Ein feines Haus. Emile Zola

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Ein feines Haus - Emile Zola


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in ihr Glas Fruchtsaft. Im übrigen schienen die in Fahrt gekommenen Eltern ihr Eintreten nicht einmal zu bemerken. Sie zankten sich weiter.

      »Lächerlich, lächerlich, mein Lieber! Lächerlich, das werde ich nicht länger sein! Den Kopf soll man mir abhacken, wenn ich noch ein Paar Handschuhe abnutze, um die Mädchen unter die Haube zu bringen ... Jetzt bist du dran! Und sieh zu, daß du dich nicht noch lächerlicher machst als ich!«

      »Bei Gott noch mal, meine Liebe! Jetzt, wo du sie überall herumgeführt und bloßgestellt hast! Bringe sie unter die Haube oder nicht, mir ist das schnuppe!«

      »Mir ist das noch mehr schnuppe, mein lieber Josserand! Mir ist das so schnuppe, daß ich sie auf die Straße setzen werde, wenn du mir noch länger zusetzt. Falls du nur im geringsten Lust hast, kannst du ihnen ja folgen, die Tür steht offen ... Ach, Herrgott! Da wäre ich eine schöne Last los!«

      Die jungen Damen hörten seelenruhig zu, sie waren an diese lebhaften Auseinandersetzungen gewöhnt. Sie aßen immer noch, und da die Unterjacken ihnen von den Schultern gerutscht waren, rieben sie ihre nackte Haut sacht an den lauwarmen Kacheln des Ofens; und so schamlos entblößt, wirkten sie bezaubernd in ihrer Jugend, mit ihrem Heißhunger und ihren schlaftrunkenen Augen.

      »Es ist sehr verkehrt von euch, daß ihr euch streitet«, sagte Hortense schließlich mit vollem Mund. »Mama kriegt vor Kummer graue Haare, und Papa wird morgen im Büro noch krank sein ... Mir scheint, wir sind groß genug, um uns allein unter die Haube bringen zu können.«

      Das gab eine Ablenkung. Der Vater, der mit seinen Kräften am Ende war, tat so, als mache er sich wieder an seine Streifbänder; und er verharrte mit der Nase über dem Papier, weil er nicht imstande war zu schreiben, so sehr zitterten ihm die Hände.

      Unterdessen hatte sich die Mutter, die wie eine losgelassene Löwin im Zimmer umherlief, vor Hortense aufgepflanzt.

      »Wenn du dich meinst«, schrie sie, »dann bist du ganz schön blöd! Dein Verdier wird dich niemals heiraten.«

      »Das ist ja meine Sache«, erwiderte das junge Mädchen unumwunden.

      Nachdem sie fünf oder sechs Freier – einen kleinen Angestellten, den Sohn eines Schneiders, andere Burschen, die ihrer Meinung nach keine Zukunftsaussichten hatten – voller Verachtung abgewiesen, hatte sie sich für einen Rechtsanwalt entschieden, den sie bei Dambrevilles getroffen hatte und der bereits vierzig Jahre alt war. Sie hielt ihn für sehr tüchtig, dazu ausersehen, ein großes Vermögen zu erwerben. Das Unglück dabei aber war, daß Verdier seit fünfzehn Jahren mit einer Geliebten zusammen lebte, die in seinem Stadtviertel sogar für seine Frau galt. Hortense wußte es übrigens und zeigte sich deswegen nicht sonderlich beunruhigt.

      »Mein Kind«, sagte der Vater, erneut den Kopf hebend, »ich hatte dich doch gebeten, nicht an diese Verbindung zu denken ... Du kennst die Lage ja.«

      Für einen Augenblick hörte sie auf, an dem Kaninchenknochen herumzulutschen, und erwiderte ungeduldig:

      »Na und? Verdier hat mir versprochen, ihr den Laufpaß zu geben. Sie ist eine dumme Pute.«

      »Hortense, es ist verkehrt von dir, so zu sprechen ... Wenn dieser Bursche nun eines Tages auch dir den Laufpaß gibt, um zu der zurückzukehren, von der er sich deinetwegen getrennt hat?«

      »Das ist ja meine Sache«, wiederholte das junge Mädchen in ihrer kurz angebundenen Art.

      Berthe hörte zu, sie war in diese Geschichte eingeweiht, deren mögliche Wendungen sie täglich mit ihrer Schwester erörterte. Im übrigen stand sie wie ihr Vater auf der Seite der armen Frau, die nach fünfzehn Jahren gemeinschaftlichen Lebens auf die Straße gesetzt werden sollte.

      Aber Frau Josserand griff ein.

      »Hört bloß auf! Diese elenden Geschöpfe landen schließlich doch immer wieder in der Gosse. Allerdings wird Verdier ja doch nie die Kraft aufbringen, sich von ihr zu trennen ... Er hält dich zum Narren, meine Liebe. Ich an deiner Stelle würde keine Sekunde auf ihn warten, ich würde mich bemühen, einen anderen zu finden.«

      Hortenses Stimme wurde noch schriller, während zwei fahle Flecken auf ihre Wangen traten.

