kommt und sich auf ihre Nase setzt.

      Die kleine Dame chamäleonisiert so mühelos, dass niemand bemerkte, wie sie ihr Zelt unter der alten Weide im Hof des Brezelhauses aufbaute.

      Dabei zündet sie jeden Abend die große Laterne an, die auf ihrem Tisch steht. Dann setzt sie sich bei einer duftenden Tasse Schokolade vor ihr Zelt und lauscht den fremden Geräuschen der Stadt. Sie hört das tiefe Tuten der Schiffe, die die Elbe heraufkommen, das Hupen der Autos und manchen fremden Vogel.

      Die kleine Dame sitzt vor ihrem Zelt und beobachtet, wie rings herum in den Wohnungen die Lichter angehen. Sie sieht zu, wie Mütter ihren Kindern die Zähne putzen und mit großen Waschlappen die kleinen Gesichter waschen. Sie sieht, wie Väter am Herd stehen und in schweren Pfannen leichte Omeletts backen.

      Die kleine Dame ist rundherum glücklich, dass sie den Hof des Brezelhauses gefunden hat. Denn sie kennt keinen geheimnisvolleren Ort als diesen riesigen, wild bewucherten Hof, wo hinter jeder Hecke ein anderes Tier lauert.

      Seltsamerweise interessiert sich von den großen Leuten niemand für den Hof. Nur der Hausmeister, Herr Leberwurst, fegt einmal am Tag den Torweg zwischen den Mülltonnen. Er hat eine Glatze und fegt zwei links zwei rechts, ohne auch nur einmal von den grauen Fliesen aufzusehen. Dabei muss er sich immer tief nach unten bücken. Denn Herr Leberwurst hat schrecklich lange Beine und ist mindestens dreimal so groß wie die kleine Dame.

      Selbst als die kleine Dame gestern ihr Bettzeug aufschüttelte, dass die Federn nur so durch die Luft wirbelten, bemerkte er sie nicht. Dabei trug sie an diesem Morgen ihren Tropenhelm und sah ganz besonders fein aus. Aber Herr Leberwurst spuckte nur auf seinen Putzlappen und polierte das Schild, das er im Torweg aufgehängt hatte. Darauf stand:

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