Ruf mich an. Kristin Fieseler

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Ruf mich an - Kristin Fieseler


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habe nicht aufgeräumt

      Kennen Sie Hempels Sofa? Oder Hempels Bananenkeller? Dann kennen Sie noch gar nichts. Wir leben in Hempels Schweinestall. Eigentlich sollen Schweine saubere Tiere sein, soweit landweit bekannt. Um es plastischer zu schildern: Der sechsjährige Junior, bei anderen Leuten ein Vorbild an Ordentlichkeit, hat die neue, grüne Kinderknete als Wurfgeschoss benutzt. Anschließend hat er sie auf dem Teppich massakriert. Mit einem Brotmesser in tausend klitzekleine, grüne Knetkügelchen zerlegt, nun festgetreten in den beigefarbenen Fasern des neu gekauften Teppichs. Und die fünfjährige Tochter des Hauses springt auf ihrem quietscheentchengelben Hüpfball zielsicher in diese Knetekrümel. Das hält bombenfest. Da sind wirklich Kenner am Werk. Am liebsten würde ich jetzt mit diesem Brotmesser in diesen Hüpfball... Da klingelt das Telefon. Freudestrahlend läuft die jüngste Tochter des Hauses, anderthalb Jahre alt, zum Ort des tollen Geräusches. Das „Halla“ klingelt. Ein Quieken, Gurgeln. Schnapp, es ist weg. Sie hat es vor mir. Mist! Hoffentlich nicht der langersehnte Anruf vom Verlag. Wie peinlich. Ich wäre sofort als unorganisierte Mutter und unprofessionelle Autorin entlarvt. Doch es dringen die Schallwellen meines Mutter Stimme bis zu meinem Ohr vor. Die Kleine juchzt „Halla, halla“ ins Fon. Am anderen Ende höre ich ein wiederholtes „Ist denn nicht Mama da?“ Ich schnappe mir das Fon, was prompt mit einem lauten Gekreische von Little Miss Knutschknödel belohnt wird. Was natürlich zur Folge hat, dass meine Mama mich auffordert, erst Mal die Kleine zu beruhigen. Haben Sie schon mal ein brüllendes Kind auf dem Arm gehabt und gleichzeitig telefoniert? Sie will das „Halla“ haben und nicht auf den Arm. Aber ich schweige, wegen des berühmten lieben Friedens. Mama flötet ins Fon. „Ich habe jetzt ein Handy.“ Meine Mama, ein Handy? „Mama, welchen Vertrag hast du?“ Die Zähne des Zweifels nagen an mir und hinterlassen bissige Spuren von Sorge. Sorge, dass meine Erbschaft verprasst wird, was sonst für Sorgen. „Mausezähnchen, wo denkst du hin? Nur weil ich etwas älter bin, bin ich nicht doof.“ Ich schäme mich spontan meiner Gedanken. Ja, sie hat Recht. „Aber stell dir vor, ich bin in der Gegend und wollte mal vorbeikommen.“ Mich trifft quasi der Schlag. Ich habe das Gefühl, unter der Glocke des Doms zu stehen, während ihre tiefen Töne meinen Körper vibrieren lassen. Leicht aufgeregt rufe ich „Jetzt?“ ins Fon. „Ja, es sollte eine Überraschung für die Kinder sein.“ „Das ist es, das ist es.“, stammel ich. „Bis gleich.“, flötet sie kaffeeschlürfend in meine Ohrmuschel. Mit Nordic-Walking-Schritten eile ich ins Arbeitszimmer meines Mannes, der noch verträumt die Zeichnungen des neuen Kinderbuchprojektes coloriert. Eine CD von Van Morrison läuft im Hintergrund. Er hat gute Laune. Ohje, und nun komme ich mit Omis Besuch an. Nackenmassage habe ich letztes Mal bei einer Krisensituation fruchtlos probiert. Das wäre auch verräterisch. Ich erzähle ihm von den Strapsen. Das hilft. Interessiert blickt er hoch. „Jetzt?“ Ich hasse das Wort jetzt. Denn das „Jetzt“ gehört Omi. Also antworte ich ihm „Heute abend....als Belohnung, wenn du mir....“ Seine Augenbrauen zucken nervös. „Deine Mutter kommt?“ Woher wusste er das? Naja, er kennt mich, nach acht Jahren Ehe. Er räuspert sich: „Also, was muss ich tun?“ Ich habe das Gefühl, ein Kloß runterzuschlucken. „Aufräumen. Wir haben etwa fünf Minuten Zeit.“ Er stellt die CD aus, fährt den Rechner runter. Sein Blick verfinstert sich. „Wenn’s sein muss...“ In Windeseile holen wir die Wäschekörbe aus dem Badezimmer. Ich halte die Körbe. Er schmeißt das ganze kreuz-und-querliegende Spielzeug rein. So, die Spielsachen sind schon mal aus dem Weg. Doch wohin mit den Körben? Wir klingeln beim Nachbarn Müller. Er erklärt sich gegen eine Flasche Rotwein bereit, die Körbe für ein paar Stunden bei sich zu lagern. Wir sind noch günstig weggekommen. Letztes Mal hat er uns schamlos ausgenutzt. Er wollte eine Woche lang bei uns mittags mitessen. Naja, ich habe etwas nachgeholfen und extra schlecht gekocht. Also, die Körbe wären erledigt. Oh, die Knetereste auf dem Teppich. Mein Mann holt sein Allzwecktaschenmeser raus. Auf seiner Stirn prangt eine Kopftaschenlampe, die alle Winkel der Schandtat ausleuchtet. Die Kinder sind beunruhigend still. Ob sie wohl was anstellen? Da klingelt schon die Haustürglocke. Omi-Alarm!

