Seewölfe - Piraten der Weltmeere 528. Burt Frederick
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© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-936-9
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Blutsgefährten
Sie kämpfen Seite an Seite – Chinesen, Holländer und die Arwenacks …
Die Mündungsblitze waren wie riesige Lanzen aus grellem Rot. Sie zuckten durch das Grau der Nebelschwaden, und es hatte den Anschein, als würden sie für die Dauer eines Atemzugs bewegungslos in diesem wabernden Grau stehen. Dann jedoch folgten das Donnern des Schusses und das Orgeln der heranrasenden Geschosse.
Kapitän Rien van Ommeren und seine Männer gewannen immer mehr den Eindruck, daß diese chinesischen Teufel über irgendwelche wundersamen Hilfsmittel verfügten. Wie anders war es erklärlich, daß sie trotz des verfluchten Nebels ständig feuerten und auch noch trafen?
Die Sekundenabstände, in denen die Kugeln aus den Dschunken-Geschützen in Beplankung und Verschanzungen der „Kroontje“ hämmerten, wurden immer geringer. Schon sah die sonst so stolze Galeone arg gerupft aus.
Doch Kapitän van Ommeren und seine Crew waren nicht von der Art, die sich voller Selbstmitleid in ihr Schicksal ergab. Wenn die Chinamänner tatsächlich im Nebel sehen konnten, dann hatte man als Gegengewicht auch einen beträchtlichen Vorteil – die zehnmal größere Feuerkraft der „Kroontje“ …
Die Hauptpersonen des Romans:
Rien van Ommeren – Der Kapitän der „Kroontje“ fährt auf eigene Rechnung und hofft auf großen Gewinn mit seiner Ladung, aber da hat er falsch kalkuliert.
Zhao Lun – Ein Rebellenführer, der wie Robin Hood kämpft und den reichsten der Reichen an den Kragen geht.
Jing Tse Wuan – Der ehemalige kaiserliche Hofbeamte lebt wie die Made im Speck und errichtet sich schon zu Lebzeiten eine Grabstätte, vor der die Nachwelt in Ehrfurcht versinken soll.
Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf übernimmt für den Rebellenführer einen Auftrag, der alles andere als ein Spaziergang wird.
Inhalt
1.
„Und noch immer keine Brandsätze! Verfluchter Mist!“ Ben Brighton verschränkte grimmig die Arme vor der Brust und blickte in die Waschküche hinaus, als könne er dort eine Möglichkeit entdecken, das eigentliche Ziel der China-Reise doch noch zu erreichen.
Der Seewolf zog die Brauen hoch und blickte seinen Ersten Offizier erstaunt an. Ben Brightons Art war es, die Umstände bedächtig abzuwägen und erst dann etwas zur jeweiligen Sache zu sagen, wenn er alles genau bedacht hatte.
Daß er jetzt – an diesem Morgen des 2. Oktober 1596 – so unverblümt fluchte, lag an dem Nebel, der erst vor einer Stunde heraufgezogen war. Die ganze Nacht über hatten klare Sichtverhältnisse geherrscht. Vor einem handigen Nordwest war die „Santa Barbara“ gute Fahrt auf Südkurs gelaufen. Sie hatten den Küstenbereich bei Haimen hinter sich gelassen. Mit dem Einsetzen des ersten Tageslichts hatte sich die Nebelbank vor ihnen ausgebreitet wie ein undurchdringlicher Wall.
Philip Hasard Killigrew hatte bis auf das Großsegel jegliches Tuch wegnehmen und beide Marse mit Ausgucks besetzen lassen. Überdies hockte Bill auf der Galion und stierte sich die Augen aus dem Kopf.
Die übrigen Arwenacks harrten auf der Kuhl und auf der Back aus. Gesprochen wurde nur das Notwendigste. Alle hatten das Gefühl, die „Santa Barbara“ gleite wie ein Geisterschiff durch das Nichts.
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann Old Donegal Daniel O’Flynn anfangen würde, seine ersten Gruselgeschichten zu erzählen. Nach früheren Bekundungen war er im Verlauf seines langen Seelebens schon jeder Menge Geisterschiffe begegnet. Da nun jeder wußte, daß die „Santa Barbara“ keins war, würde der alte O’Flynn über kurz oder lang eine Erscheinung sichten und jeden anderen für verrückt erklären, der nicht sah, was er sah.
„Nebel oder nicht Nebel“, sagte Hasard, „dadurch ändert sich an unserer Situation auch nichts.“
Ben Brighton erwiderte seinen Blick, und die Stirn des kräftig gebauten Mannes war dabei so zerfurcht, wie man es bei ihm selten erlebte.
„Selbst wenn wir uns noch so vorsichtig vorantasten, wir können jederzeit irgendwo aufbrummen. Und was dann? Dann sind wir noch miserabler dran als jetzt.“
Der Seewolf schüttelte energisch den Kopf.
„Du übertreibst mit deiner Schwarzseherei. Nach unserem Kartenmaterial ist in diesem Bereich nichts eingezeichnet. Absolut nichts. Keine Insel, keine Riffs, keine Untiefen. Außerdem siehst du selber, daß die Nebelbänke immer wieder aufreißen. Und unsere Ausgucks haben bestimmt nicht die schlechtesten Augen.“
Ben erwiderte: „Also gut. Ich gebe zu, daß mich der Nebel weniger plagt. Wir sind jetzt einen Monat in China, und was haben wir? Eine Gewürzladung. Gib zu, daß es nicht das ist, was wir uns vorgenommen haben.“
„Wir werden die Brandsätze kriegen“, sagte der Seewolf. „Verlaß dich drauf.“
Ben zog die Schultern hoch. „Deine Zuversicht in …“ Mitten im Satz brach er ab.
Auch Hasard stutzte.
Was da aus der Ferne herangrummelte, klang wie Donner. Kein Donner jedoch, der in der Wetterküche fabriziert worden war. Diese besondere Art von Donner kannten die Arwenacks wie kaum etwas anderes. Schließlich waren sie meist mittendrin, wenn so etwas passierte.
Bordgeschütze.
Gefechtslärm auf See.
Auch die Männer auf der Kuhl und auf der Back waren schlagartig aufmerksam geworden. Ihre Haltung spannte sich. Alle horchten, selbst Ed Carberry, der sonst seinen Gefühlen mit einem der gewohnten Sprüche Luft zu verschaffen pflegte.
Hasard und Ben blickten zu den Marsen hoch. Doch ratlose Gesten von Luke Morgan im Großmars und Bob Grey im Fockmars zeigten an, daß auch sie nicht mehr feststellen konnten als die Männer auf den Decks.
Die Richtung, aus der der Geschützlärm herüberdrang, war nur schwer zu bestimmen. Der Seewolf und sein Erster Offizier kannten das. In der durch den Nebel erhöhte Luftfeuchtigkeit übertrug sich