Freche Fee und lustiger böser König. Märchen. Hanns Heinz Ewers

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Freche Fee und lustiger böser König. Märchen - Hanns Heinz Ewers


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       Wenn du Mut hast, können wir solche Abenteuer, wie sie die Großmutter erzählt, selbst erleben, ich wüßte auch wo.

      Hanns Heinz Ewers

      Märchen

      Freche Fee und

      lustiger böser König

      Illustrationen von Elena Zjazeva

      Herausgegeben von Sven Brömsel

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art.

      1. Auflage eBook

      © Ripperger & Kremers Verlag, Berlin 2014

      Informationen über Bücher aus dem Verlag unter www.ripperger-kremers.de

      Alle Rechte vorbehalten

      Illustrationen: Elena Zjazeva

      Einbandgestaltung: Vera Eizenhöfer

      eBook-Epub

      ISBN: 978-3-943999-18-1

      Wie Otto Bender sich eine neue Großmutter kaufte

      Als Otto schon ein halbes Jahr auf der Schule war, geschah plötzlich etwas, das ihm eine ganz neue Welt eröffnete. Bis dahin war er sehr brav gewesen und immer der Erste in der Klasse. Schon ehe er zur Schule kam, hatte er zu Hause etwas Schreiben, Lesen und Rechnen gelernt, und da sein reicher Vater ihm auch jetzt noch einen Hauslehrer hielt, der alle Schularbeiten sorgsam mit ihm durchnahm, so war es kein Wunder, daß er seine Aufgaben immer am Schnürchen konnte. – Gern ging er gerade nicht in die Schule; die anderen Jungen mochte er nicht, da sie ihm zu schmutzig waren, und sie mochten ihn nicht, obwohl sie sehr zu ihm aufsahen, weil er so sehr vornehm war und weil er ihnen von dem Lehrer immer als »Muster« vorgestellt wurde.

      Aber zum Herbste kam ein neuer Junge in die Schule, der Joseph Quetschbüdel hieß; genannt wurde er immer »Jupp«. Jupp war noch viel schmutziger als alle anderen Jungen zusammen, er war so schmutzig, daß der kleine feine Otto sich die Nase zuhielt, wenn er ihn sah. Niemand mochte ihn zuerst leiden; aber Jupp verstand es, sich eine gewisse Achtung zu verschaffen, indem er gleich am ersten Tage drei Jungen durchprügelte. Am zweiten Tage stahl er Ottos schönes Schinkenbrot und aß es trotz des Widerspruchs des rechtmäßigen Besitzers ruhig auf. Und als er gar am dritten Tage zwei Stunden schwänzte, da war sein Ansehen in der Klasse völlig befestigt. Er erhielt dafür zwar von dem Lehrer eine tüchtige Tracht mit dem Rohrstocke, aber er heulte gar nicht dabei und erklärte nachher seinen Mitschülern, daß ihm das ganz gleichgültig sei, das fühle er doch nicht! Prügel erhielt er überhaupt fast jeden Tag, da er fast nichts lernte und nicht zu bewegen war, auch nur ein einziges Mal seine Schularbeiten zu machen.

      Mit diesem Jupp nun schloß Otto Freundschaft, und das kam so.

      Je höher Jupps Ansehen in der Klasse stieg, um so tiefer sank das von Otto – die Jungen nannten ihn den »feinen Otto« und neckten und schubsten ihn, wo sie nur konnten. Er fühlte, daß er etwas tun müsse, um seine Stellung wieder zu gewinnen und beschloß daher, mit Jupp anzubandeln. Otto war trotz seiner Bravheit gar nicht bange, so wenig vor Jupp wie vor einem anderen. Er wartete also nur eine Gelegenheit ab, und als Jupp ihm in der Pause wieder einmal sein Butterbrot weggenommen hatte, ging er auf ihn zu und erklärte ihm, daß er ihn durchhauen wolle, wenn er es ihm nicht sofort zurückgebe.

      »Seht doch mal den ›feinen Otto‹!« rief Jupp und lachte so laut, daß die ganze Klasse sich um die beiden versammelte.