      Die Kinder stürmen mit Erdbeermarmelade eingecremt an die Haustür. Daher die Stille. Ich wusste es. Mir entfleucht ein lautes „Halt!“ Doch zu spät, sie sind so verdammt schnell, die lieben Kleinen. Sie öffnen vor mir die Tür. Omi gibt noch einen Laut von sich, einen Laut, als hätte sie Monster gesehen, Erdbeermarmeladenmonster eben. Sie verliert das Bewusstsein. Ich schicke die Kinder nach drinnen. Sie holen Papa mit seiner Kopftaschenlampe. Er leuchtet Omi direkt in die Augen. Sie schlägt die Augen auf. „Der Tunnel, das Licht. Jetzt ist es wohl aus.“ Ich hole sie in die Wirklichkeit zurück, indem ich meinem Mann eine klare Anweisung gebe. „Schnuckelchen, mach bitte die Lampe aus.“ Da, sie erkennt ihren Schwiegersohn wieder. Ich stütze sie. Sie setzt sich stöhnend auf den klapprigen Küchenstuhl. „Übrigens, ich wollte euch Mal eine Freude machen. Ich habe eine Putzfrau bestellt.“ Es klingelt. Ein „Oh“ entfährt mir. Die Putzfrau legt sofort los. Ein Traum wird wahr. Und sie lobt unsere vorbildliche Sauberkeit. Sie hätte selbst drei Kinder und hätte es selten so ordentlich hinbekommen, als sie klein waren. Wenn die wüsste, wo das Spielzeug lagert. Ja, Omi ist immer für eine Überraschung gut. Ich koche uns Kaffee. Mein Mann ist nachdenklich. Und flüstert mir ins Ohr: „Aber das mit den Strapsen ist noch aktuell, oder?“ Ich nicke und beobachte die tänzerischen Bewegungen der Putzfrau zu der Musik von Van Morrisson.

      Heute schon geduscht?

