Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Elfter Band: enthaltend Kapitel 21 und 22.. Томас Бабингтон Маколей
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Einundzwanzigstes Kapitel.
Wilhelm III
Eindruck von Mariens Tode auf dem Continent
Auf dem Continent machte die Nachricht von Mariens Tode einen sehr verschiedenen Eindruck. Die Hugenotten beweinten in allen Gegenden Europa’s, wohin sie verschlagen waren, die Auserwählte, die ihren königlichen Aufwand beschränkt hatte, um dem verfolgten Volke Gottes Brot und Obdach zu geben.1 In den Vereinigten Provinzen, wo sie genau gekannt und immer populär gewesen war, wurde ihr Tod aufrichtig bedauert. Matthias Prior, dem seine Talente und Kenntnisse die Gönnerschaft des freigebigen Dorset verschafft hatten und der jetzt der Gesandtschaft im Haag attachirt war, schrieb, daß die kälteste und für Gefühlsaffecte unempfänglichste aller Nationen berührt sei. Der Marmor selbst, sagte er, weine.2 Die Klagen von Cambridge und Oxford fanden in Leyden und Utrecht Wiederhall. Die Generalstaaten legten Trauer an. Auf allen Kirchthürmen Hollands ertönte jeden Tag Trauergeläute.3 Inzwischen verbot Jakob in Saint-Germains jede Trauerfeier aufs Strengste, und bestimmte Ludwig, ein gleiches Verbot auch in Versailles zu erlassen. Einige der vornehmsten Edelleute Frankreich’s, unter andern die Herzöge von Bouillon und von Duras, waren mit dem Hause Nassau verwandt und hatten jedesmal, wenn der Tod dieses Haus heimsuchte, die schicklichen Trauerceremonien genau beobachtet. Diesmal wurde ihnen untersagt, sich schwarz zu kleiden, und sie fügten sich; aber die Macht des großen Königs ging nicht so weit, daß er seine hochgebildeten und geistreichen Höflinge hätte verhindern können einander zuzuflüstern: es liege doch etwas Erbärmliches in dieser Rache, die der Lebende an dem Todten, ein Vater an seinem Kinde nehme.4
Die Hoffnungen Jakob’s und seiner Exilgefährten waren jetzt größer als sie seit der Schlacht von La Hogue je gewesen. Die Staatsmänner, sowohl bei uns, als auch auf dem Continent, waren in der That allgemein der Ansicht, daß es Wilhelm nicht möglich sein werde, sich noch lange auf dem Throne zu halten. Ohne den Beistand seiner Gemahlin, sagte man, würde er sich nicht einmal so lange haben halten können. Ihre Leutseligkeit habe Viele gewonnen, die sein kaltes Benehmen und seine kurzen Antworten abgestoßen hätten. Ihr englischer Accent, ihre englischen Gesinnungen und Neigungen hätten Viele bezaubert, denen sein holländischer Accent und seine holländischen Gewohnheiten zuwider gewesen seien. Obgleich sie der Hochkirchenpartei nicht angehört, habe sie doch dieses Ritual geliebt und sich gern und ehrerbietig einigen Ceremonien anbequemt, die er zwar nicht als sündhaft, doch als kindisch angesehen und an denen Theil zu nehmen er schwer habe über sich gewinnen können. So lange der Krieg daure, müsse er nothwendig fast die Hälfte des Jahres außerhalb England’s zubringen. Bisher habe sie in seiner Abwesenheit ihn vertreten, und gut vertreten. Wer solle ihn jetzt vertreten? In welchen Stellvertreter könne er gleiches Vertrauen setzen? Welchem Stellvertreter werde die Nation gleiche Achtung zollen? Alle Staatsmänner Europa’s stimmten daher in der Ansicht überein, daß seine zum mindesten schwierige und gefährliche Lage durch den Tod der Königin noch schwieriger und gefährlicher geworden sei. Aber alle Staatsmänner Europa’s täuschten sich, und merkwürdigerweise war seine Regierung nach dem Ableben Mariens entschieden glücklicher und ruhiger als zu ihren Lebzeiten.
