Seewölfe - Piraten der Weltmeere 178. Kelly Kevin

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 178 - Kelly Kevin


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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-514-9

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

      1.

      Die eisige Luft stach wie mit tausend Nadeln in die Lungen. Von Nordwesten pfiff und jaulte der böige Wind, jagte Nebelschwaden und tiefhängende Wolkenfetzen vor sich her und orgelte durch das Rigg der „Isabella“, als wolle er auf den straff gespannten Wanten und Pardunen zum Tanz aufspielen. Einem gespenstischen Höllentanz, bei dem die Galeone zum hilflosen Spielball der Elemente wurde.

      Den Schneesturm der letzten Tage hatten sie überstanden. Der glitzernde Reif, der Masten, Rahen, Stage und jeden Zoll der Planken überzog und sie in ein schimmerndes Geisterschiff verwandelte, konnte ihr nicht viel anhaben. Aber rings um den Schiffsrumpf knirschte und knackte das Eis, schob, knisterte und mahlte und schloß seinen tödlichen Würgegriff immer fester und gnadenloser um die „Isabella“.

      Schlapp und nutzlos hingen die Segel im Gei.

      Nicht mehr die Seewölfe bestimmten den Kurs, nicht einmal der Wind, sondern nur noch das riesige Eisfeld, das sie eingeschlossen hatte. Unaufhaltsam driftete es nach Nordwesten. Noch war die Küste nah, aber wenn sie keinen Ausweg fanden, würden sie ans Ende der Welt treiben, in eine eisige Hölle, die noch keines Menschen Auge erblickt hatte.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und kniff die Augen vor dem kalten Wind zusammen.

      Wie viele Wochen dauerte ihre Irrfahrt durch den höchsten Norden jetzt eigentlich schon? Er rechnete nicht nach. Sie hatten die Hölle erlebt und endlos gegen die mörderische Natur gekämpft, bis sich endlich ein Hoffnungsschimmer zeigte: die Wasserstraße nach Süden, die ihnen den Weg in den pazifischen Ozean öffnen würde. Sie mußte da sein. Denn die „Isabella“ war auf Menschen gestoßen, die von der Westküste der Neuen Welt kamen, die mit ihrem Schiff, genau wie die Seewölfe auf der anderen Seite des Kontinents, von furchtbaren Stürmen nach Norden verschlagen worden waren.

      Ein paar von diesen Menschen befanden sich immer noch an Bord.

      Martin Trieberg, der deutsche Kapitän des Walfängers „Helsingborg“. Sein Todfeind Black Jack Jayhawk, der Anführer einer Bande skrupelloser Goldsucher, die die „Helsingborg“ durch Meuterei an sich gebracht und Kapitän und Besatzung im Eis ausgesetzt hatten. Björn Springdaal, der Schwede, der im entscheidenden Kampf auf der Seite der Seewölfe gewesen war. Und die rothaarige, rätselhafte London-Lilly mit ihrem zwölfjährigen Töchterchen – eine hartgesottene Abenteuerin auf der Suche nach ihrem verschollenen Mann.

      Jetzt, angesichts der neuen Bedrohung, dachte der Seewolf nicht mehr über die Vorsehung nach, die die Schicksale all der Menschen auf so seltsame Weise miteinander verknüpft hatte.

      Die „Isabella“ mußte aus dem Eis freikommen, oder sie würde geradewegs dem Teufel ins Maul fahren.

      Und es mußte schnell geschehen, sehr schnell! Denn selbst jetzt, gegen Ende des kurzen Polarsommers, waren nur die Küstengewässer einigermaßen eisfrei. Je weiter die Galeone nordwärts driftete, desto geringer wurden ihre Chancen – und irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, da keine Macht der Welt sie mehr aus der eisigen Umklammerung retten konnte.

      Big Old Shane, der ehemalige Schmied und Waffenmeister der Feste Arwenack, umklammerte mit seinen mächtigen behandschuhten Fäusten die Schmuckbalustrade.

      „Drecksgegend“, murmelte er durch die zusammengebissenen Zähne. „Ich glaube, wir driften immer näher an die ‚Helsingborg‘ heran, eh?“

      Der Seewolf nickte.

