Der Sucher. Катя Брандис

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Der Sucher - Катя Брандис


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      Der Sucher

      Katja Brandis

      Ein Daresh-Roman

      Impressum

      Der Sucher wurde erstmals 2007 im Otherworld-Verlag, Graz, veröffentlicht.

      E-Book: Version A

      Cover-Gestaltung: Lea Faiß

      Copyright Illustrationen: TamaraTen (Pixabay)

      Copyright 2020

      Katja Brandis

      c/o Agentur Rumler

      Notburgastr. 5

      80639 München

      [email protected] www.katja-brandis.de

      Alle Rechte vorbehalten

      I.

      Der Große Udiko

      Prolog

      Machtlos war er und wütend und furchtbar hungrig. In alten Zeiten hatte er sich in jede Gestalt verwandeln können. Er hatte vernichtet, wenn ihm danach gewesen war, und nur seine Verbündeten verschont.

      Doch jetzt war er wie gelähmt, und die einstigen Verbündeten hatten ihn längst vergessen. Nie hatte er sich damit abgefunden, dass ein Mann – ein einfacher Mensch, Rivas Tan wurde er genannt – ihn besiegt hatte. Dass er gewagt hatte, sich gegen ihn aufzulehnen und ihn zu bannen. Wie hatte das passieren können?

      Hunderte von Wintern waren schon vergangen, und mit jedem schwand ein winziger Teil seiner Kraft. Aber seine Wut wuchs und wuchs. Und noch war er mächtig.

      Eines Tages, wenn er es geschafft haben würde, wieder freizukommen, würde er Rache nehmen. Dann würden die einfachen Opfer von früher nicht mehr genügen, um ihn zu besänftigen. Diesmal nicht!

      Der beste Sucher von ganz Daresh

      Im ersten Monat meiner Wanderschaft durch das Seenland wurde ich dreimal übers Ohr gehauen, zehnmal zum Essen eingeladen, zweimal bei einer Wette besiegt und einmal beinahe von einer jungen Händlerin verführt. Aber nur beinahe. Als sie hörte, dass ich erst fünfzehn war, beließ sie es zu meiner Enttäuschung beim Küssen.

      Die Reise erfüllte ihren Zweck. Immer öfter schaffte ich es, den hässlichen Streit mit meinem Vater zu vergessen, dessentwegen ich meine Sachen gepackt hatte und noch in der gleichen Nacht verschwunden war. Aber ich wusste auch, dass Vergessen nichts helfen würde. Mein Vater hatte mit dieser schrecklichen Frau, deren Namen ich nicht mal denken mochte, den Bund geschlossen; er würde mit ihr wegziehen. Es gab kein Zurück mehr. Ich musste meinen eigenen Weg finden.

      Fortschritte dabei machte ich, als ich in der Nähe eines Krötenmenschen-Nests unterwegs war. Weil ich wusste, dass in dieser Gegend oft Skagaroks jagten, sichtete ich den Schwarm rechtzeitig. Lautlos glitten die wolfsköpfigen Raubvögel auf ihren dunklen Schwingen über die Wasseroberfläche hinweg. Sieht so aus, als hätten sie schon irgendeine Beute gesichtet, dachte ich und zögerte noch mit dem Abtauchen, um Ausschau zu halten. Zehn Baumlängen weiter entdeckte ich einen einzelnen Reisenden, der in einem Kanu vor sich hinpaddelte, ohne nach rechts oder links zu schauen.

      »Achtung – Skas!«, brüllte ich. Der Fremde hörte mich, sah sich um, ließ sich erschrocken aus dem Kanu fallen und verschwand unter der Oberfläche. Hastig tat ich es ihm gleich – gerade noch rechtzeitig. Scharfe Krallen streiften über mich hinweg, konnten mich aber nicht mehr packen.

      Der Fremde konnte unfassbar schlecht die Luft anhalten und musste immer wieder hoch, was den Skas noch ein paar Mal Gelegenheit zu Angriffen gab. Ich tauchte auf den Fremden zu, so schnell ich konnte, und zog ihn zur winzigen Schutzkuppel am Boden des Sees. Die Luft darin war verbraucht und stickig, aber für zwei Menschen reichte sie gerade so.

      »Bist du verletzt?«, fragte ich. Schade, dass der Fremde sein Gildenamulett unter der Schwimmhaut verborgen trug. Ich hätte gerne gewusst, zu welcher der Gilden Dareshs er gehörte – Erde, Luft oder Feuer. Dass er keiner von uns – den Wasserleuten – war, hatte ich schon gemerkt.

