Orangen und Datteln. Karl May

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Orangen und Datteln - Karl May


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zogen sich außer der Festung Mersa Edduben verschiedene Fortifikationen hin.

      Auf dem Quai bewegten sich Gruppen weißer Burnusgestalten, Neger und Negerinnen in den buntesten Kostümen, Frauen, vom Kopfe bis zum Fuße in weiße Wollenschleier gehüllt, Mauren und Juden in türkischer Tracht, Mischlinge aller Farben, Herren und Damen in europäischer Kleidung und französische Militärs in allen Graden und Abteilungen.

      Ich ließ mein Gepäck nach dem Hotel de Paris in der Straße Bab-eI-Qued schaffen, restaurierte mich dort nach Bedürfnis und begab mich dann in die Straße Bab-Azoun, in welcher die Wohnung Mr. Latréaumonts lag.

      Meine Karte wurde abgegeben, und sofort erschien der Chef unter der Thür des Zimmers, in welchem er arbeitete.

      »Bienvenu, bienvenu monseigneur, aber nicht hier, nicht hier! Bitte, kommen Sie mit mir, damit ich Sie Madame und Mademoiselle vorstelle. Wir haben seit lange mit Schmerzen auf Sie gewartet!«

      Dieser unerwartete Empfang mußte mich frappieren. Mit Schmerzen hatte man auf mich, den Unbekannten, gewartet? Aus welchem Grunde?

      Latréaumont war ein kleiner, höchst beweglicher Mann, welcher die breiten, marmornen Stiegen erklommen hatte, noch ehe die Hälfte derselben unter mir lag. Das Haus war früher der Palast eines reichen Muselmannes gewesen, und die Vereinigung arabischer Architektur mit französischer Ausstattung brachte einen eigentümlichen Effekt hervor. Ich wurde durch den brillant eingerichteten Salon in das Familienzimmer geführt, eine Auszeichnung, welche mit dem Schmerze, mit welchem man mich erwartet hatte, in Verbindung stehen mußte.

      Madame saß, in einem Romane blätternd, auf einem Taburett; sie war nach europäischem Schnitte in schwarze Seide gekleidet. Mademoiselle lag in einem sammetnen Diwan und trug das bequeme, malerische, morgenländische Gewand. Ein weites, seidenes Beinkleid reichte vom Gürtel bis zum Knöchel herab, während der nackte Fuß in blauen, goldgestickten Pantoffeln stak; feine Spitzeneinsätze, mit Gold und Silber durchwirkt, bedeckten Hals und Brust, und darüber trug sie eine sammetne türkische Jacke, die mit kostbaren Arabesken verziert und mit Reihen wertvoller Knöpfe besetzt war. Das dunkle Haar war von Gold- und Perlenschnüren durchflochten und in blaue und rosa Foulards eingebunden.

      Beide Damen erhoben sich bei unserm Eintritte und konnten ihre Ueberraschung über den gesellschaftlichen faux pas kaum verbergen, welchen der Hausherr dadurch beging, daß er einem Fremden so ohne alle vorherige Anmeldung in diesem Raume Zutritt gestattete. Kaum aber hatten sie meinen Namen gehört, so machte diese Ueberraschung dem Ausdrucke unverhohlener Freude Platz.

      Madame eilte zu mir heran und ergriff meine Hand.

      »Welch ein Glück, Monseigneur, daß Sie endlich kommen! Unsere Sehnsucht nach Ihnen ist grenzenlos gewesen. Nun aber dürfen wir ruhiger sein, denn Sie werden unserm wackern Bothwell nacheilen und ihm helfen, R6nald zu finden!«

      »Gewiß, Madame, werde ich dies thun, wenn Sie es wünschen, nur bitte ich Sie, mir zu sagen, wer Rénald ist und was für eine Bewandtnis es mit ihm und Emery hat, den ich hier zu treffen hoffte!«

      »Sie wissen es noch nicht, wirklich noch nicht? Mon dieu, die ganze Stadt weiß es ja schon längst!«

      »Aber, Blanche,« fiel Latréaumont ein, »magst du nicht bedenken, daß Monseigneur jedenfalls soeben erst mit der Messagerie angekommen ist?«

      »Vraiment, das ist wahr! Sie können noch nichts wissen! Bitte, nehmen Sie Platz, und, Clairon, begrüße doch unsern Gast!«

      Die junge Dame verneigte sich mit verbindlicher, beinahe respektvoller Höflichkeit, und ich wurde von der Mutter zu einem Sitze geleitet. Der Empfang war geheimnisvoll, und ich sah dem Kommenden mit wirklicher Erwartung entgegen.