      Mütter wollen sich auch mal waschen, genauer gesagt, sie wollen sich mal in Ruhe genussvoll den heißen Wasserstrahl aus dem ergonomisch geformten Duschkopf über ihren Körper prasseln lassen. Ich will mich ja nicht beschweren, aber... So fangen ja alle Sätze an, mit denen man das berüchtigte Gegenteil einleitet. Ich kenne den Satz aus meinen manchmal heiß wieder ersehnten Jugendtagen von den Oldies: Ich will mich ja nicht einmischen, aber... Also, was will ich eigentlich damit sagen? Ich will mich ja nicht beschweren, aber so als Mutter von drei Kindern komme ich so gut wie gar nicht mehr zum – Duschen. Die lieben Kleinen könnten ja währenddessen einen Streit vom berüchtigten Zaun brechen. Es fehlt einem die innere Ruhe und ein wenig die Gleichgültigkeit, um sagen zu können: „Okay, wenn ich jetzt dusche, könnte....“ Ja, also es könnte der achtjährige Junior just in dem Moment, in dem ich unter der Dusche stehe, seiner siebenjährigen Schwester auf den Kopf hauen. Sie würde dann aus lauter Frust der Jüngsten, gerade drei, an den Haaren ziehen. Und natürlich steht das Fenster offen, die besorgte Nachbarin klingelt. Das Geschrei überschlägt sich. Die Nachbarin denkt, die hat bestimmt ihre drei Kinder allein gelassen. Die Nachbarin, noch ohne liebenswerte Kinder, ruft dann - ganz klar - die Polizei. Und ich öffne dann der Polizei nur im rosa Badetuch bekleidet, und weißem Handtuch-Turban im Haar, genauer gesagt öffne ich Polizeiwachtmeister Willi die Tür, worüber er sich natürlich sehr freut. Ich bin am Wutentbrennen, weil ein Polizist hat sich nicht zu freuen, schon gar nicht über meine Notlage. Ich hebe die rechte Hand hoch, was dazu führt, dass meine spärliche Hülle fällt und prompt bekomme ich eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Vernachlässigung meiner Kinder, inklusive Ankündigung eines Besuches vom Jugendamt. Und das nur, weil ich mal duschen will. Also lasse ich es lieber. Sie können nun verstehen, dass ich nicht entspannt duschen kann, wenn ich mit den Kindern allein bin. Also muss ich immer auf die Wachablösung von meinem Mann warten. Erst dann kann ich duschen.

      Also dusche ich nicht morgens, sondern nachmittags um 15 Uhr, dann, wenn mein Mann zurückkommt. Ich stehe schon bereit. Endlich klingelt es. Verschwitzt steht er vor der Tür. Küsschen. Ich trällere ein „Ich gehe dann mal duschen.“ Ich deute auf seinen bereits gefüllten Teller auf dem Esstisch. „Essen ist schon fertig.“ Die Kinder spielen extrem ruhig Lego. Verdächtig ruhig. Ich gehe entschlossen die knarzenden Holztreppenstufen nach oben. Durch die Schlitze zwischen den Stufen sehe ich, wie mein Mann stehen bleibt und irgendwas überlegt. Er sieht hungrig aus. Inzwischen bin ich pfeifend im Badezimmer angekommen. Oh nein, die Jüngste hat mal wieder mit Zahnpasta experimentiert. Eine Holzschublade aus dem Kaufladen wurde mit Zahnpasta eingecremt. Und der Spiegel wurde mit einem Zahnpastaherz verziert. Ich widerstehe meinem inneren Zwang sauberzumachen. Schnell wie der Wind entkleide ich mich. Ich habe ein Knarzen gehört. Ich rufe nach der Jüngsten. Keine Antwort. Auch gut. Wird schon gut gehen, die Wachablösung ist ja da. Gut gelaunt hüpfe ich unter die Dusche und balsamiere meinen gestressten Körper mit beruhigenden Lavendel-Duschgel. Das Wasser prasselt laut,


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