Seewölfe - Piraten der Weltmeere 205. Roy Palmer
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© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-541-5
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Inhalt
1.
Wie vom Donner gerührt stand Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, auf dem großen freien Platz, der sich zwischen den Holzhütten und der geräumigen Hafenbucht des spanischen Gefangenenlagers erstreckte.
Nur wenige Zoll neben seinem rechten Stiefel lag der Degen, den er soeben auf Don Felix Maria Samaniegos Befehl hin hatte fallen lassen müssen.
Es war aus.
Der Kampf, den Hasard an der Spitze seiner Männer so kühn begonnen und durchgefochten hatte, war verloren. Die Spanier waren als Sieger daraus hervorgegangen, und dabei hatte doch alles so ganz anders kommen sollen.
Hasard hatte Sumatra-Jonny und die anderen in Ketten liegenden Engländer, aber auch einige Franzosen und Holländer aus dem Palisadenlager und dem zum Teil fertiggestellten Festungsneubau von Airdikit auf Sumatra befreien wollen, aber das hatten der Kommandant und seine Soldaten gründlich zu vereiteln verstanden – und auch Ben Brighton und die anderen Männer der Crew, die draußen auf See an Bord der „Isabella VIII.“ warteten, konnten dagegen nichts mehr unternehmen.
Jetzt würden auch Hasard und seine Männer in Ketten gelegt werden, und man würde sie mit Peitschenhieben dazu zwingen, das Kastell zu errichten, von dem aus die Spanier eines Tages den Süden der großen Insel und die gesamte Mentawaistraße kontrollieren und beherrschen wollten.
Aber das war noch lange nicht das Schlimmste. Zwei von Hasards sieben Männern, die an diesem verwegenen Raid teilgenommen hatten, hatten die Niederlage mit ihrem Blut bezahlt.
Blacky lag reglos auf der dunklen Erde, die Soldaten hatten ihn hergeschleppt und soeben zu Boden sinken lassen. Ein Musketenschuß hatte ihn getroffen. Die Wunde schien sich unterhalb seiner rechten Schulter zu befinden, soweit der Seewolf erkennen konnte. Blacky verlor viel Blut, und es würde immer mehr werden, was im weichen, warmen Untergrund versickerte.
Ferris Tucker konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, er kniete mehr, als daß er stand, obwohl zwei Soldaten ihn fest im Griff ihrer Hände hielten. In seiner Brust war ein häßliches, düsteres Loch. Er hatte die Augen weit aufgerissen und öffnete in diesem Augenblick den Mund, als wollte er seinem Kapitän etwas zurufen.
Er brachte jedoch nur ein unterdrücktes Röcheln hervor.
Don Felix trat mit zwei Schritten zwischen den Seewolf und die breite Front seiner Soldaten und hob den Kopf. Sein schmales Gesicht mit den scharfgeschnittenen Asketenzügen nahm den Ausdruck des Triumphes und der Genugtuung an.
Heiß blies der Sturmwind über die Lichtung und griff nach Hasards schwarzen Haaren. Er zerrte daran und schien ihm höhnisch in die Ohren zu heulen: Du hast verloren, bist ein Versager, ein Versager auf der ganzen Linie!
Erst jetzt wurde dem Seewolf bewußt, daß er sich grenzenlos leichtsinnig benommen hatte. Während Don Felix seinen Männern Worte der Anerkennung zurief, überschüttete er sich in seinen Gedanken mit Selbstvorwürfen.
Dabei hatte alles vielversprechend und mit den besten Aussichten auf einen vollen Erfolg begonnen.
Am frühen Morgen hatte die „Isabella VIII.“ die südliche Küste von Sumatra erreicht. Unter dem Einfluß des stürmischen Windes und dem drohenden Ausbruch eines schweren Wetters hatte der Seewolf dicht unter Land manövrieren lassen, um nötigenfalls in eine geschützte Ankerbucht verholen zu können.
So hatten die Männer der „Isabella“ aus reinem Zufall Morgan Young, den entflohenen Kettensträfling, entdeckt und ihn aus dem Wasser gezogen, ehe seine Verfolger oder die gefährlichen Salzwasserkrokodile über ihn herfallen konnten. Young war nur leicht am Bein verletzt worden.
Er hatte alles erzählt: wie sie in der Nacht zu zweit aus dem Palisadenlager geschlüpft waren, nachdem sie sich von ihren Ketten hatten befreien können, wie sie aber die Verfolger dicht im Nacken gehabt hatten. Romero, der junge Spanier, war von den Soldaten erschossen worden, bevor er sich wie Young im Dschungel hatte verstecken können.
Dann hatten die Seewölfe zu ihrer Überraschung erfahren, daß auch Sumatra-Jonny und zehn Männer seiner neuen Crew im Lager der Spanier festsaßen und zur Fronarbeit gezwungen wurden. Wie Jonny mit der „San Rosario“ hierhergeraten war, obwohl er doch die beiden seinerzeit von den Spaniern entführten Maori-Mädchen zurück nach Neuseeland hatte bringen sollen, war Hasard und seinen Männern unbegreiflich, aber das stand auf einem anderen Blatt.
Es galt weiterhin, Youngs Gefährten Trench, Josh Bonart, Sullivan und Christians sowie alle Holländer, Franzosen, Spanier und auch Portugiesen aus der Gewalt der Soldaten zu befreien, die willens waren, an diesem waghalsigen Ausbruchsversuch teilzunehmen.
Hasard hatte eine Pinasse kapern können, deren Besatzung auf der Suche nach dem im Busch verschwundenen Morgan Young die Küste abgeforscht hatte. Die komplette Mannschaft – acht Spanier – saß jetzt gefesselt im Kabelgatt der „Isabella“. Hasard, Carberry, Shane, Blacky, Dan O’Flynn, Luke Morgan, Ferris Tucker und Smoky hatten ihre Plätze eingenommen und waren als Spanier verkleidet mit der Pinasse in die Hafenbucht von Airdikit gesegelt. Hier hatten sie schließlich auch die „San Rosario“, Jonnys Schiff, vor Anker liegen sehen.
Sie hatten an einer Pier vertäut und gehofft, unerkannt bis zur Hütte des Kommandanten Samaniego zu gelangen, die ihnen von Morgan Young genau beschrieben worden war, aber dann, urplötzlich, waren sie von den Soldaten auf der Pier entlarvt worden. Daher hatte Hasard einen Sturm auf das Lager unternehmen müssen – mit Musketen, Tromblons, Pistolen, Flaschenbomben und Blankwaffen.
Don Felix Maria Samaniego mußte es geahnt haben, daß die Männer der Galeone, die seine Landtrupps von der Küste aus beobachtet hatten, mit einem Trick in das Lager zu gelangen trachteten.
Hasard erhielt jetzt die Bestätigung dafür, daß er sich dies nicht nur einbildete.
Don Felix wandte ihm das Gesicht zu und sagte: „Killigrew, meine Leute sind nach der erfolglosen Jagd auf Morgan Young rechtzeitig genug hierher zurückgekehrt, um mir alles melden zu können. Und aus ihrer Beschreibung des Schiffes, das da draußen vor der Küste liegt, habe ich folgern können, daß es sich um die berüchtigte ‚Isabella‘ handelt. Woher ich sie kenne? Ich war eine Zeitlang in Manila stationiert, und dort hat man mir ausführlich von ‚El Lobo del Mar‘ und seinem Schiff erzählt. Ich konnte es mir an den zehn Fingern abzählen, daß Sie durch eine List die Sträflinge herauszuhauen versuchen würden. Darauf habe ich mich eingerichtet