Die silberne Dose. Marie Louise Fischer

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Die silberne Dose - Marie Louise Fischer


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      Marie Louise Fischer

      Die silberne Dose

      Roman

      SAGA Egmont

      Die silberne Dose

      Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S

      Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)

      represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

      Originally published 1945 by Goldmann Verlag, Germany

      All rights reserved

      ISBN: 9788711718629

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      1

      Wenn ich mir jetzt, da alles vorüber ist, überlege, wie es dazu kam, daß ich in die Kette jener merkwürdigen und gefährlichen Ereignisse hineingezogen wurde, die Silvester ihren Anfang nahm, so komme ich zu dem Schluß, daß nicht der anonyme Brief die eigentliche Ursache war.

      Den Brief hatte ich ja schon am Vormittag bekommen, und ich hatte ihm durchaus keine besondere Beachtung geschenkt. Natürlich war ich etwas erstaunt, vielleicht auch ein wenig verärgert, aber das war auch alles. Seitdem ich mich im Sommer allzu intensiv mit dem Fall Sybill Herbst befaßt hatte, brauchte ich für den Spott meiner lieben Freunde wahrhaftig nicht mehr zu sorgen. Ich war überzeugt, daß dieser anonyme Brief nichts weiter als ein schlechter Scherz war; ich hätte ihn wahrscheinlich ins Feuer geworfen und vergessen, wenn ich für den Silvesterabend nicht mit Florian Maria Reinberger verabredet gewesen wäre, schon seit Tagen, und wenn er nicht …

      Es mag gegen vier Uhr gewesen sein am Nachmittag des 31. Dezember; es dämmerte bereits.

      Ich hatte gerade den alten Nagellack von meinen Nägeln entfernt, als ich wieder einmal aufsah, und da bemerkte ich, wie eine große Gestalt aus dem Torweg kam und sich auf der freigeschaufelten Bahn dem Hinterhaus näherte. Noch bevor ich das Gesicht erkennen konnte, wußte ich, daß es Florian war. Geschmeidig und elastisch wie ein Raubtier auf Beutegang überquerte er den Hof. Er hatte die Hände in den Taschen seines Überziehers vergraben, den Kragen hochgestellt und sah nicht zu meinem Fenster auf.

      Einem ersten Impuls folgend, wollte ich aufspringen und zur Tür laufen, aber dann bremste ich mich noch rechtzeitig.

      Erst als es klingelte, sehr fordernd dreimal hintereinander, stand ich auf, ging in den kalten, düsteren Flur hinaus, machte Licht und öffnete die Wohnungstür.

      »Hallo, Florian!«, sagte ich. »Kommen Sie herein!«

      Er nahm meine Hand und hielt sie fest zwischen seinen warmen, kräftigen Fingern. »Net bös sein, Muckerl … Mein Taxi wartet!«

      Ich begriff nichts und blickte in seine feuchten braunen Tieraugen; er ließ meine Hand nicht los.

      »Sein S’ net bös, Engelein«, wiederholte er.

      »Aber … was ist denn los?« wollte ich wissen.

      »‘s wird nix mit uns heut’ abend«, erklärte er, »net bös sein! An Verleger aus Wien …«

      »Ach so!« Ich entzog ihm meine Hand.

      »Wir holen’s nach, Muckerl … an andermal! Ganz gewiß!«

      »Kann ich … Kann ich nicht mitkommen?« schlug ich vor.

      »Naa, das geht net, leider! Da muß ich ganz alleinig …«

      »Na schön«, sagte ich, »dann viel Spaß!«

      »Net traurig sein, Engelein!«

      »Wieso denn?! Ich könnte schreien vor Freude!«

      Da standen wir uns nun zwischen Tür und Angel gegenüber, stumm, und sahen uns an. Mich fror.

      »Vergebung«, murmelte Florian.

      »Ihr Taxi wartet, Herr Reinberger!«

      Er lüftete kurz den Hut, seinen breitrandigen Steirerhut, lächelte mit weißen Zähnen, drehte sich um und ging. Das Herz zog sich mir zusammen. Beinahe wäre ich ihm nachgelaufen, um nur nicht im Bösen mit ihm auseinanderzugehen, aber dann warf ich die Wohnungstür ins Schloß und ging in mein Zimmer zurück.

