Blutdienst. Stefan Landfried

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Blutdienst - Stefan Landfried


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      »Seid Ihr Sigvart Fenris?«, fragte er mit unsicherem Ton.

      »Wer will das wissen?«, lallte ich mehr grummelnd als laut.

      »Ich bin Rolf, ein Gesandter von Jarl Thortryg. Ich soll Euch suchen und zu ihm bringen.«

      Ich schielte ihn an und verstand nur langsam, was er wollte. Ich lächelte und klopfte ihm auf die Schulter.

      »Na dann, Rolf Rattensohn, auf zu Jarl Thortryg.«

      Ich stand auf und torkelte los. Ich wusste zwar nicht wohin, aber irgendwohin würde es schon gehen. Rolf holte tief Luft, als wollte er seinen Namen noch einmal richtigstellen, sah aber dann ein, dass es nutzlos war. Er lief neben mir her, leitete mir den Weg und achtete darauf, dass ich nicht allzu viele Menschen anrempelte. Er entschuldigte sich bei denjenigen, die ich streifte, und sah mich dabei jedes Mal vorwurfsvoll an.

      Kurz vor der Halle des Jarls machte er abrupt neben einer Wassertonne Halt. »Tunk deinen Kopf in das Wasser, um klarer denken zu können. Der Jarl möchte mit dir reden und sich nicht mit dir betrinken.«

      Ich ging einen Schritt auf ihn zu und blickte ihn ernst an. »Wie kommst du nur auf die Idee, mir sagen zu können, was ich machen soll?«, sprach ich langsam und mit tiefer Stimme.

      Die Stille, die darauf folgte, bereitete Rolf etwas Unbehagen. Er war auch überrascht, dass diese Frage so klar aus meinem Mund kam, als hätte ich nichts getrunken.

      Ich tätschelte etwas grob seine Wange und lachte. »Ich mache nur Spaß, Rolf Rattensohn! Du hast Recht. Ich sollte einen klareren Kopf behalten.«

      Lachend steckte ich meinen Kopf in das kalte Wasser. Es fühlte sich so an, als würde mein Körper den ganzen Met auf einmal aussondern.

      Als mein Kopf wieder aus der Tonne schnellte, sah mich Rolf nur mit runtergezogenen Mundwinkeln an. »Mein Name ist nicht Rolf Rattensohn«, sagte er.

      »Nimm es nicht so schwer. Wenigstens nenne ich dich nicht Rolf Nervensägensohn. Und jetzt hör auf zu quatschen und bring mich zum Jarl.«

      Rolf rollte mit den Augen und drehte sich um. Er ging mit schnellen Schritten voran. Vor einer großen Tür hieß er mich zu warten. Sie war kunstvoll geschnitzt und bestimmt noch einmal so hoch wie ich selbst. An den Seiten standen zwei Wachen, die starr nach vorne schauen. Die Halle für sich war außen eher einfach gehalten. Gut verarbeitetes Eichenholz in gepflegtem Zustand. Allerdings wurde auf prachtvolle Bilder im Holz verzichtet.

      Als er hineinging, versuchte ich noch etwas klarer im Kopf zu werden, indem ich tief Luft holte und ebenso tief wieder ausatmete. Es schien zu funktionieren. Kurze Zeit später öffnete Rolf wieder die Tür und ich ging hinein. Die Halle des Jarls war einfach gehalten. Auch hier keine prachtvollen Bilder oder Schnitzereien an den Wänden, nur wie draußen gut gepflegtes Holz und Schilde an den Wänden. Auch Felle und bunte Tücher fanden ihren Platz an den Balken und dem Geländer im oberen Teil der Halle. In der Mitte des Saals befand sich eine Feuerstelle, die ringsum mit Decken und Fellen ausgelegt war. Ich ging an zwei langen Tischen vorbei, an denen Bänke standen, und dahinter saß Thortryg auf seinem Thron, der breit lächelnd aufstand, um mich zu begrüßen.

      »Sigvart Fenris. Herzlich willkommen in meiner und in deiner Halle. Ich dachte eigentlich, dass ich dich noch nicht empfangen dürfe, da du noch verletzt bist. Aber ich hörte, du warst in einem Wirtshaus?«

      Er umklammerte meinen rechten Unterarm mit seiner Hand. Wir blickten einander in die Augen. »Habe mich selbst entlassen. Ich fühlte mich unwohl so nah bei den Toten und bei denen, die es bald sein werden. Der Durst trieb mich ins Wirtshaus.«

      Thortryg lachte und zeigte auf einen Stuhl etwas unterhalb seines Throns »Setz dich, bitte.«

      Ich tat, was er sagte. Thortryg setzte sich wieder auf seinen Thron. Er ließ mir Bier einschenken von einer Sklavin, die ich noch nicht bemerkt hatte. Sie hatte in einer dunklen Ecke neben dem Thron gestanden. Nachdem sie mir eingeschenkt hatte, verschwand sie auch wieder im Dunkeln.

