Utopia. Thomas Morus

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Utopia - Thomas Morus


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      Thomas Morus

      Utopia

      Impressum

      Texte: © Copyright by Thomas Morus

      Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke

      Verlag:

      Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

      Gunter Pirntke

      Mühlsdorfer Weg 25

      01257 Dresden

      [email protected]

      Inhalt

       Vorrede zu dem Werke über den besten Zustand des Staates

       Erstes Buch: Rede des trefflichen Raphael Hythlodeus über den besten Zustand des Staates, veröffentlicht von dem erlauchten Thomas Morus, Bürger und Vicecomes der rühmlich bekannten britischen Hauptstadt London.

       Zweites Buch: Des Raphael Hythlodeus Rede über den besten Zustand des Staates

       Inhaltlich Zusammenfassung des Werkes

      Thomas Morus grüßt seinen Peter Ägid aufs herzlichste.

      Fast schäme ich mich, mein liebster Peter Ägid, daß ich Dir dies Büchlein über den Staat von Utopien erst nach beinahe einem Jahre schicke. Hast Du es doch ohne Zweifel innerhalb von anderthalb Monaten erwartet, da mir ja, wie Du wußtest, bei diesem Werke die Mühe der Erfindung des Stoffes abgenommen war und ich mir auch in betreff der Gliederung nichts auszudenken brauchte. Denn ich hatte nur das wiederzugeben, was ich mit Dir zusammen Raphael gerade so hatte erzählen hören. Deshalb lag auch kein Anlaß vor, mich hinsichtlich des Stiles abzumühen. Raphael konnte sich ja gar nicht gesucht ausdrücken; denn erstens sprach er, ohne daß er es vorher wußte und sich vorbereiten konnte, sodann ist er, wie Du weißt, im Lateinischen nicht so zu Hause wie im Griechischen, und schließlich kommt meine Rede der Wahrheit um so näher, je mehr sie sich seiner nachlässigen und schlichten Ausdrucksweise nähert, und um die Wahrheit allein muß und will ich mich bei dieser Sache kümmern.

