Seelenkerne. Micha Rau

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Seelenkerne - Micha Rau


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lachte ich. „Wir brauchen einen weisen und satten Tommy, um die Rätsel zu lösen! Dann iss lieber zwanzig!“

      Wir warfen noch einen letzten Blick auf das ominöse Loch und machten uns dann lachend auf den Weg zum Bäcker. Diesmal folgte uns Jever ohne noch einmal zu kläffen und rannte fröhlich voraus. Lazy musste ich zehnmal rufen, ehe er uns endlich auf die Straße folgte, aber daran waren wir ja gewöhnt.

      Mit zwei großen, prall gefüllten Brötchentüten kamen wir wieder zu Hause an. Ich platzte fast vor Neugier, wie Sanne und Janine wohl auf unsere Neuigkeiten reagieren würden.

      *

      Als ich unsere Wohnungstür behutsam öffnete, kam meine Mutter gerade aus dem Bad und schaute uns mit großen Augen an.

      „Wo kommt ihr denn her? Seid ihr aus dem Bett gefallen?“

      „Ich hab schlecht geträumt und konnte nicht mehr schlafen“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Dann sind wir halt Gassi gegangen.“

      Ich hielt ihr die prall gefüllte Brötchentüte hin. „Sieh mal, was wir mitgebracht haben!“

      „Frische Brötchen! Toll! Da wird sich Vati aber freuen, dass er nicht noch losgehen muss!“ Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Komm, ich nehm sie dir ab und mach für uns alle Frühstück. Ich weiß allerdings nicht, ob Sanne schon wach ist.“

      „Mutti …“, druckste ich herum. „Ich … äh … ich finde es ja auch schön, wenn wir alle zusammen frühstücken, aber …“

      „Ich verstehe“, lächelte meine Mutter. „Aber noch schöner ist es, wenn ihr unter euch seid!“ Sie zwinkerte mir zu. „Na, gib schon her. Ich mach euch ein paar Brötchen zurecht, dann könnt ihr in deinem Zimmer essen. Aber krümelt nicht so.“

      „Danke, Frau Seefeld“, meinte Tommy und nahm mir die Tüte aus der Hand. „Aber heute machen wir das Frühstück, und Sie können es sich mit Ihrem Mann gemütlich machen.“

      Mutti bedachte mich mit einem Blick, der so viel besagte wie: „Siehst du, Josef, daran kannst du dir ein Beispiel nehmen!“ Ich setzte einen unschuldigen Blick auf und folgte Tommy, der schon in der Küche verschwunden war.

      Gemeinsam machten wir zwei Platten mit belegten Brötchen, kochten Eier und verzierten alles mit Erdbeeren und Weintrauben. Dann deckten wir für unsere Eltern den Tisch, setzten Kaffee auf, und anschließend beluden wir ein Tablett mit den Sachen, die wir mit in mein Zimmer nehmen wollten. Ich mixte uns noch eine Kanne Kakao, dann waren wir fertig.

      Ich warf einen Blick auf die Küchenuhr, die über der Tür hing. Genau neun Uhr. Mein Magen knurrte wie ein wilder Wolf. Kein Wunder, dass ich Hunger hatte. Ich war schließlich schon seit vier Stunden auf!

      Tommy ergriff mit sichtlicher Mühe das Tablett, und ich nahm schnell den Kakao wieder runter, damit es kein Unglück gab.

      „Warte, ich geh vor und mach die Tür auf“, sagte ich.

      „Was ist mit Sanne und Janine?“, fragte mein Freund. „Ohne sie will ich nicht anfangen.“

      Ich schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Ich kann’s gar nicht abwarten, ihnen die Sache mit unseren Träumen und dem fehlenden Stein zu erzählen. Ich werd gleich Sanne wecken, und du kannst ja inzwischen Janine anrufen.“

      Tommy konzentrierte sich auf das Tablett und folgte mir. „Ja, mach ich. Um neun werden sie ja wohl nicht mehr schlafen.“

      Als ich mein Zimmer betrat, bekam ich große Augen. Sanne saß putzmunter an meinem Computer und surfte herum!

      „Hey!“, rief ich. „Was machst du an meinem Computer?“

      Meine Schwester drehte sich um und blickte mich vorwurfsvoll an. „Erstmal guten Morgen, lieber Bruder! Und zweitens ist das immer noch unser Computer, er steht nur in deinem Zimmer, weil in meinem kein Platz ist. Und wenn du nicht da bist, kann ich soviel surfen, wie ich will!“

      Kleinlaut grummelte ich: „Hast ja Recht“, und betrat vollends das Zimmer, Tommy im Schlepptau. Als Sanne Tommy erblickte, sprang sie auf.

