Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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Himmel sich aufgipfelnden Felskolossen werden jetzt

       die Trümmer der einst trotzigen Burgfeste Rheingrafenstein

       erblickt. Auf der Kauzenburg saß ein junger

       Rheingraf, jagdlustig, mutig, der wünschte sich eine

       Burg auf diesen ungeheuren Felsen, stattlich wie die

       Ebernburg und der Landstuhl der Sickinger, unnahbar

       dem Feinde – und mit solchen Wünschen weilte er

       einstens sehnend und sinnend in der Nähe der Felsriesen,

       deren Gipfel noch kein Mensch erstiegen hatte.

       Da gesellte sich einer zu ihm, den man nicht gern

       nennt, der las in des jungen Rheingrafen Seele den

       Wunsch und redete ihn an und sprach: Eine Burg da

       droben, eine schöne stattliche, feste, ja, die wär' Euch

       recht! Nicht so? Fehlt nur der Baumeister – ja – und

       wenn einer käme, und baute sie über Nacht – dem

       verschriebet Ihr wohl einen stattlichen Lohn? Was

       gäbet Ihr solchem? Sagt es an! – Ihr redet wunderlich,

       erwiderte der Rheingraf. Seid Ihr der Mann, der das

       vermag, so fordert und bestimmt den Lohn. – Nur

       eine einzige Seele – die Seele dessen, der zuerst

       durchs Fenster der neuen Burg herab ins Tal der Nahe

       und über alle die Täler und Berge ausschaut – das ist

       wohl wenig für eine stattliche Grafenburg. – Kommt

       heute abend wieder her, ich will es in Überlegung ziehen!

       sagte der Rheingraf und verließ gedankenvoll

       den Ort – eine Seele seinem Wunsche zu opfern,

       dünkte ihm sündlicher Frevel, und doch war sein

       Wunsch stark und groß. Daheim ließ er seinen Burgpfaffen

       kommen und offenbarte dem den Handel. Der

       Pfaffe schlug viele Kreuze und riet ernstlich ab, warnte

       gar treu vor des bösen Feindes List und Tücken

       und rückte sein schwarzes Käppchen auf dem Scheitel

       wohl hin und her. Da trat des Rheingrafen junges

       Ehegemahl herein und hörte das Gespräch und ließ

       erst den Pfaffen hinausgehen, dann sagte sie: Laß

       jenem nur gewähren, versprich ihm, was er begehrt,

       das andere findet sich. – Da ritt der Ritter wieder hinaus

       ins Nahetal und hielt ganz allein am Fuß der Felsen,

       und es dämmerte schon, oben aber sprang eine

       schwarze Gestalt von Fels zu Felsen, einer Gemse

       gleich, und mit einem Male stand der Fremde auch

       unten im Tale. Was machtest du da droben? fragte der

       Ritter. Ich nahm einstweilen die Maße, antwortete

       jener und fragte: Nun, soll ich? Fast hätte der Rheingraf

       gesagt: In Gottes Namen – da wäre es gleich aus

       gewesen – er besann sich und sagte bloß: Ja – aber

       bis morgen früh fertig, und daß nichts fehle, Bergfried,

       Mushaus, Palas, Luginsland, Mauern, Brücken,

       alles, was zu einer stattlichen Burg gehört. – Am andern

       Morgen glänzte die Burg flammenrot ins Nahetal

       herab, alle Welt war erstaunt, solch Wunder- und

       Zauberwerk war noch nicht da gewesen. Der Rheingraf

       ritt nun hinauf, und der Architekt der Nacht führte

       ihn in dem neuen herrlichen Eigentum umher, zeigte

       ihm Hallen und Säle, Brücken und Gänge und öffnete

       im Palas ein hohes Bogenfenster, die herrliche

       Aussicht bewundern zu lassen. Aber der Ritter sah

       nicht hinaus, er sagte spöttisch: Machet zu, hier

       zieht's, wir sind warm vom Steigen. Morgen wollen

       wir die Kauzenburg verlassen und hier heraufziehen.

       Ihr räumt wohl den Platz und nehmt ein Zimmer im

       Wächterturme? Nicht? – Der Teufel zog ein schiefes

       Maul, er hatte sich schon unendlich darauf gefreut,

       dem Rheingrafen einen Stoß aus dem Fenster in die

       schwindelnde Tiefe zu geben und mit dessen Seele davonzufahren.

       Am andern Morgen kamen der Rheingraf und die

       Gräfin, und der Burgkaplan, und das Hofgesinde, die

       Leibdiener, die Jäger, die Knappen, die Stallleute, die

       Wächter, die Hundejungen, die Hühnerwärter, die

       Schloßmägde, die Käsemutter, die Zwergin und die

       Pferde, die Kühe, die Esel, die Rüden, der Meeraffe,

       die Katzen. Es war ein Zug, schier gleich dem des

       Erzvaters Noah, da er in den Kasten einging, zu Roß,

       zu Esel, zu Wagen – alles auf das neue Schloß.

       Die junge Gräfin scherzte freundlich mit dem Burgkaplan,

       da droben werde es sehr zugig sein, sie wolle

       ihm ein wärmeres Käpplein nähen, er möge ihr das

       alte zum Muster einmal leihen – und als sie oben angelangt

       war, ließ sie durch die Knappen auch ein Eselfüllen

       hinauf in den Palas führen, und hieß es halten,

       und band ihm das Pfaffenkäpplein auf den Kopf,

       und ließ das Fenster öffnen und das Füllen daranstellen,

       das schaute gar fromm und bedächtiglich zum

       Fenster hinaus und spitzte die Ohren und witterte die

       frische Morgenluft. Der Teufel hatte lange schon still

       lauernd seitwärts gegenüber auf der Turmzinne gesessen,

       jetzt sah er das Fenster sich öffnen, sah des Pfaffen

       ihm wohlbekanntes Käppchen zum Vorschein

       kommen, und fuhr im Nu hin, und krallte seiner Meinung

       nach den Pfaffen heraus, und schmetterte ihn ins

       Tal, und fing die Seele auf. Herrgott, was der Teufel

       für einen Zorn hatte, als er von einer Tochter Evas

       sich überlistet sah und statt einer Pfaffenseele eine

       Eselsfüllenseele in den Klauen hielt! –

       80. Der Stiefel voll Wein

       Auf dem Steine, wo nun fortan dieser Rheingraf fröhlich

       hauste, ging es zum öftern gar hoch her. Da saßen

       eines Abends die Wild- und Rheingrafen und eine

       große Schar Ritter von den Nachbarburgen im Saale

       beisammen und zechten baß, und die Humpen kreisten.

       Da saßen Ritter von Sponheim, von Dhaun, von

       der Ebernburg, von Flörsheim, von Stromberg und

       tranken scharf und fest. Jetzt hob der Rheingraf einen

       mächtigen Reiterstiefel auf den Tisch und goß den

      


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