      Otto sagte kein Wort mehr, er ballte seine kleine Hand und schlug seinen Gegner auf den Kopf. Der war aber auch nicht faul, er griff fest zu, und bald wälzten sich die Jungen in einem Knäuel am Boden herum. Nach einer Weile waren sie alle beide so erschöpft, daß sie einander losließen, keiner hatte den anderen untergekriegt. Sie standen wieder auf, um ein wenig zu verschnaufen; Jupp, der sich seinen Ellenbogen rieb, auf den er besonders hart gefallen war, bemerkte in Ottos Augen zwei dicke Tränen.

      »Er heult!« rief er triumphierend.

      »Dummer Betteljunge!« schrie Otto.

      »Was hast du denn besser wie ich?«

      »Nicht mal ein Butterbrot hat er!« höhnte Otto.

      »Wenn ich keins habe, nehme ich deins.«

      »Ein Betteljunge bist du, weiter nichts! Hast du vielleicht ein Pony, oder einen großen Hund oder einen Springbrunnen vor dem Hause?«

      »Das ist alles gar nichts!« erklärte Jupp ruhig, »aber hast du vielleicht eine Großmutter?«

      »Natürlich habe ich eine,« erwiderte Otto, »sie wohnt in Hamburg und war erst Pfingsten zu Besuch bei uns!«

      »Was?« höhnte Jupp und steckte die Hände in die Hosentaschen, »das soll eine richtige Großmutter sein? Richtige Großmütter wohnen nie in Hamburg! Sie sind immer zu Hause, sitzen im Lehnstuhl hinter dem Ofen und haben ganz krumme Finger! – Ich habe eine richtige!«

      Otto wurde stutzig, seine Großmutter saß allerdings nie im Lehnstuhle hinter dem Ofen, auch hatte sie keine krummen Finger. Ob sie wirklich gar keine richtige Großmutter war? – Inzwischen waren die anderen Jungen weggegangen, da trat Jupp ganz leise zu Otto heran und sagte ihm ins Ohr:

      »Wenn du mir zehn von deinen schönen Glasknickern gibst, kannst du meine Großmutter mithaben!«

      Otto drehte sich um:

      »Ich will deine Großmutter nicht.«

      »Du bist dumm!« antwortete Jupp. »So billig bekommst du nie wieder eine richtige Großmutter!«

      Dann kam der Lehrer herein, und die Lesestunde fing an.

      Jupps Großmutter kam Otto nicht aus dem Kopfe. – Er dachte den ganzen Tag an sie und in der Nacht träumte er davon. Und ehe er am anderen Morgen zur Schule ging, überlegte er sich, daß er ja über dreißig Glaskugeln habe, und daß er sicher noch mehr bekommen könne, wenn er seine Mutter darum bitten würde. Er steckte die Taschen voll und ging zur Schule.

      Als er Jupp sah, rief er ihn heran.

      »Hier sind zehn Knicker. Ich will deine Großmutter mithaben.«

      Jupp besah sich schweigend die Kugeln, eine nach der anderen, und steckte sie langsam in seine Tasche.

      »Diese da hat einen Sprung, dafür muß ich eine andere haben!«

      Otto gab noch eine andere, und Jupp steckte beide in die Tasche.

      »Wenn die Schule aus ist, kannst du mitkommen,« sagte er, »ich will dir die Großmutter zeigen.«

      Als es zwölf Uhr schlug, zogen die beiden Jungen aus der Schule. Jupp führte seinen neuen Freund durch alle möglichen engen Gassen, die dieser bis dahin noch nie gesehen hatte. Endlich kamen sie an ein großes, verfallenes altes Haus. Hinten im Hofe standen ein paar niedrige schmutzige Gebäude; in eins derselben ging Jupp hinein. Otto folgte ihm. Vom Gange aus öffnete Jupp ganz leise die kleine Türe eines Zimmers und ließ seinen Freund durch die Ritze sehen.

      Erst konnte Otto gar nichts erkennen, so dunkel war es in dem Raume. Allmählich unterschied er einen wurmstichigen alten Tisch, ein paar Stühle mit zerbrochenen Lehnen und einen wackeligen schwarzen Ofen, in dem ein qualmiges


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