      Ich gebe denn auch zu, mein Peter, das, was ich vorfand, hatte mir so viel Arbeit abgenommen, daß fast nichts mehr zu tun übrigblieb. Andernfalls hätte ja auch Erfindung oder Gliederung des Stoffes nicht wenig Zeit und Studium eines nicht unbedeutenden und recht gelehrten Geistes erfordert. Würde man nun nicht bloß eine der Wahrheit entsprechende, sondern auch geschmackvolle Darstellung verlangen, so hätte ich das nicht leisten können, auch wenn ich all meine Zeit und all meinen Eifer aufgewendet hätte. So aber, da diese Schwierigkeiten wegfielen, die zu bewältigen viel Schweiß gekostet hätte, blieb einzig und allein die einfache Aufzeichnung dessen übrig, was ich gehört hatte, und das war wirklich keine Arbeit mehr. Aber selbst zur Erledigung dieser so unbedeutenden Arbeit ließen mir meine übrigen Geschäfte fast noch weniger als keine Zeit. Nehmen mich doch dauernd meine Gerichtssachen in Anspruch. Bald führe ich einen Prozeß, bald bin ich Beisitzer, bald schlichte ich einen Handel als Schiedsrichter, bald entscheide ich einen anderen als Richter, bald besuche ich diesen in einer amtlichen, bald jenen in einer geschäftlichen Angelegenheit. Während ich so fast den ganzen Tag außerhalb meines Hauses fremden Leuten und nur den Rest meinen Angehörigen widme, kann ich für mich, d. h. für meine Studien, nichts erübrigen. Denn komme ich nach Hause, so muß ich mit meiner Frau plaudern, mit den Kindern schwatzen und mit dem Gesinde sprechen. Alles das rechne ich zu meinen Pflichten, weil es erledigt werden muß. Es muß aber erledigt werden, wenn man nicht in seinem eigenen Hause ein Fremdling sein will. Man muß sich überhaupt Mühe geben, so liebenswürdig wie möglich zu denen zu sein, die einem die Natur als Begleiter auf dem Lebenswege vorgesehen oder die der Zufall oder eigene Wahl dazu gemacht hat. Nur darf man sie nicht durch Leutseligkeit verderben und die Diener nicht durch Nachsicht zu seinen Herren werden lassen. Über dem, was ich angeführt habe, geht ein Tag, geht ein Monat, geht ein Jahr hin. Wann also komme ich da zum Schreiben? Und dabei habe ich noch gar nicht vom Schlafen gesprochen und auch noch nicht einmal vom Essen, das bei vielen Leuten nicht weniger Zeit in Anspruch nimmt als der Schlaf, der fast die Hälfte der Lebenszeit für sich beansprucht. Aber für mich gewinne ich nur so viel Zeit, wie ich mir vom Schlafen und Essen abstehle. Weil das nur wenig ist, so habe ich die Utopia auch nur langsam fertiggebracht; weil es aber immerhin etwas ist, so ist sie doch nun endlich fertig geworden, und ich schicke sie Dir zu, damit Du sie liest und mich darauf aufmerksam machst, falls mir etwas entgangen sein sollte. Nun habe ich freilich in dieser Beziehung ziemlich viel Zutrauen zu mir – ich wollte, mit meinem Geiste und mit meinem Wissen stünde es ebenso wie mit meinem Gedächtnis, das mich nur manchmal im Stiche läßt –, doch ist mein Zutrauen nicht so groß, daß ich annehmen dürfte, mir könnte nichts entfallen sein. Denn auch mein Famulus, Johannes Clemens, hat mich sehr bedenklich gestimmt. Wie Du ja wohl weißt, war er damals dabei, und ich lasse ihn an jeder Unterhaltung teilnehmen, aus der er etwas lernen kann; denn von diesem Schößling, der im Lateinischen wie im Griechischen zu grünen begonnen hat, erhoffe ich dereinst einen guten Ertrag. Soviel ich mich nämlich erinnere, hat Hythlodeus erzählt, jene Brücke von Amaurotum über den Fluß Anydrus sei 500 Doppelschritte lang. Mein Johannes aber meinte, man müsse 200 abziehen; der Fluß sei dort nicht breiter als 300 Doppelschritte. Besinne Dich doch bitte noch einmal darauf! Wenn Du nämlich der gleichen Meinung bist wie Johannes, so will auch ich zustimmen und einen Irrtum meinerseits annehmen. Solltest Du aber selbst Dich nicht mehr besinnen können, so bleibt stehen, worauf ich mich selbst zu besinnen glaube. Wenn ich mich nämlich auch vor jeder falschen Angabe in dem Buche streng hüten will, so ziehe ich doch in Zweifelsfällen die Unwahrheit der Lüge vor, weil ich Tugend höher schätze als Klugheit. Freilich wäre dieser Schaden leicht zu heilen, wenn Du Raphael selbst mündlich oder schriftlich fragen wolltest. Das mußt Du sowieso tun wegen eines anderen Bedenkens, das uns gekommen ist, ich weiß nicht, ob mehr durch meine oder Deine oder Raphaels eigene Schuld. Denn weder ist es uns in den Sinn gekommen, danach zu fragen, noch ihm, es uns zu sagen, in welcher Gegend jenes neuen Erdteils Utopia liegt. Wahrhaftig, wie gern würde ich mit etwas Geld von mir diese Unterlassung ungeschehen machen! Denn erstens schäme ich mich ein wenig, nicht zu wissen, in welchem Meere die Insel liegt, von der ich so viel zu berichten weiß; sodann aber gibt es bei uns den einen und den anderen, vor allem aber einen frommen Theologen von Beruf, der darauf brennt, Utopia zu besuchen, nicht aus eitlem und neugierigem Verlangen, Neues zu sehen, sondern um die verheißungsvollen Keime unserer Religion dort zu pflegen und noch zu vermehren. Um dabei ordnungsgemäß zu verfahren, hat er beschlossen, sich vorher einen Missionsauftrag vom Papste zu verschaffen und sich von den Utopiern sogar zum Bischof wählen zu lassen. Dabei stört es ihn durchaus nicht, daß er sich um dieses Vorsteheramt erst bewerben müßte. Allerdings ist sein Ehrgeiz, wie er meint, deshalb gottgefällig, weil er nicht durch Rücksicht auf Ehre oder Gewinn, sondern durch Rücksicht auf die Religion bedingt ist.

      Deshalb wende Dich, mein Peter, ich bitte Dich darum, entweder mündlich, wenn es Dir ohne Umstände möglich ist, oder brieflich an Hythlodeus und sorge dafür, daß in diesem meinen Werke nichts Falsches steht oder nichts Wahres vermißt wird. Und vielleicht ist es besser, ihm das Buch selbst zu zeigen. Einerseits nämlich ist niemand anders ebenso imstande, einen etwaigen Irrtum zu berichtigen, anderseits kann er das selbst auch nur, wenn er durchliest, was ich geschrieben habe. Außerdem wirst Du auf diese Weise merken, ob er damit einverstanden ist, daß ich dieses Buch schreibe, oder ob er ärgerlich darüber ist. Falls er sich nämlich vorgenommen hat, seine Abenteuer selbst aufzuzeichnen, so möchte er vielleicht nicht – und ich bestimmt auch nicht –, daß ich ihm Duft und Reiz seiner Erzählung im voraus wegnehme, indem ich den Staat Utopia allgemein bekanntwerden lasse. Allerdings bin ich, wenn ich ganz offen sein soll, auch mir selber noch nicht recht im klaren, ob ich das Buch überhaupt erscheinen lasse. Denn der Geschmack der Menschen ist so verschieden, und manche sind so eigensinnig, so undankbar und so unsinnig in ihrem Urteil, daß offenbar die Leute viel glücklicher sind, die in Freude und


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