Wenn die Liesl reden könnte. Hans Pürstner
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Hans Pürstner
Wenn die Liesl reden könnte
Kindheit in der Nachkriegszeit
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Inhaltsverzeichnis
Der Tag, an dem die Knödel vom Himmel fielen
Als die Eislutscher auf die Tribüne flogen
Vorwort
Wenn sie denn reden könnte, da hätte sie so einiges zu erzählen, die „L i e s l“.
Majestätisch erhaben steht sie auf dem Grazer Schlossberg,
Unser Glockenturm, erbaut im Mittelalter. Stumm schaut sie herab, auf das beschauliche Städtchen Graz und seine großen und kleinen Bewohner. Wie auch auf das alte Mietshaus in der Neubaugasse 76 in der Nachkriegszeit.
Ein Haus, das als Neubau zu bezeichnen doch etwas vermessen gewesen wäre.
Doch für uns Kinder war es unser Reich, und der Obstgarten war die große Welt, die freie Natur. Hier sind wir aufgewachsen, erlebten spannende Abenteuer, die vier Jahreszeiten, das Leben und Sterben von Tieren und Insekten und vieles andere.
All dies habe ich in kleine und vergnügliche Geschichten gefasst, erzählt aus der Sicht eines kleinen Buben.
Wohl jeder Leser hat solche oder ähnliche Dinge in seiner Kindheit erlebt. Dieses Büchlein bringt ihn vielleicht dazu, sich wieder daran zu erinnern und mit Vergnügen und auch leiser Wehmut noch einmal nachzuempfinden.
Der Indianer mit Schlag
Jeden Sonntag frühmorgens um acht musste ich zur Kirche gehen. So gerne wäre ich noch im warmen Bett geblieben! Nicht um länger zu schlafen, nein, einfach nur unter der Bettdecke verkriechen, dösen, träumen. Träumen von der großen Welt. Von Amerika, wo die Indianer leben. Von Winnetou, von Iltschi, seinem Pferd, und Nscho-tschi, seiner Schwester.
Aber nein, wir mussten ja in die Kirche. Zum Gottesdienst. Da wo es so eigenartig riecht, wo man sich dauernd hinknien muss, auf so ´ne harte Bank.
Bei den Indianern muss sich bestimmt keiner hinknien. Dort sitzt man am Lagerfeuer und brät sich einen Vogel. Einen, den man selbst geschossen hat, mit Pfeil und Bogen. Mensch, muss der gut schmecken!
Aber, was soll´s, gehen wir eben in die Kirche. Da kommen wir bei der Konditorei vorbei! Wo es so leckeren Kuchen gibt. Nusskipferl, Punschkrapferl. Und Indianer mit Schlag. Indianer sind das Größte. Weicher Kuchenteig, mit dunkler Schokoglasur. Und gefüllt mit Schlagobers. Mmhh!
Weiter geht’s. „Nun geh schon, Hansi, wir kommen zu spät in die Kirche!“.
Die Indianer brauchen bestimmt nicht in die Kirche zu gehen. Die haben ja ihren Manitu, hinter den Bergen.
Oh je, jetzt kommt uns auch noch die Tante entgegen.
„Ja Hansi, was bist du groß geworden! Gehst schon in die Schule? Was willst du denn einmal werden?“
Ich will gar nichts werden. Ich will ein Indianer sein. Am Lagerfeuer sitzen. Die Indianer brauchen nichts werden, Die sind schon was. Tapfere Krieger, gute Jäger.
Was soll’s. Jetzt sind wir endlich da. In der Kirche kann ich mich wenigstens hinsetzen.
„Komm Hansi, steh schön auf für die Dame!“ Nichts ist´s mit dem hinsetzen.
Wenigstens muss ich mich dann nicht hinknien auf diese harten Bänke. Mein Gott, das riecht hier wieder komisch. Mir wird ganz schlecht. Schlecht vor Hunger. Auf einen Indianer. Mit Schlag.
Die Messe nimmt wieder kein Ende. Aber jetzt ist endlich Schluss.
Dank sei Gott dem Herrn, beten die Leute.
Gott sei Dank, denke ich mir. Auf geht’s, zurück nach Hause. Bei der Konditorei vorbei.
Ich möchte so gerne einen Indianer. Mit Schlag.
„Aber Hansi, du kannst doch jetzt keinen Kuchen essen! Dann hast du wieder keinen Appetit zum Mittagessen. Und wenn du nicht brav isst, wirst du nie groß und stark!“
Tja, wieder bei der Konditorei gewesen, wieder kein Indianer. Mit Schlag.
Heute bin ich groß und stark. Indianer mit Schlag könnte ich essen, so viele ich möchte. Aber ich esse keine Schlagsahne mehr. Die macht dick.
Und bei den Indianern in Amerika war ich auch schon.
Die sitzen gar nicht am Lagerfeuer, die sitzen im Wirtshaus. Und saufen. Bei den Indianern hab ich auch einen kleinen Jungen gesehen. Der musste zur Kirche gehen! Mit seiner Mutter!
Ich weiß nicht, ob es eine Konditorei gibt, in Amerika. Aber bestimmt durfte der Junge auch nichts essen. Damit er Appetit hat.
Auf