      „Hallo Tommy! Was machst du denn schon hier?“ Ihr Blick fiel auf das Tablett mit all den leckeren Sachen. „Hey, und Frühstück habt ihr auch schon gemacht? Hmm … hab ich einen Hunger! Ich bin schon stundenlang wach!“

      Tommy und ich schauten uns an. Sanne auch?

      „Wir auch“, sagte mein Freund und schaute sich um, wo er das Tablett platzieren konnte. Da wir sowieso immer auf dem Teppich aßen, bückte er sich und stellte es vorsichtig auf dem Boden ab. Dann kam er wieder hoch und schlug in Sannes Hand ein, die sie ihm hinhielt. „Was schaust du dir denn gerade an?“

      „Ich war schon so lange wach“, meinte Sanne und warf mir einen Blick zu. „Eigentlich wollte ich mit dir reden, aber du warst nicht da. Ich hab mir gedacht, dass du mit Lazy raus bist. Und da wollte ich ein bisschen surfen, bis du zurückkommst. Ich hab Geheimnisse Ägyptens eingegeben, und da kamen unglaublich viele Seiten heraus.“

      Sie blickte auf ihre Armbanduhr und machte ein überraschtes Gesicht. „So spät schon? Ich bin schon seit sechs Uhr hier! Ich hab gar nicht gemerkt, dass so viel Zeit vergangen ist. Aber da waren unheimlich spannende Sachen zu lesen. Gerade bin ich unter dem Gizeh-Plateau.“

      Tommy war sofort Feuer und Flamme. „Unter dem Plateau?“

      „Ja“, meinte Sanne aufgeregt. „Da soll es hunderte von Kilometern Gänge geben und an die tausendfünfhundert Kammern und Räume. Das ganze Gelände ist unterirdisch ausgehöhlt. Und alles ist geheim. Die ägyptische Regierung lässt niemanden graben und sperrt alles ab. Aber manches wurde doch heimlich entdeckt. Ich muss euch unbedingt was vorlesen. Das glaubt ihr nie!“

      „Mach ruhig“, sagte ich gutmütig. „Aber wir müssen dir auch unbedingt was erzählen, was du garantiert nicht glauben wirst. Was ist eigentlich mit Janine? Kommt sie noch?“

      Sanne hatte sich schon umgedreht und suchte auf dem Monitor die Stelle, die sie uns vorlesen wollte.

      „Ja“, murmelte sie abwesend. „Aber sie kommt erst um elf. Sie gibt doch sonntags immer Nachhilfe.“

      „Nachhilfe?“, staunte Tommy. „Wem denn?“

      „Leon aus unserer Klasse. Der ist so schlecht, der braucht wirklich Nachhilfe. Er ist schon einmal sitzen geblieben, und wenn er so weitermacht, wird es ihn wieder erwischen.“

      Tommy legte die Stirn in Falten, sagte aber nichts mehr darauf. Ich hatte ganz vergessen, dass Janine Nachhilfe gab. Na, eigentlich auch kein Wunder. Normalerweise schlief ich ja sonntags auch bis zehn oder noch länger. Da war Janine längst fertig, bevor wir gefrühstückt hatten.

      „Hier!“, rief Sanne. „Da steht es! Das glaubt ihr nie!“

      Tommy und ich stellten uns dicht hinter meine Schwester und schauten ihr über die Schulter, als sie zu lesen begann.

      „Ein gewisser Andreas von Rétyi berichtet in seinem Buch Geheimakte Gizeh Plateau, dass es geheime Schächte gibt, die kilometerweit von den Pyramiden von Gizeh entfernt mitten in der Wüste in die Erde führen. Es ist verboten, diese Schächte zu betreten, aber von Rétyi hat einige von ihnen heimlich erkundet.“

      Sanne tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle auf dem Bildschirm. Ich bemerkte, dass ihre Hand leicht zitterte.

      „Und jetzt das hier: Die Öffnungen können schnell zur Todesfalle werden, denn sie führen in wirklich tiefe Schächte. Wir haben einen Stein fallen gelassen und trauten unseren Ohren nicht, so lange dauerte es, bis wir den Widerhall des Steines hörten …“

      Tommy und ich starrten uns sprachlos an, aber ehe einer von uns den Mund aufmachen konnte, las Sanne weiter.

      „Eine der Kammern besaß einen verfallenen Eingang. Hinter dem zweiten Tor wurde es schnell stockfinster. Und dort lauerte ein quadratischer Schacht, der unbarmherzig ins Nirgendwo


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