Sixties West Germany. Rolf Platho

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Sixties West Germany - Rolf Platho


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geht gerade zu Ende. Als Gerhard Peters den großen geriffelten Senderwahlknopf dreht, knackt, kratzt, jault und knistert es in atemlosen Wechsel, die grünen Pupillenhälften im magischen Auge, in einen Metallring in die Bespannung des Gehäuses eingelassen, ziehen sich unter der Glaskuppel zuckend zusammen, spreizen und schließen sich wie zwei Fächer in totaler Symmetrie, stoßen über ihren Halbkreis hinaus und vertiefen das Grün in überlappenden Dreiecken. Der senkrechte Strich der Senderanzeige schiebt sich über die Reihen schräg absteigender Namen: Helsinki, AFN München, Budapest I, Beromünster, Bayer. Rundfunk, N.W.D.R.

      Er: Was ist denn heute abend?

      Sie: Ich habe noch nicht nachgesehen. Wo hast Du die „Hör Zu“ hingelegt?

      Er: Die muss im Zeitungsständer sein, wo sonst?

      Sie: Stell Dir vor, heute Nachmittag war Vico Torriani im Radio: Plattenplauderei mit Prominenten.

      Er: Ist das nicht dieser komische Schweizer, haben die keine anderen Leute, deutsche Künstler?

      Sie: Sieh mal, hier steht: Stereo Sendung, für Spezialempfänger. Was ist das? Stand „Stereo“ nicht auch auf einer von diesen schrecklichen Schallplatten von Wolfgang?

      Er: Er hat sich ja sogar so ein Sammelalbum für seine Platten gekauft, hast Du das gesehen, mit so amerikanischen Sachen drauf, Mädchen in Petticoats, Motorroller, Straßenkreuzer und so. Aber so lange er seinen Plattenspieler nicht zu laut stellt …

      Sie: „Nach dem Tagebuch aus der Katholischen Kirche diskutieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer die von Vertretern beider Kirchen vorgelegten Empfehlungen zur Eigentumspolitik: „Eigentum für alle – aber wie?“ (Leitung Heinz Zahrnt).“

      Er: Die Katholische Kirche versteht ja was vom Eigentum.

      Sie: Kleines Ständchen. Alte und neue Heimat. Jatz vor dannzing. Was ist das denn? Das war aber schon alles heute Nachmittag. Frohe Klänge. Schwung nach Noten. Aber hier, schau mal, „Melodienreigen“, nach den Nachrichten, das können wir doch mal anhören.

      Er: Gib‘ mal her, gibt es denn nichts Vernünftiges? - Bloß immer Willi Schneider! - Operetten bringen sie fast nie! Oder Musik aus Ufa-Filmen!

      Die Tanzschule kann ihren Namen nicht vollständig verleugnen, es gibt Zeiten von Unterweisung, Vorführung und Herumsitzen. Die Einübung von Praktiken für die Welt der Erwachsenen, unverzichtbar für die Einordnung in die Gesellschaft, fordert Opfer von denen, die sich den Initiationsriten unterziehen. Immerhin ist, anders als im Klassenzimmer, der Blick nach vorn nicht uninteressant. Man schaut auf eine Reihe von Kleidern, Frisuren und Gesichtern, die die Gedanken mit einer Fülle von Anregungen überfluten.

      Die Jungen sitzen auf der einen Seite des großen Saales mit dem Parkettfußboden, die Mädchen auf der anderen.

       I saw her standing there

      Er hat sie schon gesehen. Er fühlt sich fremd mit Schlips und Anzug. So viele Mädchen, und gleich wird er eine davon anfassen. Alle wissen, was kommt

       one two three four

      und nehmen die Gegenseite ins Visier. Zwei Mädchen tuscheln gebeugt miteinander, ein Junge stößt seinen Nachbarn mit dem Ellenbogen an

       the way she looked was way beyond compare

      und zeigt mit dem Kinn hinüber zu dem am weitesten entwickelten Mädchen.

       you know what I mean

      Der soignierte Herr hat mit seiner jungen Assistentin eine Drehung vorgeführt, erst komplett, dass ihr Rock ausschwang, dann in Abschnitten. Er erklärt. Er redet immer noch.

       I saw her standing there

      Noch eine Drehung. „Meine Herren, bitte auffordern“. Ein Schwarm dunkler Anzüge setzt sich in Bewegung, wird schneller, läuft schräg durcheinander

      my heart went ‚boom’ when I crossed the room

      stolpert, drängelt, sucht. - verdammt, hier irgendwo muss es gewesen sein - und findet. Die Verbeugung:

       she wouldn’t dance with another

      Er hat sie tatsächlich erwischt.

      Wir bleiben jetzt noch ein wenig bei Wolfgang und Birgit. Das erotische Moment wird leicht beeinträchtigt durch die unvermeidliche Konzentration auf die Technik. Man muss an so vieles gleichzeitig denken, Oberkörper, Arme und Hände, von den Beinen gar nicht zu reden. Aber dennoch …

      Er hält sie im Arm

       Yeah, you got that something

      Ellenbogen gerade, Hand locker auf dem linken Schulterblatt

       I think you’ll understand

      Seine linke Hand umfasst ihre rechte Hand

       And when I touch you

      Vier Finger ruhen auf ihrem Handrücken, Daumen über Kreuz

       I feel happy inside

      Sie legt ihren linken Arm ohne Gewicht auf seinen rechten Arm

       And please say to me

      Die Partner müssen Tuchfühlung haben

       I want to hold your hand

      BRAVO:„ Knutschen’ macht eine Party nicht lustiger und wird auch gar nicht von allen Mädchen geschätzt. Verzieht sich dennoch ein frühreifer Jüngling mit einem Mädchen in eine Ecke, geht die Gastgeberin diplomatisch vor, indem sie fragt: „Mit mir willst Du wohl heute gar nicht tanzen?“ (Ohne Kommentar)

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