      Die „Helsingborg“ war nur noch ein Wrack und saß im Eis fest. Die Goldsucher hatten sie aufgeben müssen. Sie waren in die gleiche verzweifelte Lage geraten wie die Männer, die sie kaltblütig ausgesetzt hatten und in letzter Minute von der „Isabella“ gerettet worden waren. Aber ohne die „Helsingborg“, das wußte Hasard, würden die Seewölfe wohl immer noch mit gebrochenem Besanmast und zerfetzter Ruderanlage auf einem Riff sitzen. Mit Bordmitteln waren die Schäden nicht zu reparieren gewesen. Der wracke Walfänger hatte das nötige Holz geliefert – nach einer Expedition über das Eis, die ohne die Hilfe der gastfreundlichen Eskimos mit ihren Hundeschlitten unmöglich gewesen wäre.

      „Wir müssen endlich freikommen, und wenn wir das ganze verdammte Eisfeld sprengen“, sagte Hasard verbissen. „Am besten versuchen wir, zu Fuß die nächste Wasserstraße zu erkunden und …“ Er unterbrach sich.

      Ben Brighton, Bootsmann und Erster Offizier der „Isabella“, enterte den Niedergang hoch. Genau wie die meisten anderen trug er Hosen aus Rentierfellen, eine zottige Eisbärenjacke, Stiefel, Handschuhe und Fellmütze.

      Zeitweise hatte es das Wetter erlaubt, einen Teil dieser Vermummung abzulegen. An Land hatten sie einmal sogar blühendes Moos gesehen – in Farben, deren Leuchtkraft jeden südlichen Garten übertraf. Jetzt war die Temperatur wieder drastisch gefallen, und der von Ferris Tucker konstruierte Silberbarren-Ofen bildete den unbestrittenen Mittelpunkt des Bordlebens.

      Ben Brighton kratzte sich am Kopf – oder vielmehr an der zerzausten Fellkapuze.

      „Verdammt kalt, Sir!“ schrie er gegen das Pfeifen des Windes an. „Vielleicht sollten wir diese miese Kakerlake doch mal zeitweise aus der Vorpiek lassen, bevor er da zum Eisblock wird.“

      Mit der „miesen Kakerlake“ meinte er Jack Jayhawk, den Anführer der Goldgräber.

      Der schwarze Jack hatte seine Komplicen in eine Meuterei gehetzt und versucht, sich auch die „Isabella“ unter den Nagel zu reißen. Durch einen ganz schmutzigen Trick, indem er die beiden Söhne des Seewolfs als Geiseln benutzte. Aber Philip und Hasard, die achtjährigen Zwillinge, hatten das entscheidende Gespräch der Meuterer belauscht. Die rothaarige London-Lilly sagte sich endgültig von den gewissenlosen Halunken los, Björn Springdaal schlug sich auf die Seite der Seewölfe – und der heimtückische Plan mußte scheitern.

      Jayhawks Komplicen waren mit einem Schlittengespann geflohen – dem Geschenk der Eskimos an die „Isabella“-Crew.

      Den schwarzen Jack hatte Hasard vor die Wahl gestellt, entweder seinen Kumpanen in die Wildnis zu folgen oder in der Vorpiek gefangengesetzt zu werden. Da er wußte, daß die Männer mit dem Schlitten nur eine dünne Überlebenschance besaßen, hatte Jayhawk die Vorpiek gewählt. Eigentlich verdiente er die Rahnock, aber von den Seewölfen wollte sich niemand die Hände an ihm beschmutzen.

      Martin Trieberg, auf den sie in der Eskimosiedlung gestoßen waren, hatte dem Kerl zwar den Tod geschworen, aber der Kapitän aus dem Schwarzwald war ein aufrechter Mann, der nicht daran dachte, sich an einem wehrlosen Gefangenen zu vergreifen.

      In der Vorpiek der „Isabella“ erlebte der schwarze Jack ohnehin die Hölle, daran änderten auch die Felldecken nichts, die man ihm gegeben hatte.


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