      Draußen hatte es wieder angefangen zu schneien, ich setzte mich in den Erker und zündete mir eine Zigarette an. Florian war schon im Torweg verschwunden. Ich rauchte, starrte in das Schneetreiben und dachte über mein verfehltes Leben nach. Man darf sich eben nie auf etwas freuen, dachte ich, nie. Ich war traurig, wütend, maßlos enttäuscht.

      Es dauerte eine Zeit, mindestens drei Zigarettenlängen, ehe ich mich wieder gefaßt hatte.

      Was sollte ich jetzt mit dem Silvesterabend anfangen? Alle Verabredungen und Einladungen hatte ich abgesagt, und törichterweise hatte ich dabei noch geheimnisvoll durchblicken lassen, daß ich für den letzten Abend im Jahr etwas Besseres vorhatte. Ich seufzte tief, stand auf und knipste die Stehlampe an. Dabei fiel mein Blick auf den anonymen Brief, der am Morgen im Kasten gelegen hatte.

      Der Absender hatte vollständige Worte und einzelne Buchstaben aus einer gewöhnlichen Tageszeitung ausgeschnitten und aneinandergefügt. Ich las den Text wieder und wieder:

      wenn sie SilvesterfeiEr Bei cleo Sintesius besuchen werden sie als AmateurdeTektivin etwas sehr interessantes erleben

      Cleo Sintesius – ich kannte sie nur flüchtig, sie war eine junge Schauspielerin, die sehr im Kommen war. Sie hatte auf mich einen tiefen Eindruck gemacht, es war unzweifelhaft etwas ganz Besonderes an ihr: sie war so zart und licht, so sehr sensibel, ein überaus liebenswertes Mädchen. Es konnte mich schon reizen, den Silvesterabend bei ihr zu verbringen, wenn ich auch überzeugt war, dort nichts Geheimnisvolles oder gar Kriminelles zu erleben. Aber leider kannte ich Cleo nicht gut genug, um mich selber bei ihr einzuladen.

      Ich überlegte, wer wohl noch auf dieser Silvesterfeier sein würde. Helm Ritter natürlich, das war sicher. Helm Ritter war Cleos Partner in dem neuen Stück, ›Schneekönigin‹ von Jan Guntram, das Anfang Januar uraufgeführt werden sollte. Aber an Helm Ritter konnte ich mich noch weniger wenden, er war ein verschlossener und eigenartiger Mensch, aus dem man schwer klug werden konnte. Ich erinnerte mich gut, daß ich einmal bei einer Drehbuchbesprechung unvermittelt eine Frage an ihn gerichtet hatte, worauf er mich mit seinen eisblauen Augen gemustert hatte, daß ich mir wie ein lästiges und unangenehmes Insekt vorgekommen war. Nein, mit Helm Ritter war es auch nichts.

      Aber Robby! Ja, Robby würde mir sicher helfen. Er war der Freund von Helm Ritter, und wo Helm Ritter war, da würde auch Robby sein.

      Ich nahm das Telefonbuch vor, suchte Robbys Nummer heraus, wählte und wartete ein bißchen aufgeregt. Hoffentlich war es nicht Helm Ritter, der an den Apparat kam; die beiden wohnten ja zusammen. Aber es meldete sich niemand, weder Ritter noch Robby.

      Wo konnte Robby stecken? Im Theater? Das war ziemlich unwahrscheinlich. Auf der Redaktion? Auch unwahrscheinlich genug, aber immerhin, man konnte es versuchen.

      »Monte van Millendonk«, sagte ich, als sich eine weibliche Stimme meldete, »könnte ich Mr. Benett sprechen …? Ja, Mr. Robert S. Benett!«

      Absichtlich wählte ich die Bezeichnung ›Mister‹, denn ich wußte, daß Robby, der noch nie in Amerika gewesen war, dennoch oder vielleicht gerade deshalb, auf seine amerikanische Staatsangehörigkeit großen Wert legte.

      »Einen


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