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Drei Musketiere
Eine verlorene Jugend im Krieg
Band 19
1944
Copyright: © 2019 Frank Hille
Published by: epubli GmbH, Berlin
www. epubli.de
Martin Haberkorn, 21. April 1944, Brest
Günther Weber, 21. April 1944,
Martin Haberkorn, 21. April 1944, Brest
Fred Beyer, 25. April 1944, Russland
Martin Haberkorn, 26. April 1944, Brest
Günther Weber, 26. April 1944, westlich von Kowel
Martin Haberkorn, 29. April 1944, Biskaya
Martin Haberkorn, 3. Mai 1944, Brest
Fred Beyer, 15. Mai 1944, östlich von Minsk
Martin Haberkorn, 15. Mai 1944, Brest
Fred Beyer, 15. Mai 1944. Marsch zur Front
Günther Weber, 17. Mai 1944, Minsk
Martin Haberkorn, 21. April 1944, Brest
Das Gespräch beim Flottillenchef hatte in einer sehr angenehmen, aber auch nachdenklichen Atmosphäre stattgefunden. Der Grund dafür war sicher auch der gewesen, dass sich die beiden Männer schon lange kannten und schätzten. Vollkommen zwangslos hatten sie auf zwei gegenüberstehenden Ledersofas Platz genommen, eine Ordonanz war schnell mit Kaffee und Cognac dagewesen, einen Aschenbecher auf den kleinen Tisch gestellt und war dann wieder sofort verschwunden. Martin Haberkorn war ein mäßiger Raucher und Trinker, der sehr bewusst und genussvoll konsumierte, und so konnte er durchaus einschätzen, dass der Cognac zu einer der weitaus besseren als in den Messen zu bekommenden Sorten zählte, und die Zigarren eine ausgezeichnete Qualität aufwiesen. Er hielt nicht allzu viel davon wie andere Kommandanten beim Einlaufen großspurig auf dem Turm zu posieren und eine Zigarre zu paffen. Vielmehr war es einzig und allein eine ganz pragmatische Entscheidung von ihm gewesen sich für die Stumpen zu entscheiden, und da er nun einmal gern rauchte und auf den Reisen eben wenig Gelegenheit dazu da war, hatte er Zigarren ausgewählt, weil die länger als eine Zigarette brannten und nicht bei jedem Windzug zerbröselten oder gar ausgingen. Sich eine Pfeife zu stopfen war ihm viel zu umständlich, und er musste ständig an ihr herumnuckeln, um den Tabak am Glimmen zu halten. Mit einer Zigarre in der Hand konnte er sich bei Überwasserfahrt in ruhigen Gewässern eine Weile auf dem Turm oder im Wintergarten aufhalten und den Rauchkringeln nachsehen. Anfangs hatte er mit dem doch recht starken Tabak seine Probleme gehabt, aber dann den Bogen rausgekriegt, und nicht jeden Zug auf Lunge genommen. Haberkorn wusste sehr genau, dass ein starker Raucher zu Beginn des Seekrieges durchaus öfter einmal am Oberdeck seinem Laster nachgehen konnte, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Jetzt wurden die Boote bei Tag und Nacht in den wichtigen Gebieten der Geleitzugrouten ständig unter Wasser gezwungen, und schon das Auftauchen an sich war immer eine kritische Situation. Hatten sich früher etliche Männer auf dem Oberdeck zum Rauchen aufhalten können war jetzt eine Art Ablösesystem für einzelne Leute eingeführt worden, weil Haberkorn so wenig Matrosen als möglich oben haben wollte, denn dann mussten bei Alarm auch mehr Männer einsteigen und das kostete lebenswichtige Zeit. Heute waren die Normzeiten längst von der Realität eingeholt worden und es gab das Ziel, diese größtmöglich zu unterschreiten. Jede Sekunde späteres Wegtauchen war für eine anfliegende Maschine des Gegners ein wichtiger, und für das Boot möglicherweise ein tödlich wirkender Streckengewinn. Die Alliierten hatten mächtig aufgerüstet und die herkömmliche Art des Abwerfens von Bomben auf ein Boot war schon lange nicht mehr das einzige Angriffsverfahren. Der Einsatz von Raketen war nunmehr sehr intensiviert worden, und obwohl die Treffgenauigkeit noch nicht allzu hoch war und den Besatzungen der Flugzeuge noch die ausreichende Erfahrung fehlte hatte der geballte Einsatz dieser Waffen schon einige deutsche U-Boote auf den Grund geschickt. Manchmal erlaubte Haberkorn den Männern in der Zentrale an der „Zimmerlinde“, dem Schacht für die Ausfahrgeräte, und unter dem offenen Turmluk eine kurze Smoketime.
