Von der Familie zur Gruppe zum Team. Dr. Hans Rosenkranz
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Hans Rosenkranz
Von der Familie zur
Gruppe zum Team
Vorwort
Dieses Buch entwickelt anhand von Erklärungsmodellen aus der Gruppendynamik, der Transaktionsanalyse, der Hypnotherapie Milton Ericksons und der systemischen Familientherapie Strategien zum Verständnis der verborgenen Strukturen im Chaos menschlicher Beziehungen. Ausgehend von den frühen Lernprozessen in der Familie werden Funktionen und Ausprägungen der Symbiose Eltern-Kind für das Werden der Person und besonders ihre blockierende Wirkung auf die spätere soziale Entwicklung von Personen und Teams dargestellt.
An vielen Beispielen aus seiner Erfahrung als Unternehmensberater, Managementtrainer und Familientherapeut schildert der Autor die praktische Trainings- und Beratungskonzeption, wie sie in den letzten 40 Jahren von ihm bei der Arbeit mit Führungskräften, Trainern und Beratern in gruppendynamischen Selbsterfahrungsseminaren, in familienähnlichen Gruppen und bei Team- und Organisationsentwicklung mit Betrieben entwickelt wurde.
In den Trainings und durch Beratung fördert der Autor bei seinen Klienten den Prozess, Energie blockierende Abwertungszirkel und Misstrauensspiralen zu durchbrechen und Gefühle, gleich welcher Art, bewusst zu machen und nicht verletzend auszudrücken. Im kathartischen Effekt des Loslassens werden sie mit konkreten Verhaltensbeobachtungen verbunden und Familien- und Teampartnern angeboten. Dieses Feedback hat eine doppelt heilsame Wirkung: Selbstheilung für den Sender und Möglichkeit zu sozialem Lernen für den Empfänger. Vergleichbar ist dies mit einem »SOZIALEN QUANTENSPRUNG«. Aus Chaos wird Lernen - dies eröffnet die Hoffnung auf eine angenehme wie auch effiziente Kultur des Miteinanderumgehens sowohl in Familien als auch in Arbeitsgruppen. Die Fähigkeit, gekonnt Feedback zu geben und zu nehmen, kann das weit verbreitete Defizit an sozialer Kompetenz verkleinern und die Qualität unseres Lebens in Familien, Arbeitsgruppen und Organisationen entscheidend verbessern.
Modelle, Thesen und Theorien werden durch Erfahrungsberichte von Teilnehmern und praktischen Beispielen aus der Sicht des Trainers illustriert.
Hans Rosenkranz: Studium der Wirtschaftswissenschaften, der Organisationspsychologie, der Gruppendynamik und der Organisationsentwicklung, der Transaktionsanalyse sowie der Hypno- und Familientherapie.
Hans Rosenkranz arbeitet zusammen mit einem hoch qualifizierten Team von Managementtrainern und Unternehmensberatern für namhafte internationale Unternehmen. Sein Institut »TEAM DR. ROSENKRANZ GMBH« befindet sich in Gräfelfing vor München.
Phasen der Entwicklung
Vom Chaos zur Ganzheit
Teilnehmer gruppendynamischer Seminare erfahren häufig die Anfangsphase als Chaos, bar jeder Ordnung und Zielsetzung. Für sie wiederholt sich dort mit der Geburt einer Gruppe menschliches Urgeschehen. Sie erleben Situationen, die sie an ihre eigene Kindheit erinnern. Vielleicht sind hiermit auch Ahnungen an das Trauma der eigenen Geburt verbunden. Eine Teilnehmerin schreibt zu den ersten Stunden in einem gruppendynamischen Seminar:1
...Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, dass die Teilnehmer sich in diesem Stadium einander vorgestellt hätten. Da niemand auf diese Idee zu kommen scheint, und das Schweigen, in das wir uns eingekrampft haben, unerträglich wird, mache ich den entsprechenden Vorschlag. Alle nennen Vor- und Zunamen, beruflichen Titel und Firma, womöglich noch Familienstand und Alter, danach ihre Vorstellungen von diesem Seminar, ihre Wünsche und Ziele. Da ist er wieder, dieser Kloß im Hals. Jetzt bin ich dran und merke, wie die ganze schöne Kampfhaltung meiner drei Vorrunden zusammenbricht. Ich höre mich in schneller, hastiger Darstellung meine Position, meinen Zustand, meine Absichten genau mit den Worten belegen, die ich um jeden Preis vermeiden wollte und kann nicht verhindern, dass die Tränen rollen. Betretenes Schweigen folgt meinem Einbruch, irgendjemand erzählt überbrückend irgendetwas, bis ich, an meinem festen Vorsatz, hier alles oder nichts zu wagen, mit verkrampfter Stimme zu Ende erzähle. Danach habe ich vollauf mit mir zu tun, meinen Tränenstrom halbwegs im Zaum zu halten. Aber da nun schon einmal nicht zu übersehen ist, dass ich mich, zumindest bis zu diesem Moment, von den anderen unterscheide, verzichte ich auch darauf, hinauszulaufen oder die Maske mühsam wieder aufzusetzen. Ich sage mir, dass ich authentisch mit mir geblieben bin, auch wenn die anderen damit so nichts anfangen können, und dass es von dort aus nur noch besser mit mir werden könne. Wir sollen an einer Punkteskala von -3 bis +3 unsere Stimmung heute und an allen folgenden Tagen mit einem Klebepunkt markieren. Ich setze je einen Punkt in jeweils beide Extrem felder. Für mich ist und bleibt dieser Einstieg vollkommen schlüssig, auch wenn er nicht den Wertungsregeln entspricht.
