Verleumdet!. Dietmar Braunmiller
Читать онлайн книгу.mal unsere eigene Zeitrechnung stimmt. Die alten Ägypter jedenfalls hatten kein so griffiges Ereignis, auf das sie ihre Zeitrechnung beziehen konnten und lebten mehr im Jetzt. Sie bezogen sich einfach immer auf das aktuelle Regierungsjahr des gerade regierenden Königs. Dabei rechneten sie nahe am Mondzyklus mit 12 Monaten a 30 Tagen. Ja die Woche hatte übrigens 10 Tage und nur der 10. war frei! Da haben wir also ganz schön Glück heutzutage. Jedenfalls ergaben sich mit dieser Rechnung für das Jahr nur 3x10x12 also 360 Tage, so dass für den Sonnenzyklus noch 5 Zusatztage untergebracht werden mussten. Nun ist aber auch das astronomische Jahr leider nicht taggenau, sondern es kommt jedes Jahr noch rund ein Viertel Tag dazu. Darum ja bei uns die Schaltjahre. Diesen Aufwand trieben die Ägypter nicht und so kam es, dass sich der Kalender bei ihnen jedes Jahr um ungefähr einen Vierteltag verschob. Dies kann sich in rund 1460 Jahren seit den ersten Pharaonen des Alten Reichs schon ganz schön aufsummieren. 1460 mal 0,25 Tage gibt immerhin 365 Tage, also einmal den Kalender komplett durchgeschoben. Bei dieser schleichenden Verschiebung ist durchaus anzunehmen, dass auch der eine oder andere Pharao den Kalender immer mal wieder den Jahreszeiten angeglichen hat, insbesondere wegen dem für ganz Ägypten ja so entscheidenden Termin der Nilschwemme Mitte Juli. Dazu kommt dann noch bei der Aufsummierung von Königsregierungszeiten, dass die natürlich nur in Jahren angegeben sind, ohne Kommastelle, so dass es hier gern auch ein halbes Jahr hin und her gehen kann. Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass es Mitregentschaften gab, also 2 Könige, die sich den Job teilten. Wie auch in unserem Fall. Nebmaatre regierte seine letzten 12 Jahre zusammen mit seinem Sohn Echnaton. Hier wird es nun vollends kompliziert, so dass wir also mutmaßen und raten dürfen. Auch unsere heutigen wissenschaftlichen Bestimmungsmethoden, wie die Radiocarbonmethode bei Fundstücken, helfen hier nicht so richtig, da diese gern mal um 50 – 100 Jahre streuen.
Wir einigen uns an dieser Stelle einfach mal auf das Jahr 1339 v. Chr., nicht nur weil es gut klingt, sondern auch weil einprägsamerweise in diesem Jahr nach 39-jähriger Regierungszeit Echnatons Vater Amenophis III., im Volk besser bekannt unter seinem Krönungsnamen Neebmaatre, stirbt. Nun beginnen die wohl umwerfendsten und revolutionärsten Jahre Ägyptens bis zur Jetztzeit. So eindrücklich waren diese Jahre, dass die bald darauf folgende, uns von Ägyptenbesuchen wohl bekannte Herrschergruppe der Ramesiden, beginnend mit Haremhab und dann die großen Ramses, alles daran setzte, um Zeugnisse daran auszulöschen. Dank unserer archäologischen Forschung aber tauchen heutzutage aus Gräbern, mit Mumienscans und dem Zusammensetzen und -reimen verstreuter Steine und darauf erkennbarer Schrift- und Mosaikreste einige Details auf, die vermuten lassen, dass von den Ramesiden historische Details gezielt unter der Decke gehalten und verdreht wurden.
Lassen wir nun den seit Nebmaatres kürzlichem Tod alleinregierenden Sohn, Amenophis IV., uns besser bekannt als Echnaton, im Volk bekannt unter seinem Krönungsnamen Waenre, “Einziger des Re”, selbst zu Wort kommen.
Ich, Echnaton
Ich, Echnaton, König von Luxor, Pharao von Ägypten, Herrscher über Ober- und Unterägypten von Syrien bis Nubien, ich hatte mir das alles einfacher vorgestellt. Fortschritt wollte ich bringen. Gerade in dieser vielgestaltigen Götterwelt meines Landes hatte gerade doch ich, der Pharao und damit der höchste Priester und die direkte Verbindung zur göttlichen Ebene, die Chance, hier eine phänomenale Weiterentwicklung zu bewirken. So meinte ich. Längst schon gab es Grübeleien und Überlegungen in meiner Familie, wie hier allen eine modernere Sicht des Lebens vermittelt werden konnte. Allein wie es nach dem Ableben wirklich aussah und was das Wesen des Göttlichen wirklich war, darüber herrschte keine Klarheit. Doch dann kam es für mich zu einer schicksalhaften Begegnung. Da wo man es am wenigsten vermutet. Daheim, im Palast, mit einem Sklaven, unerhört. - Jakob, so hieß er. Als mir dieser Armäer, dieser jüdische Sklave, von seinem Glauben, diesem Gott seines Volkes, berichtete, schien es mir klar. Es erhellte mich wie ein Blitz in der Dunkelheit. Dies war wahr! Dies passte alles zu dem was in meiner Familie schon lange diskutiert wurde. Es war wahrhaftig ein Fortschritt im Vergleich zu diesem von Dämonen und Geistern bestimmten Glauben meines Volkes, des mächtigen Ägypten! - Wie kam dieser Aramäer dazu? Es war mir ein Rätsel wie dieses Hirtenvolk, oder sollte ich eher Sippe sagen, ob der geringen Zahl, zu so einem von allem Gehörten weit entfernten, unerhörten Glauben kam. Umgehend machte ich mich zu meiner Frau auf, meiner geliebten Nofretete, der schönsten Frau unter der Sonne, um sie zu befragen und finde sie über eine Stickerei gebeugt: "Nofretete, höre meine geliebte Gattin, Herrscherin über Ägypten, Du schönste Frau unserer Hemisphäre und Freude der Götter, höre, was mir dieser aramäische Fächersklave, dieser Jakob, was für seltsame Namen diese Juden doch tragen, höre, was mir dieser von seinem Volk und seinem Glauben berichtet hat!"
