Seewölfe - Piraten der Weltmeere 234. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 234 - Roy Palmer


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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-570-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Der Innenhof des Anwesens wurde von einem rundum verlaufenden Säulengang eingerahmt, in seinem Zentrum plätscherte ein marmorner Zierbrunnen. Agaven, Dattelpalmen und Mandarinenbäumchen ragten auf und reckten ihre sanft wippenden Blätter in den Nachthimmel.

      Es war eine laue Nacht. Die Zikaden zirpten laut und aufdringlich und schienen überall zu sein. Ein warmer Wind wehte von Süden, vom Rif-Gebirge und aus der Wüste her, zum Meer hinüber.

      Der Wächter, ein dicker Eunuch, schritt wie üblich mit watschelndem Gang vor der verschlossenen Verbindungstür auf und ab, die ins Hauptgebäude führte. Er hatte die Anweisung, niemanden passieren zu lassen, weder von der Seite des Haupthauses noch von der anderen Seite.

      Die andere Seite – das war ein richtiges Labyrinth von Kammern, Sälen und Fluren inmitten des großzügig und geräumig angeordneten Gebäudekomplexes. Es wurde von seinem Eigentümer wie ein Schatz von unermeßlichem Wert gehütet und geschützt.

      Keinem Mann außer ihm, Abu Al-Hassan, war es vergönnt, dort einzutreten. Ebensowenig durfte auch keine der Gefangenen dieses Verlieses, das Paradies und Hölle zugleich war, ihren Fuß in jenen Bereich setzen, der für sie als verboten galt.

      Zu dieser Sperrzone zählten die hinteren Nebenhäuser und Höfe, aber auch das Hauptgebäude, denn von dort aus gelangte man relativ leicht nach draußen, in die ersehnte Freiheit.

      Der Wächter hielt inne, als er jenseits des Brunnens eine schwache Bewegung wahrnahm. Er wandte sich halb um, hob lauernd den Kopf und kniff die Augen zusammen. Er sah eine Frau, die – vorschriftsmäßig verschleiert und in ein bodenlanges Seidengewand gehüllt – auf eine der Palmen zutaumelte und sich an deren Stamm festhielt.

      Täuschte ihn das fahle Mondlicht? Keine der Frauen, keins der Mädchen hatte die Erlaubnis, nach Einbruch der Dunkelheit noch in den Hof zu gehen, es sei denn, es gab einen triftigen Grund dafür.

      Er legte die rechte Hand an den Griff des großen Krummsäbels, der in seinem Gurt steckte, und schritt vorsichtig auf sie zu.

      Langsam sank sie an dem Stamm der Palme zu Boden und gab einen schwachen, gequälten Laut von sich. Plötzlich verschwand ihre Gestalt hinter der Marmorumrandung des Brunnens.

      Der Eunuch bewegte sich rascher voran, seine Körpermassen gerieten in wabbelnde Bewegung. Er umrundete den Brunnen und blieb betroffen bei der Frau stehen, die Arme und Beine von sich gestreckt hatte und scheinbar völlig leblos vor ihm lag. Mit verdutzter Miene beugte er sich über sie.

      So entging ihm die zweite Gestalt, die sich, von Säule zu Säule pirschend, vor ihm verbarg. Seine Aufmerksamkeit war derart durch die offenbar verletzte, kranke, irgendwie hilfsbedürftige Frau gefesselt, daß er auch jetzt den Schatten nicht bemerkte, der sich hinter seinem Rücken aus der tiefen Finsternis des Ganges löste und auf ihn zuschob – ein lautloser Schemen, gleichfalls mit Gewand und Schleier angetan.

      Er streckte seine linke Hand aus und berührte den Schleier der zusammengebrochenen Frau, die seiner Meinung nach ohnmächtig war. Behutsam lüftete er ihn und betrachtete die verzerrten Züge. Ein paar lange schwarze Haare hingen ihr wirr ins Gesicht.

      Melinda, dachte er, die Spanierin.

      Daß sie noch lebte, verriet ihm ihre feste, hochgewölbte Brust, die sich in schnellen Abständen hob und senkte.

      Sein Mund verzog sich zu einem verächtlichen Grinsen. Aus Erfahrung wußte er, daß es hin und wieder zu solchen überraschenden Anfällen von Übelkeit und Unwohlsein bei den Frauen kam, die immer nur auf eine Ursache zurückzuführen waren. Abu Al-Hassan hatte schon eine ganze Reihe von männlichen und weiblichen Abkömmlingen in die Welt gesetzt. Sie wurden allesamt im nahen Melilla großgezogen und von Lehrern und Scherifen „im rechten Glauben des Islams unterrichtet“, wie Abu Al-Hassan selbst immer wieder zu sagen pflegte.

      Der Eunuch erhob sich. Er mußte Ulad, den Glatzkopf, Mechmed, den Berber, oder Abu höchstpersönlich unverzüglich benachrichtigen.

      Die zweite Frau war in diesem Augenblick genau hinter ihm und ließ den schweren kupfernen Kerzenhalter, den sie als Waffe aus dem Harem mitgenommen hatte, auf das Haupt des Wächters niedersausen. Sie traf und quittierte sein Stöhnen und Zusammenbrechen mit einem dumpfen Laut der Genugtuung.

      Die erste erwachte urplötzlich wieder zum Bewußtsein, richtete sich auf und beugte sich über die Gestalt des Eunuchen, um ihm den Säbel und das Messer abzunehmen.

      „Sehr gut, Sieglinde“, flüsterte sie auf spanisch.

      „Töte ihn“, zischte Sieglinde, die Deutsche, die den Kerzenhalter jetzt hatte sinken lassen.

      „Nein, das kann ich nicht.“

      „Gib mir den Säbel.“

      „Laß uns die anderen benachrichtigen“, raunte Melinda. „Es wird höchste Zeit.“

      „Behalte du das Messer“, sagte Sieglinde. „Gib mir den Säbel und lauf los. Wo ist der Schlüssel?“

      „Hier, an dem Bund, den er am Gurt trägt.“

      „Gut.“ Sieglinde duckte sich jäh. „Paß auf.“

      Die Tür zum Harem wurde plötzlich von innen her geöffnet. Ein schmaler Streifen Licht fiel in den Gang und auf den Hof. Es erschien ein Eunuch, der sich mißtrauisch nach allen Seiten umblickte.

      Melinda und Sieglinde kauerten hinter dem Brunnen. Der Eunuch sagte den Namen des Hofwächters dreimal, jedesmal ein wenig lauter als vorher, fragend, besorgt, mit wachsender Unruhe.

      „Er hat unser Verschwinden vorzeitig bemerkt“, wisperte Melinda. „Himmel, unser schöner Plan. Wie sollen wir Luisa, Janine, Victoria und die anderen nun noch befreien? Gleich schreit er los, gleich ist hier der Teufel los.“

      „Wir müssen allein flüchten“, zischte Sieglinde. „Es hat trotzdem noch einen Sinn, denn wir können von außen Hilfe holen. Was wir tun, wird nicht umsonst sein.“

      Sie kroch um den Brunnen herum, als sich die Schritte des zweiten Eunuchen auf sie zubewegten. In der einen Hand hatte sie den schweren kupfernen Leuchter, in der anderen den Säbel.

      Als der Eunuch wie vom Donner gerührt stehenblieb, weil er die Füße seines Genossen hinter dem Marmorbecken hervorragen sah, schob Sieglinde sich neben ihm hoch, rammte ihm das obere Ende des Leuchters in die Seite


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