Die Frau des Kommissars. Mart Schreiber
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Mart Schreiber
Die Frau des Kommissars
Spuren im Schnee
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2 – Eine Zeitungsmeldung
Kapitel 3 – Der Kommissar übernimmt
Kapitel 4 – Dringend verdächtig
Kapitel 5 – Keine zwingenden Beweise
Kapitel 8 – Kriminelle Energie
Kapitel 10 – Glauben und Hoffen
Kapitel 1 – Kopfweh
Marlies öffnet vorsichtig die Augen und schließt sie gleich wieder. Sie hat keine Ahnung, wo sie sich befindet. Ja, sie liegt in einem Bett, aber in welchem? Und wo ist eigentlich Joe? Sie tastet nach ihm. Er liegt doch immer links von ihr. Sie spürt nur eine zerwühlte Bettdecke. Das dumpfe Gefühl in ihrem Kopf wird von einem stechenden Schmerz überdeckt. Und gleich von noch einem. Es ist, als würde der Blitz einschlagen. Die Erinnerung an gestern Abend kehrt in Bruchstücken zurück. Schnaps, einen Zirbenen. Sie weiß nicht mehr, wie viele Stamperl sie getrunken hat. Bram, der Hotelier aus Belgien, hat immer gleich nachgeschenkt. Marlies wagt einen neuen Versuch, die Augen zu öffnen. Die Sonne schimmert durch die zugezogenen Vorhänge. Den Kopf zu drehen ist keine gute Idee. Jede Bewegung löst den durchdringend stechenden Schmerz erneut aus. Sie muß aber ins Bad, weil ihr speiübel ist.
Nach einigen Minuten über der Kloschüssel gibt sie auf. Es kommt nichts. Sie wäscht sich das Gesicht mit kaltem Wasser und trinkt direkt vom Wasserhahn. Aspirin, das braucht sie jetzt. Ob zwei reichen werden?
Joe blättert mit gelangweilter Miene in einer Zeitung. Wie habe ich es nur in den Frühstücksraum geschafft, denkt Marlies. Joe hebt den Kopf und grinst Marlies an. Freude drückt das nicht aus, eher Spott, denkt Marlies.
„Einen wunderschönen guten Morgen. Auch schon da?“
„Sei bitte lieb. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.“
„Ich will jetzt nicht fragen, woher das kommt. Vermutlich vom Föhn. Schau doch raus, keine Wolke am Himmel. Alle Gipfel sind frei.“
Marlies mag vieles an Joe, manchmal sogar seine Ironie. Aber nur, wenn sie imstande ist zu kontern.
„Kaffee. Vorher brauchst gar nicht mit mir zu reden.“
Eine Stunde später gleiten sie mit dem Sessellift von Tauplitz über den leicht ansteigenden Talboden. Zur rechten Hand liegen noch einzelne Häuser, bevor der Wald beginnt und es kurz danach steil Richtung Tauplitzalm hinaufgeht. Links zeigt die leicht kupierte, sehr breite Piste ihr schon durchfurchtes Weiß.
Marlies spürt die Wirkung der Tablette. Sie mag diesen flachen Teil. Er wirkt so friedlich und beschaulich. Sie hat ihren Kopf an Joes Schulter gelehnt und die Augen geschlossen. Wenn sie etwas ganz besonders an ihm mag, dann ist es seine Ruhe und Gelassenheit. Und seine Gutmütigkeit, wenigstens ihr gegenüber. Marlies weiß, dass sie das glatte Gegenteil ist. Lebhaft, quirlig, leicht exaltiert. Und schon mal auch ungeduldig.
„Warum hast du nicht auf mich aufgepasst?“, sagt sie gespielt vorwurfsvoll.
„Ich dachte immer, du kannst gut auf dich selbst aufpassen.“
„Red dich nicht aus. Du weißt doch, dass ich eine schwache Frau bin.“
„Heute abend lasse ich dich nicht aus den Augen, mein Schatz.“
Marlies ist eine hervorragende Schifahrerin, die ihre Spur gerne durch den jungfräulichen Schnee abseits der Piste zieht. Noch lieber sind ihr Schitouren, weit weg von Schiliften und Pisten. Sie bedauert es sehr, dass Joe unpräparierte Abfahrten meidet. Selten fährt er bei frischem Pulverschnee neben der Piste ab. Nur, wie oft gibt es schon frischen Pulverschnee? Nach zwei gemeinsamen Schitouren, bei denen er zwar gut hinauf, jedoch wegen der vielen Stürze total entkräftet wieder nach unten gekommen ist, hat er auf weitere Versuche verzichtet. „Wozu gibt es Pisten und Lifte?“, hat er gesagt.
Der liebe Petrus entschuldigt sich mit Sonnenschein pur und kaum Wind für den dichten Nebel und nachfolgenden Schlechtwettereinbruch am gestrigen Nachmittag. Wenn man vom leicht pappigen Schnee absieht, sind die Bedingungen heute ideal. Trotzdem fährt sie in der ersten Stunde nur auf der Piste, gemeinsam mit Joe. Nicht einmal Lust zu akrobatischen Einlagen wie Rückwärtsfahren und Drehungen hat sie. Wenn es zu schnell wird, überkommt sie ein mulmiges Gefühl und der stumpfe Schmerz im Kopf erinnert sie an gestern abend. Sie schwingt hinter Joe den Schneiderkogel hinunter und schlägt lange vor Mittag vor, beim Hotel Hierzegger, das am Fuß des Schneiderkogels liegt, eine Kaffeepause auf der Terrasse einzulegen.
Der Kaffee ist ausgetrunken und Joe hat bereits bezahlt. Marlies sitzt mit geschlossenen Augen weit zurückgelehnt in ihrem Sessel. Sie drängt nicht darauf, wieder in die Schi zu steigen, sie braucht Ruhe. In ihrem Kopf wird ein wummerndes Geräusch immer lauter. Wie wird sie das nur wieder los? Sie hofft auf die Wirkung des dritten Aspirins. Als sie die Augen öffnet, sieht sie einen Hubschrauber in Richtung Lawinenstein fliegen. Marlies schaut ihm nach, bis er hinter dem Kamm verschwunden ist.
„Da hat’s sicher jemand erwischt. Manche rasen ja, als wären sie alleine auf der Piste“, sagt Joe.
Marlies nickt: „Es muss ja kein Zusammenstoß sein. Manchmal ist es nur ein einfacher Sturz, und schon hast du einen komplizierten Beinbruch.“
„Oder eine Kopfverletzung. Du solltest auch einen Helm tragen.“
Das Rotorgeräusch wird wieder lauter, der Hubschrauber taucht hinter dem Bergrücken auf und fliegt in südwestliche Richtung davon.
Die Pause hat ihr gutgetan. Ihr Kopf ist fast klar, auch der Druck auf die Augen hat deutlich nachgelassen. Sie beschließen, zum Lawinenstein zu queren. Wie auch gestern fährt Marlies nun ihre Varianten im Gelände. Erst um drei machen sie eine Pause in der Kriemandlhütte. Selbst um diese Zeit ist sie überfüllt. Vor der Hütte ist sowieso alles besetzt, also bleibt nur das Innere, was bei Sonnenschein nicht die erste Wahl ist. Eine Gruppe von Bergrettern sitzt in einer Ecke der Hütte beisammen, gut zu erkennen an den roten Jacken, die sie über die Sessel gehängt haben. Marlies zieht es förmlich zu ihnen hin. Vielleicht haben die mit dem Hubschraubereinsatz zu tun, denkt