Seewölfe - Piraten der Weltmeere 475. Roy Palmer
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Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-883-6
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Roy Palmer
Verdammt zum Sterben
Er gestand unter der Folter – aber sein Tod war schon sicher
Das nächste Opfer ankerte auf der Reede vor Havanna – eine Handelsgaleone aus Calais. Aber Jean Ribault war nicht gewillt, einen Landsmann von Küstenwölfen überfallen und ausplündern zu lassen. Und darum warnte er den französischen Kapitän. Aber auch den Küstenwölfen legte er das schmutzige Handwerk, das sie im Auftrag des neuen Gouverneurs betrieben. Zusammen mit Roger Lutz pirschte er sich zu den zehn Jollen der Kerle, mit denen sie zu mitternächtlicher Stunde über ihre nichtsahnenden Opfer herfielen, betäubte die beiden Wachen und bohrte die Boote an. Die Löcher wurden mit Werg verstopft, aber die Boote würden Wasser ziehen, sobald die Kerle unterwegs waren. Und so geschah es auch. Dieses Mal wartete der Gouverneur vergeblich auf die Beute …
Die Hauptpersonen des Romans:
Alonzo de Escobedo – der Gouverneur von Kuba hat eine neue Idee, sich zu bereichern.
Jussuf – kümmert sich um seine Täubchen und horcht sich in Havanna um.
Miguel Cajega – der Fuhrunternehmer wird in die Residenz bestellt und einem Verhör unterzogen.
Jean Ribault – tritt mit Roger Lutz einen Marsch nach Süden an, der an einem Wasserfall endet.
Arne von Manteuffel – hat Vermutungen und kombiniert richtig.
Inhalt
1.
Pablo Mendez und José Farina, zwei spanische Seesoldaten, waren am Vormittag des 6. Mai 1595 im Hafen von Havanna mit routinemäßigen Arbeiten an Bord einer der Wachschaluppen beschäftigt. Die einmastigen Schaluppen patrouillierten normalerweise vor der Hafeneinfahrt – jeweils acht, die im achtstündigen Turnus abgelöst wurden. Aufgabe der Besatzungen war es, einlaufende Schiffe zu kontrollieren und ausländische, also „nichtspanische“ Segler so lange auf der Reede vor dem Hafen festzuhalten, bis der Gouverneur entschieden hatte, ob die Kapitäne dieser Schiffe die Genehmigung zum Einlaufen erhielten oder nicht.
Hinter dieser offensichtlichen Schikane verbarg sich ein verbrecherisches Komplott. Der Gouverneur von Kuba hatte es darauf angelegt, sich auf schnelle Weise zu bereichern. Deshalb ließ er Handelsfahrer, die nicht unter spanischer Flagge segelten, nachts ausplündern. Die Beute wurde in die Gouverneurs-Residenz an der großen Plaza im Zentrum von Havanna gebracht.
Ein Handlanger des Gouverneurs war der Teniente, der als Flottillenchef der Wachboote fungierte. Dieser Mann kontrollierte die Schiffe auf der Reede und konnte auf diese Weise ausspähen, bei welchen sich ein Fischzug lohnte und bei welchen nicht.
Ferner gehörten zum Kreis der Verbündeten die Küstenwölfe, die nachts mit ihren Booten über die ahnungslosen Opfer herfielen, und die Maultiertreiber, deren Aufgabe es war, die an Land verfrachteten Beutegüter in die Residenz zu transportieren.
Jetzt aber war der Teniente verschwunden. Spurlos – keiner wußte, wo er war. Auch Mendez und Farina hatten keinen diesbezüglichen Verdacht, obwohl sie allerlei ahnten, was die geheimen Aktivitäten des Gouverneurs betraf.
„Paß auf“, sagte Mendez halblaut zu Farina, während er ein Tau aufschoß, „das gibt jetzt Verdruß.“
„Für wen denn, für uns vielleicht?“ fragte Farina, der ein wenig schwerfälliger im Denken war.
„Ach wo“, erwiderte Mendez verstohlen grinsend. „Aber für den Gouverneur. Der hat sich eingebildet, so schlau und gerissen wie Don Antonio zu sein. Aber er wird noch einsehen müssen, daß er kein so großer Fuchs ist, wie er glaubt.“
„Aber wo, zur Hölle, steckt der Teniente?“
„Vielleicht hat ihm jemand das Maul gestopft“, brummte Mendez. „Für immer, meine ich. Vorstellen könnte ich es mir. Er hat seine vorlaute Klappe wieder mal zu weit aufgerissen, und irgend jemandem hat das nicht gepaßt.“
„Dem Gouverneur, meinst du?“ fragte Farina verblüfft.
„Ach, ich weiß es nicht“, entgegnete Mendez. „Vielleicht ist er ja auch in der Residenz, und sie hecken gerade wieder eins ihrer krummen Geschäfte aus.“
„Und deswegen fehlt er beim Appell?“
„Frag nicht so blöd!“ zischte Mendez, dem die Bemerkungen des anderen allmählich auf den Geist gingen. „Ich bin kein Hellseher. Ich kann nur so einiges vermuten.“
Immer wieder blickten sie zum Kai. Dort stiefelten die Offiziere der Hafenwachbehörde auf und ab und warteten auf den Teniente, damit die Befehlsausgabe erfolgen konnte. Dazu gehörte auch die Einteilung der Wachtörns für die Schaluppen. Da aber der Teniente nicht erschienen war, lagen die Einmaster vorläufig noch an den Piers.
Auch bei den anderen Seesoldaten herrschte Ratlosigkeit. Wo war der Teniente? Keiner wußte es – auch die Männer der Teniente-Schaluppe nicht. Sie ahnten von den Machenschaften des Tenientes sicherlich mehr als alle anderen, doch wo der Mann abgeblieben war, war auch ihnen nicht bekannt.
Es wurde gemunkelt in Havanna, seit der neue Gouverneur Alonzo de Escobedo im Amt war. Es war erst knapp zwei Wochen her, seit der ehemalige Gouverneur Don Antonio de Quintanilla Havanna verlassen hatte. Don Antonio war an Bord einer Galeone, die zu einem großen Konvoi gehörte, zum Vaterland Spanien unterwegs – denn ihm wurde die große Würde zuteil, von Seiner Allerkatholischsten Majestät Philipp II. höchstpersönlich zum Vizekönig von Neu-Spanien und Neu-Granada ernannt zu werden. Als seinen Nachfolger hatte er de Escobedo eingesetzt, der vormals Hafen- und Stadtkommandant von Havanna gewesen war.
Daß Don Antonio Spanien nie erreichen würde, weil er Philip Hasard Killigrew, dem Seewolf, in die Hände gefallen war, wußte in Havanna niemand. Es war nicht einmal den Männern der „Goldenen Henne“ bekannt, die inzwischen – nach einigen Widrigkeiten – im Hafen eingetroffen waren. Sie hatten von Arne von Manteuffel nur erfahren, daß der dicke Don Antonio Havanna mit dem Geleitzug verlassen hätte.
Alonzo de Escobedo kannte keine Skrupel, in diesem Punkt glich er Don Antonio. Nur war die Art, nach der er aus allem Kapital zu schlagen trachtete, anders. Don Antonio, der rein äußerlich schon wie der Inbegriff der Korruption wirkte, hatte es auf höchst raffinierte Weise verstanden, sich seine Pfründe zu schaffen und zu erhalten.
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