      Thortryg beugte sich zu mir hinüber. »Heute Abend wird ein Fest gefeiert. Du wirst offiziell zu meiner Leibwache benannt und du wirst mir den Treueschwur leisten.«

      »Ja, Herr.«

      »Nun, ich habe dir oben in der Halle ein Bett bereiten lassen. Du siehst noch etwas müde aus, Sigvart. Geh und ruh dich aus. Ich brauche dich heute Abend fit und in Trinklaune.«

      Ich stand auf und neigte kurz meinen Kopf vor Thortryg. Ich war mir unsicher, wie ich mich verhalten sollte. Verneigen? Die Hand schütteln? Einerseits war er nun mein Jarl, andererseits wäre er das nicht, wenn ich ihn nicht gerettet hätte. Uns verband ein Band, das nur schwer zu durchtrennen war. Ich war mir sicher, dass er mir schon noch sagen wird, welche Verhaltensform er gerne hätte. Dann ging ich zu den hölzernen Stufen, die mich in mein Lager führten. Es war ein Bett aus Fellen, sehr gemütlich. Kaum lag ich darauf, schlief ich auch schon ein.

      Ein Fußtritt weckte mich. Ich schreckte hoch und wollte auf den Eindringling einschlagen, als ich Borgs Gesicht erkannte. Er grinste mich an und auch ich musste lachen. Ich freute mich sehr, dass er überlebt hat. Nach der Schlacht habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er war wohl vor mir in die Stadt gekommen, da unser Wagen oft anhalten musste, um die Leichen loszuwerden. Ich verstand immer noch nicht, wieso das nötig gewesen war.

      »Wie hast du es geschafft, mit deinem hohlen Schädel zu überleben?«, wollte ich wissen.

      Er lachte und griff meine Schultern. »Ich erzähl es dir bei einigen Krügen Bier.«

      Zusammen gingen wir die Stufen hinunter und besorgten uns von den Sklavinnen jeweils einen großen Krug Bier. Dann setzten wir uns auf eine Bank, zu anderen Kriegern, mit denen wir gekämpft hatten. Thortryg bemerkte trotz des Trubels in der Halle, dass ich unten in der Nähe war und prostete mir von seinem Thron aus zu. Ich erwiderte seine Geste. Die Feier hatte bereits begonnen, doch in meinem tiefen Schlaf hatte ich das nicht mitbekommen. Die Wolfshorde hatte ihren eigenen Tisch, ganz in der Nähe des Jarls. Der Jarl hatte meine Stellung noch nicht bekannt gegeben, also hatte ich dort noch nichts zu suchen.

      Ich drehte mich zu Borg. »Also? Erzähl, was passiert ist.«

      Borg nahm einen beherzten Schluck. Er setzte ab und rülpste. »Wir haben also den Schildwall aufgebrochen. Dann ging alles sehr schnell. Ich hackte und hackte und hackte hier und hackte da. Fünfzig Männer, sage ich dir, fünfzig Männer habe ich umgebracht!«

      »Fünfzig? Borg, du kannst nicht mal bis fünf zählen. Woher willst du das wissen?«, lachte ich.

      Borg verzog das Gesicht. »Es waren jedenfalls sehr viele. Ich erkämpfte mir genügend Platz, um mal durchatmen zu können.«

      Er machte eine Pause, als ob er auch jetzt durchatmen müsste. »Ich und viele andere Krieger sahen dich auf Thjodrec losgehen und euren Kampf. Wie du Jarl Thortryg das Leben gerettet hast und wie der Jarl dann wieder deins gerettet hat. Alle waren beeindruckt. Die Männer sagten, dass ihr beide ausgesehen habt wie Götter, die füreinander einstehen, um die Riesen zu bezwingen.«

      Mir blieb der Mund offenstehen. Nun musste ich einen beherzten Schluck Bier zu mir nehmen.

      Borg führte seine Geschichte fort: »Du bist ein Held und ein Vorbild für viele Männer geworden, weil du so mutig warst. Du hast uns gezeigt, was es heißt, für seinen Herrn einzustehen. Ich erzählte vielen, dass ich bereits zu Beginn der Schlacht neben dir stand und dass du dort bereits gekämpft hast wie ein wahrer Wolf von Thortryg.«

      Stolz lehnte er sich mit seinem Becher ein Stück zurück und streckte seine langen Beine unter dem Tisch aus.

      Mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, wieso das heldenhaft war. Es war wohl eher dumm von mir gewesen, mein Leben für das eines anderen aufs Spiel zu setzen. Ich ließ mich vom Krieg leiten, ja. Doch bereute ich es auch zum Teil. Dieser Kampf hat mir zwar Ansehen und Ruhm beschert, nach Borgs Geschichte wohl mehr als ich dachte. Aber er bescherte mir auch Schmerzen und Bilder in meinem Kopf, die mich wohl nie wieder loslassen werden.

      »Borg.


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