Von Drachen und Hexen. Inge Elsing-Fitzinger
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Inge Elsing-Fitzinger
Von Drachen und Hexen
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Inhaltsverzeichnis
Bert und der Drache
„Jetzt wird aber wirklich geschlafen, ihr Schlingel. Morgen heißt es wieder früh aufstehen. Die Ferien sind zu Ende und das Faulenzen auch. Nun beginnt wieder der Ernst des Lebens.“ Mama schaut schon zum dritten Mal ins Kinderzimmer. Die Rasselbande will einfach keine Ruhe geben.
Die Drillinge Axel, Bert und Claus kichern hinter der Bettdecke hervor. Opa hat ihnen gestern ein tolles Buch über Drachen und Saurier mitgebracht. Das Lesen war ja nicht gerade ihre Stärke, doch die Bilder dieser Urtiere begeisterten die Drei schon stundenlang. Da gab es welche, die auf zwei Beinen rennen konnten oder mit wehenden Flügeln über den Himmel brausten. Manche sahen richtig furchterregend aus mit ihren spitzen Schnäbeln und der Feuerfahne, andere aber waren winzig klein wie Eidechsen. Doch alle hatten einen glänzenden Panzer und oft auch Hörner, wie der Teufel.
Bert hat das Buch und eine Taschenlampe mit ins Bett genommen und blättert jetzt unter der Decke immer wieder darin herum. Opa hat erzählt, dass diese Ungeheuer vor langer Zeit auf der Erde lebten, als es noch keine Menschen gab. Doch irgendwann ist die Erde explodiert. Ein schreckliches Feuer verbrannte alle Bäume und natürlich auch alle Tiere. Dann wurde es aber auch so kalt, dass fast die ganze Erde wie ein riesiger Eislaufplatz aussah. Da gab es auch keine Tiere mehr. Aber es gibt sehr gescheite Männer, die immer wieder tief in der Erde buddeln und Knochen von diesen ausgestorbenen Tieren finden und untersuchen. Einige sind wirkliche Wissenschaftler, andere wollen sich nur interessant machen und schreiben halt dummes Zeug, das keiner versteht.
Dennoch ist Bert überzeugt, dass es diese Ungeheuer noch irgendwo geben muss. Wenn er groß ist, will er das unbedingt erforschen. Irgendwann fielen ihm dann doch die Augen zu und die Traumfee ließ ihn noch lange die schönsten Bilder sehen und erzählte ihm eine Menge interessante Dinge.
Bei den Chinesen zum Beispiel ist der Drache seit tausenden Jahren eine Gottheit. Sie sollen sogar von diesen Tieren abstammen, die ihre Ur-Ur-Ur- Großväter und -Großmütter waren. Der himmlische Drache ist der Beschützer der Götter und des Kaisers, der auf einem Drachenthron sitzt und in einem Drachenbett schläft. Wenn er Pipi muss, setzt er sich sogar auf ein Drachenklo. Er ist sehr mächtig und auch der Herrscher über Wind und Regen, über alle Seen, Flüsse und das Meer. Der Drache ist in Asien ein Zeichen für Glück und Frieden. Er ist freundlich und intelligent. Er sieht eher aus wie eine Riesenschlange mit vier Beinen.
Unterirdische Drachen hüten verborgene Schätze. Sie leben in tiefen Höhlen und verfügen über unendlichen Reichtum, den sie manchmal auch den Menschen schenken.
Bert schreckt kurz auf. Irgendetwas hat ihn an der Nase gekitzelt. Und tatsächlich hüpft da ein winziger Drache auf seinem Bett herum. Mit seinen spitzen Krallen hakt er sich am Polsterzipfel fest und strahlt Bert mit glitzernden weißen, ganz scharfen Zähnen an.
„He du Kumpel, was liegt an“, versucht Bert locker zu klingen. Er wollte sich keinesfalls eingestehen, dass er fürchterliches Bauchkribbeln hat vor lauter Aufregung.
„Hast du schön geträumt, Kamerad“, fragt das possierliche Tierchen jetzt kichernd. Es hat ehrlich Mühe, nicht vor lauter Übermut Feuer aus seinem Maul zu züngeln, was meist geschah, wenn er so richtig gut drauf war. Heute hätte er womöglich das Bett von Bert abgebrannt. Eine schreckliche Vorstellung.
„Mach einfach wieder die Augen zu. Vielleicht fällt mir ja noch etwas ein, was ich dir im Traum erzählen werde. Aber du musst mir versprechen, dir auch alles zu merken. Dann weißt du nämlich mehr als deine Klassenkameraden und bekommst sicher einen Einser oder ein goldenes Sternchen von der Frau Lehrerin.“ Und tatsächlich fallen Bert gleich wieder die Äuglein zu.
Jetzt erschien ihm ein großer Drache mit einer ganzen Kinderschar. Unter ihnen war auch sein kleiner Freund. Die Drachenmama legte sich gemächlich auf einen warmen Felsen und erzählte der neugierigen Rasselbande eine Geschichte.
„In alten Zeiten fürchteten sich die Menschen sehr vor uns und verfolgten uns. Sie hielten uns für Feuer speiende Ungeheuer die die Menschen bedrohen und nur Verderben bringen. Sie ließen uns Prinzessinnen stehlen, fromme Jungfrauen rauben und so wurden wir von Helden und Drachentötern gejagt und mussten oft einen grausamen Tod erleiden. Doch es gab auch eine sehr fromme Frau, die uns wunderschöne Lieder vorsang und mit ihren zarten Händen unseren schuppigen Panzer streichelte. Sie führte uns an einer goldenen Leine durch die Stadt und wir fühlten die ängstlichen Blicke der Menschen. Manche griffen sogar nach einem Schwert, um auf uns loszugehen. Sie aber ließ uns ins wohlige Wasser des großen Flusses gleiten und die Menschen gewöhnten sich langsam an uns. Doch immer nur im Fluss herum paddeln war langweilig. So beschlossen wir eines Tages ins weite Meer hinaus zu schwimmen und in den Tiefen des Ozeans in einem herrlichen Felsenpalast zu warten, bis uns wieder einmal ein Mensch findet.“
Als Bert am nächsten Morgen erwachte, suchte er sofort nach seinem kleinen Freund. Doch der war nirgends zu finden. Am Polsterzipfel aber lag eine winzige glitzernde Schuppe, die Bert in seinem Schatzkästchen verwahrte. Erst viele Jahre später, als er schon ein berühmter Archäologe war und viele Preise für seine Forschungen bekam, erinnerte er sich wieder an seinen kleinen Freund, der ihm die Freude an diesem interessanten Beruf geschenkt hatte.
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