Nofretete, dieser Stern meines Lebens, hebt ihren wunderschönen Kopf von ihrer Stickarbeit und gibt der Fächersklavin mit einer freundlichen Handbewegung zu verstehen, ihre Arbeit ebenfalls zu unterbrechen. Für mich das Zeichen fortzufahren: " Sie beten nur zu einem Gott! Einem allmächtigen, allherrschenden Gott aus dem alles ist und von dem alles kommt! Und dieser Gott soll zu ihrer Sippe direkt gesprochen haben und diese armselige Hirtensippe als sein Volk auserwählt haben. und dabei dürfen sie ihm noch nicht einmal einen Namen geben oder für ihn Statuen errichten, da ja alles, wirklich alles was ist, aus ihm ist. Sie reden von ihm in einer kreisenden Beschreibung und umschreiben ihn mit "Ich bin da". Ja, in Ihrer Sprache heißt das "Jahwe"! Es hat mich innerlich gefangen, gegriffen und ungeheuer stark berührt. - So etwas ungewöhnliches habe ich noch bei keinem anderem der von uns unterworfenen Völker und Stämme vorgefunden. - Was sagst Du? Was empfindest du, wenn ich Dir das erzähle?"
Nofretete blickt amüsiert: "Amenophis mein geliebter Gatte, Herrscher über Ägypten, bist du dir sicher, dass dieser Sklave recht bei Sinnen ist? Etwas so Fremdes habe ich noch nie gehört. Hat denn dieser Sklave nicht begriffen, wie mächtig unsere Götter sind? Was gilt da sein Gott, der Gott einer Hirtensippe? Was wagt er überhaupt, dich darauf anzusprechen?"
Ich muss unwillkürlich lächeln. Neben all ihrer Schönheit ist es das, was ich an ihr so schätze. Ihr blitzender Geist und ihre Neigung sofort ihre innere Wahrheit auszusprechen, ungeschminkt. In meinem Überschwang habe ich sie wohl etwas überfahren, so ganz ohne Einleitung. Ich muss ihr das vielleicht noch etwas erklären: " Nun, weißt du, ich wollte von ihm möglichst viel über die Völker jenseits der Nordgrenze erfahren, da die Stämme seiner Sippe in der Gegend siedeln oder teilweise natürlich auch als Beduinen umherziehen. Du weißt, wie uns diese Grenzregion immer wieder Ärger bereitet. - Ja, dabei hat er mir von der Geschichte seines Volkes berichtet. Vor allem, wie dabei immer wieder dieser Gott eingegriffen hat. Einiges ist mir bekannt vorgekommen. Wie diese Geschichte von der großen Flut, die die sündigen Menschen hinweggerissen hat. Ähnlich ist das wie die uns bekannte Geschichte von Atlantis. - Aber dieser, ihr Hirtengott ist in ihrer Geschichte der einzig allmächtige Weltbeweger. Der Erschaffer des Kosmos. Himmel und Erde sind ihm untertan und es gibt keine Götter neben oder unter ihm. Nicht einen einzigen. Und weisst du was, Nofretete?" Nofretete schaut mich gespannt an. Ich fahr nach einer kurzen Pause fort: "Es hat mich jedes Wort in meinem Innersten berührt. Re hat mir die Sinne erhellt, wie mit einem Blitz! Der Glaube dieses Sklaven, das Gottesbild von diesem Jakob, hat mich erleuchtet und mir gesagt, das dies großartig ist. Ja, dass es sogar wahr ist, wahr sein könnte."
Nofretete blickt mich schockiert an. Ich ahne ihren Einwand, ihre Frage und komme ihr zuvor: "Unsere Götterwelt, ja unsere Welt entspringt ja nach unserer Anschauung auch einem Urgrund einem Urozean mit einem Ei aus dem unser mächtiger Sonnengott Re entstanden ist. Der Rest unserer Götterwelt mit den vielen Lokalgöttern ist ja auch dann erst entstanden. Wieviel einfacher und klarer ist da doch der Glaube dieses Hirtenvolkes! Ist das nicht faszinierend?" Nofretete mustert mich kritisch: "Amenophis mein geliebter Gatte, lass dies nicht unsere Verwalter und die Gaufürsten hören. Wir habe hier viel zu viele Feinde und sie könnten dies als verrückte Schwärmerei auslegen und gegen uns verwenden. Wir haben eh schon das Problem, dass deine Stellung als Pharao längst nicht mehr so göttlich ist, wie es das im Alten Reich mal war. Du weißt dass die feindlichen Gaufürsten ihre Spione gerade in der obersten Priesterschaft platziert haben. Ich verstehe ja deine Begeisterung für diese geistig anspruchsvolle und unerhörte Weltsicht. Sie hat etwas sehr Mächtiges so wie du es berichtest. Aber lass uns vorsichtig sein." Ich verstehe die Gedanken meiner Gattin