      »Sie finden uns in einer Situation,« begann Latr6aumont, »welche uns gebietet, von den gewöhnlichen Formen abzusehen. Emery hat uns sehr viel, sehr viel von Ihnen erzählt, was bei seiner verschlossenen Weise für uns eine Veranlassung ist, Ihnen unser ganzes und vollständiges Vertrauen zu schenken.«

      »Ja, unser ganzes und unerschütterliches Vertrauen, Monseigneur,« bekräftigte Madame, nach dem höflichen Gebrauche des Südens das Monseigneur an Stelle des einfachen Monsieur setzend. »Sie haben so viel Schlimmes mit unserm Neveu gewagt, daß Sie wohl auch nicht vor der Erfüllung unserer Bitte zurückschrecken werden.«

      Ich mußte beinahe über die rasche Art und Weise lächeln, in welcher diese liebenswürdigen Leute über mich verfügten, die ich zwar noch nicht kannte, welche aber nach den Worten der Dame mit irgend einer Gefahr für mich verbunden sein mußte.

      »Mesdames und Monseigneur, gestatten Sie mir, mich Ihnen für alles, was Sie von mir wünschen, zur Verfügung zu stellen!« bat ich.

      »Eh bien! Nach dem, was wir von Ihnen hörten, konnten wir nichts anderes erwarten, obgleich ich Ihnen zu unserer Entschuldigung sagen muß, daß unsre Bitte keine selbständige ist, sondern uns von Bothwell diktiert wurde.«

      »Liegt es in meiner Macht, so wird sie erfüllt!« antwortete ich einfach.

      »Ich danke Ihnen, Monseigneur!« sprach Latréaumont.

      »Wir haben einen großen Verlust, ein fürchterliches Unglück erlitten – – –«

      »Ja ein fürchterliches, ein gräßliches Unglück, Monseigneur,« fiel Madame ein, indem ihr die Thränen aus den Augen brachen.

      Auch Clairon, die Tochter, zog ihr duftendes Taschentuch, um ein sich hervordrängendes Schluchzen zu verbergen.

      »Bitte, sprechen Sie, Madame!«

      »Nein, ich kann es nicht erzählen; der Kummer raubt mir die Worte dazu!«

      Die kleine, zarte Dame zeigte auf einmal eine Erschütterung, welche so tief war, daß sie mich beinahe beängstigte.

      »Bitte, Monseigneur, lassen Sie mich hören!« bat ich darum Latréaumont.

      »Kennen Sie die Imoscharh?« fragte er, fügte aber sofort in der lebhaften südlichen Weise hinzu: »Doch nein, Sie können sie ja nicht kennen, da Sie heute erst hier ankamen; aber ich sage Ihnen, diese Imoscharh oder Tuareg sind ein fürchterliches Volk, und die Karawanenstraße von Ain Salah nach Ahir, Dschenneh und Sakkatu, auf welcher ich meine Güter nach dem Sudan schicke, geht grad durch ihr Gebiet. Mein Haus ist das einzige in Algier, welches direkte Beziehung nach Timbuktu, Pullo, Haussa, Bornu und Wadai unterhält, und da wir fern von jeder Straße liegen und nur erst in Ain Salah oder Ghadames und Ghat Anschluß finden, so ist die Unterhaltung so unsicherer Handelsverbindungen oft mit schweren Opfern und Verlusten verbunden. Das Schwerste aber hat uns mit der letzten Kaffila betroffen.«

      »Sie wurde von den Tuareg überfallen?«

      »Sie raten richtig, Monseigneur. Die Gum griff sie auf und machte alles nieder. Nur einer entkam; er hatte sich gleich bei Beginn des Kampfes tot gestellt und brachte mir die Nachricht von dem fürchterlichen Schlage, der meine Familie betroffen hat.«

      »Ihr Haus wird sich von demselben erholen, Monseigneur

      »Mein Haus, ja, aber meine Familie nie! Der Verlust der Güter ist zu verschmerzen, aber R6nald, mein Sohn, mein einziger Sohn, befand sich bei der Kaffila und ist nicht zurückgekehrt!«

      Jetzt konnten die Damen ein lautes Weinen nicht länger zurückhalten, und auch Latréaumont gab sich rückhaltslos seinem Schmerze hin, der ihn übermannte. Ich ließ sie einige Zeit gewähren und fragte dann:

      »Erhielten Sie keine bestimmte Nachricht über sein Schicksal? Die Räuber der Wüste pflegen keinen Pardon zu geben.«

      »Er lebt noch!«

      »Ah! Das müssen Sie als ein Wunder betrachten, wenn nicht ein Irrtum vorliegt!«

      »Er lebt sicher, denn wir erhielten Nachricht von ihm.«

      »Durch wen?«

      »Durch einen Tuareg, welcher von dem Aguid abgeschickt worden war. Er verlangte ein Lösegeld.«


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