Luxemburg’s Tod
Wenige Stunden nachdem er das zärtlichste und geliebteste aller ihm befreundeten Wesen verloren hatte, wurde er von dem gefürchtetsten aller seiner Feinde befreit. Der Tod hatte in Paris so gut wie in London ein Opfer gefordert. Während Tenison an Mariens Sterbelager betete, reichte Bourdaloue dem Marschall von Luxemburg die letzte Oelung. Der große französische General war nie ein Günstling des französischen Hofes gewesen; als man aber erfuhr, daß sein schwächlicher, durch Kriegsstrapatzen und sinnliche Genüsse erschöpfter Körper einer gefährlichen Krankheit erliege, wurde der Werth seiner Dienste zum ersten Male vollständig gewürdigt; die königlichen Leibärzte wurden zu ihm gesandt, um Heilmittel zu verordnen, die Schwestern von Saint-Cyr erhielten Befehl, für ihn zu beten, aber Heilmittel und Gebete waren vergebens. „Wie wird sich der Prinz von Oranien freuen,” sagte Ludwig, „wenn er Kenntniß von unsrem Verluste erhält!” Er irrte sich. Die Nachricht kam Wilhelm in einem Augenblicke zu, wo er an keinen andren Verlust zu denken vermochte, als der ihn selbst betroffen hatte.5
Wilhelm’s Schmerz
Während des ersten Monats nach Mariens Tode war der König zu keiner Anstrengung fähig. Selbst auf die Adressen der beiden Parlamentshäuser antwortete er nur mit einigen unartikulirten Lauten. Die Antworten, welche in die Protokolle aufgenommen sind, waren nicht mündlich von ihm gesprochen, sondern schriftlich eingereicht. Die unaufschiebbaren Geschäfte wurden durch die Vermittelung Portland’s erledigt, der selbst vom Kummer gebeugt war. Einige Wochen lang ruhte die wichtige und vertrauliche Correspondenz zwischen dem Könige und Heinsius. Endlich zwang sich Wilhelm, diese Correspondenz wieder aufzunehmen; aber sein erster Brief war der Brief eines Mannes, dessen Herz gebrochen war. Selbst sein kriegerisches Feuer war durch den Schmerz gedämpft worden. „Ich sage Ihnen im Vertrauen,” schrieb er, „daß ich mich für das Militärcommando nicht mehr tauglich fühle. Ich will indessen versuchen meine Pflicht zu thun und hoffe, daß Gott mir Kraft verleihen wird.” So verzagt sah er dem glänzendsten und glücklichsten seiner vielen Feldzüge entgegen.6
Parlamentsverhandlungen; Emancipation der Presse
Die parlamentarische Thätigkeit wurde nicht unterbrochen. Während die Abtei wegen des Leichenbegängnisses der Königin schwarz ausgeschlagen war, kamen die Gemeinen zu einem Beschlusse, der damals wenig Aufmerksamkeit und gar keine Aufregung hervorrief, den voluminöse Annalisten unerwähnt gelassen haben und dessen Geschichte man nur unvollständig aus den Parlamentsarchiven ersehen kann, der aber für die Freiheit und Civilisation mehr gethan hat als die Große Charte oder die Rechtsbill. Kurz nach Beginn der Session war ein gewählter Ausschuß beauftragt worden zu ermitteln, welche temporären Gesetze dem Erlöschen nahe seien, und um zu erwägen, welche von diesen Gesetzen fortbestehen zu lassen zweckmäßig sein würde. Der Bericht wurde erstattet, und alle in diesem Berichte enthaltenen Vorschläge wurden, bis auf einen, angenommen. Unter den Gesetzen, deren Erneuerung der Ausschuß dem Hause anempfahl, befand sich auch das, welches die Presse einer Censur unterwarf. Es wurde die Frage gestellt, „ob das Haus mit dem Comité in dem Beschlusse übereinstimme, daß die Acte unter dem Titel: Acte zur Verhütung von Mißbräuchen beim Drucken aufrührerischer, hochverrätherischer und unerlaubter Pamphlets und zur Regulirung des Buchdrucks und der Buchdruckerpressen, fortbestehen solle.” Der Sprecher erklärte, daß die Neins überwögen, und die Jas hielten es nicht für rathsam, ein Scrutinium vornehmen zu lassen.
Eine Bill zu Verlängerung aller übrigen temporären Gesetze, die man nach der Ansicht des Ausschusses zweckmäßigerweise nicht erlöschen lassen könne, wurde eingebracht, angenommen und den Lords zugesandt. Diese Bill kam sehr bald mit einem wichtigen Amendement versehen zurück. Die Lords hatten in der Liste der zu verlängernden Acten diejenige mit aufgenommen, welche die Presse der Aufsicht von Censoren unterstellte. Die Gemeinen beschlossen, dem Amendement nicht beizutreten, verlangten eine Conferenz und ernannten einen Ausschuß von Wortführern. Der leitende Wortführer war Eduard Clarke, ein entschiedener Whig, welcher Taunton vertrat, seit fünfzig unruhigen Jahren das Bollwerk der bürgerlichen und religiösen Freiheit.
Clarke überreichte den Lords im gemalten Zimmer ein Schriftstück, welches die Gründe enthielt, die das Unterhaus bestimmt hatten, die Censuracte nicht zu erneuern. Dieser Aufsatz vertheidigt siegreich den Beschluß, zu dem die Gemeinen gekommen waren. Aber er beweist zu gleicher Zeit, daß sie nicht wußten was sie thaten, welche Revolution sie herbeiführten, welche Macht sie ins Leben riefen. Sie hoben kurz, klar, nachdrücklich und zuweilen mit einer nicht unpassenden ernsten Ironie die Widersinnigkeiten und Unbilligkeiten des Gesetzes hervor, das im Begriff war zu erlöschen. Aber man wird finden, daß alle ihre Einwürfe sich auf Details beziehen. Ueber die große Prinzipfrage, über die Frage, ob die Preßfreiheit im Ganzen ein Segen oder ein Fluch für die Gesellschaft sei, ist kein Wort gesagt. Die Censuracte wird verdammt, nicht als etwas dem Wesen nach Schlimmes, sondern nur
1
Siehe Claude’s Predigt auf Mariens Tod.
2
Prior an Lord und Lady Lexington, 14. (24.) Jan. 1695. Der Brief befindet sich in den Lexington Papers, einer werthvollen und gut edirten Sammlung.
3
Monthly Mercury vom Januar 1695. Ein Redner, der in Utrecht eine Lobrede auf die Königin hielt, war so albern zu sagen, ihr letzter Hauch sei ein Gebet für das Wohl der Vereinigten Provinzen gewesen: – „Valeant et Batavi,” – dies sind ihre letzten Worte, – „sint incolumes; sint florentes; sint beati: stet in aeternum, stet immota praeclarissima illorum civitas, hospitium aliquando mihi gratissimum, optime de me meritum.” Siehe auch die Reden Peter Francius’ von Amsterdam und Johann Ortwinius’ von Delft.
4
Journal de Dangeau; Mémoires de Saint-Simon.
5
Saint-Simon; Dangeau; Monthly Mercury für Januar 1695.
6
L’Hermitage, 1. (11.) Jan. 1695; Vernon an Lord Lexington, 1. 4. Januar; Portland an Lord Lexington, 15. (25.) Jan.; Wilhelm an Heinsius, 22. Januar (1. Febr.).