Revolution und Konterrevolution in Deutschland . Friedrich Engels
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Friedrich Engels
Revolution und Konterrevolution in Deutschland
Impressum
Texte: © Copyright by Friedrich Engels
Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Mühlsdorfer Weg 25
01257 Dresden
Inhalt
I. [Deutschland am Vorabend der Revolution]
III. [Die übrigen deutschen Staaten]
IV. [Österreich]
VII. [Die Frankfurter Nationalversammlung]
VIII. [Polen, Tschechen und Deutsche]
IX. [Der Panslawismus – Der Krieg in Schleswig-Holstein]
X. [Der Pariser Aufstand –Die Frankfurter Nationalversammlung]
XI. [Der Wiener Oktoberaufstand]
XII. [Die Erstürmung Wiens – Der Verrat an Wien]
XIII. [Die preußische konstituierende Versammlung – die Frankfurter Nationalversammlung]
XIV. [Die Wiederherstellung der Ordnung – Reichstag und Kammern]
XVI. [Die Nationalversammlung und die Regierungen]
XIX. [Das Ende des Aufstandes]
I. [Deutschland am Vorabend der Revolution]
Der erste Akt des revolutionären Dramas auf dem europäischen Kontinent ist zu Ende. Die »Mächte der Vergangenheit« vor dem Sturm von 1848 sind wieder die »Mächte der Gegenwart«, und die mehr oder weniger populären Regenten, Triumvirn, Diktatoren, alle mit ihrem Gefolge von Abgeordneten, Zivilkommissaren, Militärkommissaren, Präfekten, Richtern, Generalen, Offizieren und Soldaten, sind an fremde Küsten verschlagen und »über See verschickt«, nach England oder Amerika, um dort neue Regierungen »in partibus infidelium«, europäische Komitees, Zentralkomitees, nationale Komitees zu bilden und ihr Kommen in Proklamationen anzukündigen, nicht minder feierlich als die eines weniger imaginären Potentaten.
Eine schwerere Niederlage als die, welche die Revolutionspartei – oder besser die Revolutionsparteien – auf dem Kontinent an allen Punkten der Kampflinie erlitten, ist kaum vorstellbar. Doch was will das besagen? Umfaßte nicht das Ringen des britischen Bürgertums um die soziale und politische Vorherrschaft achtundvierzig, das des französischen Bürgertums vierzig Jahre beispielloser Kämpfe? Und waren sie ihrem Triumph nicht gerade dann am nächsten, als die wiederhergestellte Monarchie sich fester im Sattel wähnte denn je? Die Zeiten jenes Aberglaubens, der Revolutionen auf die Bösartigkeit einer Handvoll Agitatoren zurückführt, sind längst vorüber. Alle Welt weiß heutzutage, daß jeder revolutionären Erschütterung ein gesellschaftliches Bedürfnis zugrunde liegen muß, dessen Befriedigung durch überlebte Einrichtungen verhindert wird. Das Bedürfnis mag noch nicht so dringend, so allgemein empfunden werden, um einen unmittelbaren Erfolg zu sichern; aber jeder Versuch einer gewaltsamen Unterdrückung wird es nur immer stärker hervortreten lassen, bis es seine Fesseln zerbricht. Sind wir also einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun, als wieder von vorn anzufangen. Und die wahrscheinlich nur sehr kurze Ruhepause, die uns zwischen dem Schluß des ersten und dem Anfang des zweiten Aktes der Bewegung vergönnt ist, gibt uns zum Glück die Zeit für ein sehr notwendiges Stück Arbeit: für die Untersuchung der Ursachen, die unweigerlich sowohl zu der letzten Erhebung wie zu ihrem Mißerfolg führten; Ursachen, die nicht in den zufälligen Bestrebungen, Talenten, Fehlern, Irrtümern oder Verrätereien einiger Führer zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand und in den Lebensbedingungen einer jeden, von Erschütterungen betroffenen Nation. Daß die plötzlichen Bewegungen des Februar und März 1848 nicht das Werk Einzelner waren, sondern der spontane, unwiderstehliche Ausdruck nationaler Bedürfnisse, die mehr oder weniger klar verstanden, aber sehr deutlich empfunden wurden von einer ganzen Anzahl von Klassen in allen Ländern – das ist eine allgemein anerkannte Tatsache; wenn man aber nach den Ursachen der Erfolge der Konterrevolution forscht, so erhält man von allen Seiten die bequeme Antwort, Herr X oder Bürger Y habe das Volk »verraten«. Diese Antwort mag zutreffen oder auch nicht, je nach den Umständen, aber unter keinen Umständen erklärt sie auch nur das Geringste, ja sie macht nicht einmal verständlich, wie es kam, daß das »Volk« sich derart verraten ließ. Und wie jämmerlich sind die Aussichten einer politischen Partei, deren ganzes politisches Inventar in der Kenntnis der einen Tatsache besteht, daß dem Bürger Soundso nicht zu trauen ist.
Überdies ist es vom historischen Standpunkt aus von größter Bedeutung, daß sowohl die Ursachen der revolutionären Erschütterung wie die ihrer Unterdrückung untersucht und dargestellt werden. All die kleinlichen persönlichen Zänkereien und Beschuldigungen, all die einander widersprechenden Behauptungen, Marrast oder Ledru-Rollin oder Louis Blanc oder ein anderes Mitglied der Provisorischen Regierung oder alle zusammen hätten die Revolution mitten in die Klippen hineingesteuert, an denen sie scheiterte – welches Interesse können sie bieten, welches Licht auf die Ereignisse werfen für einen Amerikaner oder Engländer, der all diese verschiedenen Bewegungen aus einer Entfernung beobachtete, die zu groß ist, um ihn Einzelheiten der Vorgänge unterscheiden zu lassen? Kein vernünftiger Mensch wird jemals glauben, daß elf Männer, zumeist von recht mittelmäßiger Begabung im Guten wie im Bösen, imstande seien, im Verlauf von drei Monaten eine Nation von sechsunddreißig Millionen zugrunde zu richten, es sei denn, diese sechsunddreißig Millionen waren sich über den einzuschlagenden Weg genauso im unklaren wie jene elf. Aber wie es kam, daß diese sechsunddreißig Millionen, obwohl sie zum Teil im ungewissen herumtappten, auf einmal berufen waren, nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, welcher Weg beschritten werden sollte, wie sie sodann in die Irre gerieten und ihre alten Führer vorübergehend wieder die Führung erlangen durften – das ist gerade die Frage.
Wenn wir also versuchen, den Lesern der »Tribune«