Jetzt saß er entspannt im Dienstzimmer des Flottillenchefs und hielt eine dampfende Zigarre in seiner linken Hand, in der rechten ein bauchiges Cognacglas. Der Schnaps schimmerte goldgelb und in einer Intensität, die er bei so einem Getränk noch nicht gesehen hatte. Er hob das Glas etwas an, bewegte es leicht und ließ die Flüssigkeit dadurch ein wenig kreisen. Das Licht brach sich vielfach und er meinte ein intensives Farbenspiel zu erkennen.
„Das ist schon ein edler Tropfen“ sagte der Korvettenkapitän „nicht so eine Plörre wie in der Messe. Das sind ja ganz üble Verschnitte, die aus allem Möglichen zusammengemischt sind. Aber, sie machen eben schnell besoffen, allerdings auch ordentliche Kopfschmerzen. Doch wen interessiert das schon, wenn er von einer ganz üblen Reise zurückkommt, und gerade noch einmal davongekommen ist. Da müssen doch die schlechten Erinnerungen erst einmal schnell vertrieben werden. An den Kater denkt da noch keiner. Aber wie gesagt, das hier ist ein guter Schluck und ich halte es mit der Devise, dass man für einen wahren Genuss eben auch bezahlen muss. Warum ich Sie eingeladen habe? Nun, Herr Oberleutnant, es stehen Veränderungen an. Gestern ist endgültig die Entscheidung durch die Werftkommission und die Herstellerwerft getroffen worden, Ihr Boot als nicht mehr fronttauglich zu erklären. Man hat mir deshalb vorgeschlagen es aus dem aktiven Bestand herauszunehmen und als Teilespender zu nutzen. Der Stab beim BdU hat auch schon zugestimmt. Warum jetzt so erstaunt? Sie haben das doch auch geahnt, oder etwa nicht? Als der Schlitten nach der letzten Reise so lala wieder repariert worden war stand doch schon fest, dass er durch die heftigen Waboangriffe strukturell nur noch mäßig belastbar war. Wenn man die Garantie der maximalen Tauchtiefe von 200 Metern auf 160 verringert heißt das doch nichts weiter, als dass das Boot wie eine weiche Matratze ist und durchhängt. Aber bei Preußens ist ja alles geregelt. Also erklärt man das Fahrzeug für einsatzfähig, aber eben mit dieser Einschränkung. Und beim Tieftauchversuch hatte sich ja dann auch gezeigt, dass mehr wirklich nicht drin gewesen war. Ich habe mich also für eine erneute Überprüfung des Bootes stark gemacht, denn ich bin für die Boote und das Leben deren Besatzungen verantwortlich und lasse es in so einem Zustand nicht auf eine neue Reise gehen. Jedenfalls haben dann wohl doch einige kalte Füße wegen der miesen Ergebnisse gekriegt. Tja, jetzt stehen Sie erst mal ohne Boot da. Aber mal ganz ehrlich, hätten Sie noch ein gutes Gefühl mit diesem morschen Schlitten gehabt?“
„Nein, Herr Kapitän.“
„Na also. Ich muss ausdrücklich anerkennend sagen, dass die Führung sofort reagiert hat. Der BdU hat doch schon lange begriffen, dass unser wichtigstes Kapital, wenn man das mal so sagen darf, das Personal ist. Ihnen muss ich das ja nicht erzählen, aber wer weiß von den anderen denn schon, wie lange die Ausbildung und das Einfahren einer Besatzung dauert? Vor ein paar Jahren mag das ja noch nicht so kritisch gewesen