Trotzdem kann ich später nicht einschlafen. Mir kommt der Gedanke, dass ich vielleicht wie ein Kind meinen Kummer herausgeschrien habe, verbunden mit dem Appell an die anderen, mir zu helfen?! Sollte ich mich also völlig unerwachsen benommen haben? Unfähig, meine Probleme selbst zu lösen? Oder vielmehr unwillig, meine Probleme selbst zu lösen? Was ist, wenn ich herausfinde, dass ich in meiner häuslichen Umgebung für mich gar keine Lösungsbearbeitung will, damit ich keine Eigenverantwortung übernehmen muss? Weiß ich schon zu viel über mich oder erst recht viel zu wenig? Mit heißen Augen und schweren Gedanken gehe ich in den zweiten Tag.
Eine andere Teilnehmerin schreibt über den Beginn eines Transaktionsanalyse-Seminars:2
...Noch am Sonntagabend trafen sich alle Teilnehmer einschließlich Trainer Hans in dem Tagungsraum des Hotels. Mir war ganz schön mulmig im Magen, als ich mich vierzehn anderen Leuten gegenübersah, deren beruflicher Erfolg mir förmlich ins Gesicht schrie. Ich hatte Angst - Angst, vor diesen Leuten, die mir so übermächtig erschienen, nicht bestehen zu können. Das Gefühl war kein neues, ich kannte es schon an mir - oft tauchte es Personen gegenüber auf, hinter denen ich Autoritäten vermutete. Doch nach meinem Motto »Wo die Angst ist, geht’s lang« wollte ich mich der Situation stellen. Ich wollte diese Angst überwinden, diese Hemmungen entlarven.
Es ging los. Zunächst stellte jeder seine Person vor. Wir sollten etwas über unsere Namensgeschichte, unsere Spitznamen erzählen, sagen, wie wir angesprochen werden wollten, ein Symbol für uns wählen, uns in die Rolle eines Zauberers versetzen, in dieser Rolle uns selbst und die anderen nach unseren Fantasien verändern. Schließlich sollten wir unsere Erwartungen, Befürchtungen und Hoffnungen und das Seminar, die anderen, an uns selbst und an den Trainer aussprechen. Ich sollte mich vorstellen. Damit war die Situation, der ich mich stellen wollte, bereits da. Es gab für mich kein Zurück; ich musste etwas sagen, noch dazu zu meiner eigenen Person. Ich konnte kaum zuhören, was die anderen Gruppenmitglieder erzählten, konnte mich auch nicht auf meinen ‘Auftritt’ vorbereiten. Ich war blockiert von meiner eigenen Unsicherheit. Heute taucht in meiner Erinnerung eine Führungskraft als Zuckerrübe auf, ein Kolibri, ein Häschen! Schließlich, als ich mich überzeugt hatte, dass wirklich niemand mehr das Wort ergreifen wollte, begann ich zu sprechen. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber ich weiß, dass der unsichere Teil meiner Person bereits spürbar war, obwohl ich ihn eigentlich verbergen wollte.
Auch für mich als Trainer ist immer wieder faszinierend, wie aus einer Versammlung von Einzelnen, die chaotischen Kräften ausgeliefert zu sein scheinen, eine Gruppe wird, die ihr Geschehen reflektiert und ordnet. Ähnliche, eher noch chaotischere Situationen erlebe ich in neu zusammengestellten oder auch schon bestehenden Abteilungen von Betrieben, die mich als Berater zu ihren Konfliktworkshops oder zu Teamentwicklungsprojekten einladen.
Über die Vorphase eines Teamtrainings in einem großen Betrieb schreibt einer der Teilnehmer:3
Drei, vier Tage vor dem ‘Trainingsbeginn’ setzen wir uns zusammen. Wir, das sind die ‘Indianer’ (Sachbearbeiter auf der hierarchisch niedrigsten Ebene) unserer Hauptabteilung ohne unseren Vorturner; M. (der Co-Trainer) ist dabei, er will informieren sowie Anregungen und Kritik aufnehmen. Wir stellen unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen fest. Was sollen wir überhaupt auf dieser Veranstaltung? Unsere (auf Indianerebene) persönlichen Beziehungen sind ja problemlos,