Kochen im Altenheim. Hans Pürstner
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Hans Pürstner
Kochen im Altenheim
für Einsteiger aus der Gastronomie
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Convenience in der Altenheimküche Fluch oder Segen?
„Hurra, wir fahren zur Fortbildung!“
Ein paar grundsätzliche Tipps für Neueinsteiger:
Liste der deklarationspflichtigen Allergene:
Einleitung
Als ich vor über vierzig Jahren meine Lehre als Koch begann, hätte ich es mir nicht träumen lassen, einmal in der Küche eines Alten- und Pflegeheimes zu stehen.
Selbst unser Kollege Alois, der nach seiner Lehrzeit eine Stelle in einem großen Krankenhaus antreten wollte, wurde von uns Lehrlingen allgemein mit Unverständnis, wenn nicht gar ein bisschen Verachtung bedacht.
Die große Küche wollten wir kennen lernen, möglichst gleich auch noch die große Welt mit Hilfe eines Jobs auf einem Kreuzfahrtschiff, das war damals der Traum von uns allen. Die fast militärisch organisierte Berufslaufbahn von Köchen galt es zu erreichen, den Aufstieg vom Commis (Jungkoch) zum Demichef de Partie, nach einigen Jahren Partie Chef Saucier oder Entremetier (Abteilungskoch für Fleischgerichte, bzw. Gemüse, Suppen, Beilagen).
Hatte man diese Karriere in guten Häusern und mit möglichst gutem Zeugnis derselben hinter sich gebracht, winkte ein Angebot als Sou-Chef, wo man als Stellvertreter des Küchenchefs Gelegenheit bekam, Erfahrungen in der Führung eines ganzen Haufens von Köchen zu sammeln, um diesen dann eventuell nach ein paar Jahren loyaler Zusammenarbeit abzulösen.
Währenddessen standen die Köche im Altersheim, so dachten wir zumindest, an ihrem großen Mixer, mit dem sie ihr ohnehin schon fast zu Matsch gekochtes Essen in eine optischen Zustand brächten, dessen bloße Vorstellung in unseren Augen schon Brechreiz auslöste.
Und so standen wir lieber am Herd eines À la carte Restaurants, hantierten schweißgebadet mit zahllosen Töpfen und Pfannen, ertrugen das Geschrei der Kellner, die auf ihr Essen schon „ewig“ warteten, und das des Küchenchefs, dem das Produkt unserer Arbeit auch niemals perfekt genug war.
Wenn wir dann, völlig geschafft vom Stress und der hektischen Arbeit, spätabends nach Hause fuhren, endete der Tag immer öfter in einem der wenigen so spät noch geöffneten Lokale. Dort bot die wenig geistreiche Kommunikation mit dem traurigen Rest von angetrunkenen Nachtschwärmern einen nur dürftigen Ersatz für ein normales Familienleben und einen großen Bekanntenkreis.
Trafen wir am frühen Morgen auf dem Heimweg aus der Kneipe einige dieser, in unseren Augen bedauernswerten Menschen, die zu solch nachtschlafener Zeit zur Arbeit mussten, dann konnten wir uns noch viel weniger mit dieser Variante des Kochberufs anfreunden.
Wie sehr Vorurteile und ungenaue Information ein völlig falsches Bild von der Wirklichkeit entstehen lassen, das konnte ich schon am ersten Tag meiner Tätigkeit in der Küche eines Hamburger Altenheimes erleben. Da saßen nun an die vierzig Damen und einige wenige Herren im Speisesaal, und warteten mit leuchtenden Augen auf einen der seltenen Höhepunkte ihres an Attraktionen wahrlich nicht reichen Tages. Auf das Mittagessen.
Schon Stunden zuvor, wenn nicht überhaupt am Vortag, war man interessiert das Angebot auf dem Wochenplan durchgegangen, diskutierte über die „richtige“ oder die „falsche“ Zusammenstellung der Menus, monierte das Fehlen ihres Lieblingsgerichts, das es ja „schon wochenlang nicht mehr gegeben“ habe.
Dass genau dieses Gericht erst vorgestern auf dem Speiseplan stand, wie der ob dieses Vorwurfs leicht gekränkte Koch einwendete, konnte selbstverständlich gar nicht möglich sein. Und wenn man dann, nach langem Hin und her, diese Tatsache nicht mehr in Abrede stellte, war das Fleisch damals sowieso wieder viel zu hart!
Aber lassen wir sie doch schimpfen! Wer kritisiert, zeigt, dass er das Produkt unserer Arbeit ernst nimmt. Was Besseres kann uns doch gar nicht passieren. Würden alle das Essen grundsätzlich gut finden, wie langweilig wäre das doch. Denn in jeder Kritik steckt zumindest ein kleines Körnchen Wahrheit. Und wenn wir Kritik annehmen, können wir auch das dann viel eher ernst gemeinte Lob umso mehr genießen!
Die meisten Bewohner im Altenheim sind ja Frauen, der Großteil davon hat jahre oder jahrzehntelang Mann und Kinder bekocht, Freunde und Verwandte zum Essen eingeladen, nun sind sie plötzlich in die passive Rolle des Essensempfängers abgeschoben worden. Für viele ist diese Rolle gar nicht so schön, nicht mehr kochen zu müssen.
Bisher hatten sie entschieden, was es zu essen gab, wie es abgeschmeckt wurde, nun machen wir das für sie.
Geben wir ihnen dann doch wenigstens die Möglichkeit, ein bisschen mitzureden. Außerdem, Hand aufs Herz, schmeckt uns selbst wirklich immer alles? Müssten wir jahrelang von morgens bis abends immer das essen, was ein anderer uns vorgibt, egal ob nun ein oder zwei Essen zur Auswahl stehen, würde uns das immer gefallen?
Auch wenn ich sonst noch so gerne Gulasch esse, gerade heute möchte ich vielleicht keines.
Müssen wir selbst mal eine aufwendige Zahnbehandlung über uns ergehen lassen, so möchten wir kurz danach bestimmt kein knuspriges Schnitzel oder gar knackiges Gemüse