      »Mama, du weißt ja, wie ich bin ... Ich will ihn haben, und ich werde ihn kriegen. Niemals werde ich einen anderen heiraten, und wenn ich hundert Jahre auf ihn warten müßte.«

      Die Mutter zuckte die Achseln.

      »Und du schimpfst andere dumme Puten!«

      Aber das junge Mädchen hatte sich bebend erhoben.

      »Ach was, fall nicht über mich her!« schrie sie. »Ich bin mit meinem Kaninchen fertig, ich gehe lieber schlafen ... Da es dir ja nicht gelingt, uns unter die Haube zu bringen, mußt du uns eben gestatten, daß wir es so machen, wie es uns beliebt.« Und sie zog sich zurück, sie schlug heftig die Tür hinter sich zu.

      Frau Josserand hatte sich majestätisch zu ihrem Gatten umgewandt. Sie gab folgende tiefsinnige Bemerkung von sich:

      »Da siehst du, mein Lieber, wie du deine Töchter erzogen hast!«

      Herr Josserand erhob keinen Einspruch; er war damit beschäftigt, sich einen Fingernagel mit Tintentüpfelchen zu besprenkeln, bis er weiterschreiben konnte.

      Berthe, die ihr Brot aufgegessen hatte, tunkte einen Finger in das Glas, um ihren Fruchtsaft aufzulutschen. Ihr war behaglich zumute, der Rücken brannte ihr, und sie beeilte sich nicht, denn sie verspürte wenig Verlangen, in ihr Zimmer zu gehen und dort die zänkische Laune ihrer Schwester ertragen zu müssen.

      »Aha, das ist der Lohn!« fuhr Frau Josserand fort und nahm ihre Wanderung durch das Eßzimmer wieder auf. »Zwanzig Jahre lang plackt man sich für diese Damen ab, man bringt sich an den Bettelstab, um vornehme Frauen aus ihnen zu machen, und sie bereiten einem nicht einmal die Genugtuung, sich nun so unter die Haube bringen zu lassen, wie es einem schmeckt ... Wenn man ihnen noch etwas verweigert hätte! Aber ich habe nie einen Centime für mich behalten, habe an meinen Toiletten abgeknapst, habe sie so gekleidet, als ob wir fünfzigtausend Francs Jahreszinsen zur Verfügung hätten ... Nein, das ist doch wirklich zu dumm! Wenn diese Frauenzimmer da eine sorgfältige Erziehung genossen haben, was man gerade so an Religion braucht und vom Benehmen reicher Töchter wissen muß, dann lassen sie einen im Stich und sprechen davon, Rechtsanwälte zu heiraten, Abenteurer, die einen ausschweifenden Lebenswandel führen!« Sie blieb vor Berthe stehen, drohte ihr mit dem Finger und sagte: »Wenn du etwa auch wie deine Schwester einschlägst, dann kriegst du es mit mir zu tun.« Dann begann sie wieder umherzustapfen, redete dabei mit sich selber, sprang von einem Gedanken auf den anderen über, widersprach sich mit der Bestimmtheit einer Frau, die immer recht hat. »Ich habe getan, was ich tun mußte, und müßte es noch einmal getan werden, so würde ich es noch einmal tun ... Im Leben ziehen immer nur die den kürzeren, die am schüchternsten sind. Geld ist Geld: wenn man keins hat, dann legt man sich am besten gleich schlafen. Wenn ich zwanzig Sous hatte, habe ich immer gesagt, ich hätte vierzig; denn darin liegt die ganze Weisheit, es ist besser, Neid zu erregen als Mitleid ... Man kann noch soviel Bildung genossen haben, wenn man nicht gut gekleidet ist, verachten einen die Leute. Das ist zwar nicht gerecht, aber es ist so ... Lieber würde ich schmutzige Unterröcke tragen als ein Kattunkleid. Eßt Kartoffeln, aber bringt ein Hühnchen auf den Tisch, wenn ihr Gäste zum Abendessen habt ... Und wer das Gegenteil behauptet, ist ein Dummkopf!« Sie starrte ihren Mann an, dem diese letzten Bemerkungen galten.

      Erschöpft, einer neuen Schlacht ausweichend, war dieser feige genug, zu erklären:

      »Das ist schon wahr, heutzutage zählt nur das Geld.«

      »Da hörst duʼs«, versetzte Frau Josserand, wieder auf ihre Tochter zurückkommend. »Gehe deinen geraden Weg und versuche uns Freude zu bereiten ... Wieso hast du diese Partie schon wieder verpatzt?«

      Berthe begriff, daß nun sie an der Reihe war.

      »Ich weiß nicht, Mama«, murmelte sie.

      »Ein stellvertretender Bürovorsteher«, fuhr die Mutter fort, »keine dreißig Jahre alt, eine prächtige Zukunft. Der bringt einem alle Monate sein Geld an; der


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