Dampfer ab Triest. Günter Neuwirth
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Günter Neuwirth
Dampfer ab Triest
Roman
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Sven Lang
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:19090108_trieste_molo_san_carlo.jpg
ISBN 978-3-8392-6704-2
Personenverzeichnis
Brunos privates Umfeld
Bruno Zabini, 37, Inspector I. Klasse, Triest
Heidemarie Zabini, geb. Bogensberger in Wien, 59, Brunos Mutter
Salvatore Zabini (1836–1899), Brunos Vater
Maria Barbieri, geb. Zabini, 32, Brunos Schwester, Triest
Fedora Cherini, 34, Hausfrau, Triest
Luise Dorothea Freifrau von Callenhoff, 27, Schriftstellerin, Sistiana und Triest
Die Triester Polizei
Johann Ernst Gellner, 52, Oberinspector
Emilio Pittoni, 40, Inspector I. Klasse
Vinzenz Jaunig, 47, Polizeiagent I. Klasse
Luigi Bosovich, 26, Polizeiagent II. Klasse
Ivana Zupan, 41, Bürokraft
Passagiere der Thalia
Maximilian Eugen Graf von Urbanau, 64, steirischer Adeliger, Oberst a. D., Attaché des Kriegsministeriums im Ruhestand
Carolina Sylvia von Urbanau, 20, Tochter des Grafen
Friedrich Grüner, 25, Schauspieler und Poet
Therese Wundrak, 33, Reiseschriftstellerin
Samuel, 54, und Vilma, 39, Teitelbaum, Ehepaar aus Lemberg
Ludmilla Kabátová, 46, Musikerin aus Prag
Ferdinand, 31, und Hermine, 26, Seefried, Ehepaar aus Wien
Winfried Mühlberger, 43, Theaterdichter aus München
Senta Oberhuber, 34, und Klara Steinhauer, 27, Schwestern aus München
Gilbert Belmais, 35, französischer Reisender
Dr. Gerold, 71, und Josefine, 64, von Eggersfeldt, Ehepaar aus Retz
Mark, 43, und Deanna, 41, Cramp, Ehepaar aus Boston
Mannschaft der Thalia
Karl von Bretfeld, 52, Kapitän
Roberto Silla, 40, Erster Offizier
Guiseppe Lorenzutti, 36, Zweiter Offizier
Mario Valenti, 42, Bootsmann
Paolo Glustich, 40, Schiffskommissär
Dr. Johannes Zechtel, 55, Schiffsarzt
Zlatko Dolinar, 35, Oberkellner
Georg Steyrer, 28, Steward und Barbier, unehelicher Sohn des Grafen Urbanau
Der Tag der Ankunft
Morgendlich kühler Wind strich über die Dächer der Stadt. Kurz hielt Bruno inne und blickte hinab zu den Segelschiffen und Dampfern im Hafen, dann stieg er weiter den Hang empor. Zügig, Schritt für Schritt.
Um Klarheit im Denken zu erlangen, waren Fußmärsche unerlässlich. Viele seiner Fälle hatte Bruno Zabini allein durch schnelles Gehen gelöst. Unterwegs klärten sich Sachverhalte, konkretisierten sich Ahnungen, ergaben sich neue Möglichkeiten und wurden Irrwege vermieden. Gehen war Denken, und Denken war Gehen. In jedem Fall in Brunos Welt.
Oberinspector Gellner, sein Vorgesetzter, bevorzugte Kutschen. Gehen war in Gellners Augen etwas für das einfache Volk, für die Tagelöhner, die Marktweiber und die Kohlenträger, ein Mann von Rang und Namen orderte eine Kutsche. Die elektrische Straßenbahn hingegen, so Gellner, sei etwas für Eilige und Nervöse. Wer setzte sich schon in ein rumpelndes Ungetüm, das nicht von braven Tieren gezogen, sondern von unsichtbaren Geistern durch die Stadt gejagt wurde? Gellner misstraute der Elektrizität im Allgemeinen, der elektrischen Straßenbahn im Besonderen. Also nutzte er die Dienste eines Kutschers. Nun, Bruno wunderte sich längst nicht mehr über die antiquierten Ansichten seines Vorgesetzten. Außerdem, so fragte sich Bruno, was hielt den Körper einfacher und sicherer gesund als beherztes Gehen? So wie jetzt, so wie eben.
Vielleicht marschierte Bruno nicht nur deswegen so forsch, um seinen Leib zu ertüchtigen und seinem Denken wohlzutun, vielleicht gab es da auch noch einen weiteren Grund? Einen, der sich nicht für medizinische Diskurse oder philosophische Reflexionen eignete.
Vor vier Wochen hatte sich Signora Cherini wieder Bücher bei Brunos Mutter ausgeliehen. Heidemarie Zabini hatte über die Jahre ein Bücherkränzchen lesefreudiger Damen um sich versammelt, die einander Bücher liehen und einmal im Monat bei Kaffee und Kuchen über ihre Lektüre debattierten. Signora Cherini war die Jüngste in diesem Kreis, seit vier Jahren nahm sie, wann immer es sich ermöglichen ließ, an den Treffen teil. Carlo Cherini bezog als Offizier der Handelsmarine zwar ein hinreichendes Einkommen, um seiner Frau und seinen beiden Söhnen ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen, aber Signora Cherini achtete sorgsam auf die Haushaltskasse, daher kaufte sie Bücher selten, sondern borgte sie von den Damen des Kränzchens oder entlieh sie aus der Bibliothek. Bruno war auf dem Weg, die Bücher abzuholen. Einen Botendienst, den er nur gerne leistete, würde er doch Fedora Cherini begegnen.
Allein in einem Raum mit dieser Tochter der Venus zu sein und dieselbe Luft zu atmen, war jeden Fußmarsch wert. Darüber hinaus war heute sein freier Tag. So war er bald nach dem Frühstück aufgebrochen und marschierte zügig bergauf und bergab durch die Straßen und kam schließlich in das Viertel Gretta, wo am Ende einer steil ansteigenden Gasse der Familienwohnsitz von Carlo Cherini lag. Während er sich dem Haus näherte, blickte er sich genau um.
Als Inspector des k.k. Polizeiagenteninstituts seiner Majestät des Kaisers verfügte er über ein scharfes Auge und einen geschulten Blick. Und so wie er es wahrnahm, wurde er in diesem Moment von keinen neugierigen Nachbarn beäugt, dennoch zog es Bruno vor, am Haus vorbeizugehen, sich noch einmal genau umzusehen und hinter der Hecke zu verschwinden. Er näherte sich im Schatten von Bäumen und Sträuchern der Rückseite des Hauses. Beim Holzzaun hielt er inne, schaute und lauschte. Nichts. Stille. Vorsichtig stieg er über den hüfthohen Zaun und huschte unter den Obstbäumen durch den