Nach der Erleuchtung: Boden wischen. Jan Frerichs
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Jan Frerichs
Nach der Erleuchtung: Boden wischen
Ein franziskanisches Alltagsprogramm
Franziskanische Akzente
herausgegeben von Mirjam Schambeck sf
und Helmut Schlegel ofm
Band 23
JAN FRERICHS
Nach der Erleuchtung:
Boden wischen
EIN FRANZISKANISCHES
ALLTAGSPROGRAMM
echter
Mein herzlicher Dank geht an Maria Zimmer-Geyer und Stefan Backes für die kritische Lektüre des Manuskripts und die wertvollen Anregungen und Korrekturen. Ebenso herzlich sei Eva Laux für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen gedankt sowie der Provinz Sankt Elisabeth der Franziskaner-Minoriten, OFM Conv. in Deutschland, für die finanzielle Unterstützung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2019
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Umschlagfoto: Shutterstock)
Satz: Crossmediabureau – http://xmediabureau.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05432-8
978-3-429-05056-6 (PDF)
978-3-429-06458-7 (ePub)
Inhalt
1. Was ist Alltagsspiritualität – und was nicht?
2. Aufbruch zwischen Ordnung und Unordnung
3. Das Christentum: eine Lebensschule
Nicht Kult, sondern Lebenshilfe
Gott lebt inmitten seines Volkes
Durch die Wüste in die Freiheit
Versuchung
Manna
Leben in Christus
Keiner soll mehr hungern
4. Franziskus: Leben als Stadteremit
Achtung: Abenteuer!
Das eigene Nichts fühlen
Gott: Nichts und Alles
Berufung
Gemeinschaft
Anarchie der Herzen
Frieden
Verwurzelt im Eremos
5. Ein Eremos-Programm für heute
Was ist ein Stadteremit?
Gebet (oratio) – das Herz klären
Hingabe (devotio) – den Kreis heilen
Buße (poenitentia) – geschwisterlich leben
6. Die zwei Berufungen
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
1. Was ist Alltagsspiritualität – und was nicht?
Als die Idee für dieses Buch entstand, war ich skeptisch. Eine christliche Spiritualität des Alltags? Und dann auch noch eine franziskanische? Kann man davon sprechen, ohne dass es billig oder oberflächlich wird? Mal ganz ehrlich: Franz von Assisi war kein alltäglicher Heiliger. Er zog sich nackt aus, ließ sein Leben als reicher Kaufmannssohn hinter sich, um fortan als Einsiedler in den Wäldern um die Stadt herum mit den Aussätzigen zu leben und Dinge zu tun, die ich gerade nicht als „alltäglich“ bezeichnen würde. Dazu zählen wochenlanges Fasten, stunden- und tagelanges Gebet in Felshöhlen und Ähnliches. Und Jesus? Er fordert seine Jünger auf, nichts mit auf den Weg zu nehmen. Keinen Geldbeutel, keine Ersatzkleidung, sprich: den Alltag mit allen Sicherheiten hinter sich zu lassen. Seine Jüngerberufungen bedeuten radikale Kehrtwenden. Er reißt die Angesprochenen mitten aus dem Leben. Sie lassen ihre Fischernetze liegen, um „Menschenfischer“ zu werden. Ein vollständiger Umbruch des bisher Dagewesenen. Jesus stellt die Welt auf den Kopf. Und später finden wir im Christentum immer wieder Beispiele für genau solche Bewegungen. Da sind radikale Männer und Frauen, die alles hinter sich lassen, um als Eremiten in der Wüste zu beten und Gott zu suchen.
Es sind solche Überlegungen, die mich am Sinn eines Buches über franziskanische „Alltagsspiritualität“ zunächst zweifeln ließen. Vor allem, wenn unter Alltag jene Zeit verstanden wird, die aus Routinen und Gewohnheiten besteht. Ein Alltag oder „tägliches Einerlei“, wie der Duden Alltag definiert, also das, was wir als grau empfinden mögen, uns aber zugleich ein wenig Sicherheit bietet vor dem Einbruch des vielen Nicht-Alltäglichen in unsere kleine Welt. Ist das, was wir Alltag nennen, nicht vielleicht sogar gerade unser Ort der Weltflucht, aus dem Gott uns herausrufen will in den immer je größeren Horizont? Ziehen wir uns nicht gerne in diesen grauen Alltag zurück, um uns nicht mit all den vielen Problemen befassen zu müssen, vor denen die Menschheit steht: Umweltzerstörung, Ausbeutung, Armut, Hunger, Krieg, Migration? Fürchten wir nicht geradezu den Einbruch von Katastrophen in unseren „sicheren“ Alltag: Unfälle, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Trennung, Tod? Wenn eine Spiritualität des Alltags nur dazu dienen sollte, uns ein gutes Gefühl zu geben, ein bisschen Wellness fürs Gemüt, ein bisschen Stillsitzen, um wieder „runterzukommen“ und das Deckchen eines fragwürdigen Friedens über alles zu legen – wäre das nicht eine Spiritualität des Wegschauens? Und braucht es nicht gerade heute Menschen, die furchtlos bereit sind, sich zu konfrontieren – eine Spiritualität des Hinschauens also?
Bei aller Skepsis war auch klar, dass es eine Spiritualität des Alltags natürlich geben muss. Jesus, Franziskus und alle spirituellen Meister und Meisterinnen haben in einem Alltag gelebt. Der Alltag gehört als „Werktag“ – wie der Duden ebenfalls definiert – notwendig zum Leben. Es ist die Zeit des Schaffens und der Arbeit, ohne die wir als Menschen nicht überleben würden. Eine Zeit, in der nichts „Besonderes“ geschieht. Freilich kann auch das schwer erträglich werden. Und wenn es die Weltflucht in den Alltag gibt, so gibt es auch die Alltagsflucht in die Welt, immer das Besondere, Aufregende, Neue suchend. Wenn die Gefahr besteht, im Alltag zu erstarren, so besteht sicher auch die Gefahr, außerhalb des Alltags abzuheben.