      »Nein, es geht mir gut – danke für die Warnung«, keuchte der Fremde, ein junger Mann mit rotblonden Haaren, Sommersprossen und abstehenden Ohren. »Beinahe hätte ich die Biester nicht bemerkt. Das kommt davon, wenn man zu viel nachdenkt.« Er zögerte. »Dabei habe ich mir selbst vorhergesagt, dass heute irgendetwas passieren wird in meinem Leben. Aber eigentlich sollte etwas Gutes geschehen, deshalb war ich unvorsichtig.«

      »Du bist ein Vorhersager?« Mein Vater behauptete zwar, dass die wenigsten Vorhersager etwas taugten, aber interessant klang das schon. »Vielleicht war das Gute, dass du keine kostenlose Gesichtsverschönerung von einem Skagarok bekommen hast.«

      »Kann schon sein«, sagte der Mann und wurde rot. »Ich bin noch kein Meister, meine Vorhersagen sind noch nicht allzu genau. Aber ich mache dir trotzdem gerne eine Deutung, wenn du willst. Ach, übrigens, ich heiße Janor ... äh, ke Nerada.«

      Wahrscheinlich gehörte er zur Luft-Gilde wie die meisten Menschen aus der Provinz Nerada. Das würde einiges erklären. Wahrscheinlich war er erst seit ein paar Wochen bei uns in Vanamee. »Ich heiße Tjeri«, stellte ich mich vor. »Tjeri ke Vanamee aus der Wasser-Gilde. Eigentlich könnte ich eine Deutung gebrauchen. Ich weiß immer noch nicht, was meine Berufung ist. Das hat mir mein Vater oft genug unter die Nase gerieben. Alle meine Freunde, die so alt sind wie ich, sind längst bei einem Meister.«

      »Was machen denn deine Eltern?«

      »Mein Vater ist Züchter. Als Kind bin ich viel mit ihm auf den Fischfarmen unterwegs gewesen. Aber das reizt mich heute nicht mehr. In der Familie meiner Mutter gibt's einige Künstler, aber ich fürchte, das Talent habe ich nicht geerbt.« Ich zuckte die Schultern und streichelte den Salamander, der auf meinem Arm hockte. Eigentlich hatte ich ihn mir gekauft, um Botschaften zu überbringen, doch inzwischen hatten wir uns so aneinander gewöhnt, dass ich es nicht übers Herz brachte, ihn wegzuschicken.

      »Gib mir deine Hand«, forderte Janor mich mit einem verlegenen Lächeln auf.

      Ich pflückte mir den Salamander vom Handgelenk, setzte ihn mir auf die Schulter und gab Janor die Hand. Der Mann aus der Luft-Gilde hatte lange, sensible Finger, und ich spürte, dass er nervös war. Janor schloss die Augen.

      Hoffentlich beeilt er sich, dachte ich. Die Luft in der kleinen Kuppel wurde immer schlechter, wir mussten bald wieder nach oben tauchen. Vielleicht waren die Skas inzwischen weitergezogen.

      »Ich sehe eine große Stadt«, sagte Janor, und sein Gesicht zuckte. »Die Felsenburg der Regentin. Einen dunklen Raum tief unter der Erde.«

      »Guck noch mal hin«, sagte ich und musste grinsen. »Ich mag weder Städte noch geschlossene Räume. Wenn das meine Berufung ist, sollte ich mich vielleicht gleich ertränken.«

      »Du bist auf der Suche«, fuhr Janor fort. Er hatte die Augen noch immer geschlossen. »Ein Suchender. Immer und immer wieder.«

      Zeitverschwendung, ging es mir durch den Kopf. Dass ich auf einer Suche bin, weiß ich schon seit einem Winter. »Was meinst du damit, immer und immer wieder?«

      Janor öffnete die Augen. Er sah verwirrt aus. »Keine Ahnung. Das kam mir einfach so in den Kopf. Man lernt als Vorhersager, das auszusprechen, was einem als Erstes in den Sinn kommt.«

      In diesem Moment zündete etwas in mir. Aufgeregt entriss ich die Hand Janors Griff. »He, Moment mal! Sucher. Du meinst Sucher. Ich könnte ein Sucher werden.«

      »Du meinst, jemand, der durch die Gegend zieht und Leuten hilft, verlorene Dinge und Menschen wieder zu finden? Der Fremde durch die Provinz begleitet?«

      »Ja, genau.« Mein Herz pochte wie nach einer Länge schnellen Schwimmens. »Warum bin ich nicht schon längst darauf gekommen? Ich bin gerne unterwegs, kann tiefer tauchen als die meisten Leute und komme gut mit Menschen zurecht. Mit dem richtigen


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