Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.zu gehen, ist ganz einfach eine frühere Sklavin von Georgischem Stamme, aus welcher der Liebling des Kaisers, der Minister Narawithcheff seine Maitresse gemacht hat. Es ist ohngefähr vier Jahre her, daß diese Verwandelung vor sich gegangen ist, und schon hat die arme Maschinka vergessen, von wo sie entsprungen ist, oder vielmehr, sie erinnert es sich dermaßen, daß, die Stunden ihrer Toilette abgerechnet, ihre übrige Zeit dazu verwandt ist, ihre früheren Kameraden, deren Schrecken sie geworden, leiden zu lassen. Die anderen Leibeigenen, die nicht mehr wagen, sie bei ihrem früheren Namen Maschinka zu nennen, haben sie Goffudarina genannt, was ohngefähr so viel sagen will, als Madame. Sie haben gehört, daß sie unter diesem Namen mir gemeldet wurde. Uebrigens, fuhr Louise fort, hier ein Beispiel der Grausamkeit dieser Emporgekommenen: es ist ihr kürzlich begegnet, daß, als sie sich auskleidete und kein Nadelkissen fand, um die Nadeln darauf zu stecken, sie dieselben in den Busen der armen Leibeigenen steckte, welche ihr als Kammerfrau diente. Aber dieses Mal machte die Sache so viel Aufsehen, daß es der Kaiser erfuhr.
– Und was hat er gethan? fragte ich rasch,
– Er hat der Leibeigenen die Freiheit gegeben, sie mit einem feiner Bauern verheirathet, und den Minister gewarnt, daß er bei dem ersten Zuge dieser Art, welchen sich seine Geliebte wieder erlauben würde, dieselbe nach Sibirien senden werde.
– Und sie hat es sich gesagt seyn lassen?
– Ja. Es ist einige Zeit her, daß man nichts von ihr hat erzählen hören. Aber das ist nun genug von mir und anderen geredet, kommen wir ein wenig auf Sie zurück. Erlauben Sie mir, mich in meiner Eigenschaft als Landsmännin zu erkundigen, in welcher Absicht Sie nach St. Petersburg gekommen sind? Vielleicht vermögte ich, die ich die Stadt seit drei Jahren kenne, Ihnen zum mindesten durch meine Rathschläge nützlich zu seyn.
– Ich zweifele daran; aber was thut das? Da Sie so gütig sind, einiges Interesse an mir nehmen zu wollen, so will ich Ihnen sagen, daß ich als Professor der Fechtkunst hergekommen bin. Ist man streitsüchtig in St. Petersburg?
– Nein, weil der Zweikampf hier fast immer tödtlich ist, da, wenn man glücklich davon kommt, Sibirien die Aussicht für die Gegner und die Zeugen ist, so schlägt man sich nur für Sachen, die der Mühe werth sind, und wenn man sich wirklich tödten will. Das thut aber nichts, es wird Ihnen nicht an Schülern fehlen. Nur werde ich Ihnen einen Rath geben.
– Welchen?
– Den, darnach zu streben, daß sie von dem Kaiser die Ernennung zum Fechtmeister irgend eines Regiments erlangen, was Ihnen einen militairischen Grad verleihen wird, denn, Sie wissen es, hier gilt die Uniform alles.
– Der Rath ist gut, nur ist es leichter ihn zu geben, als ihn zu befolgen.
– Warum das?
– Wie sollte ich zum Kaiser gelangen? Ich habe keine Protection hier.
– Ich werde darauf bedacht seyn.
– Wie, Sie?
– Das verwundert Sie? sagte Louise lächelnd zu mir.
– Nein, Madame, nichts überrascht mich von Ihrer Seite, und Sie sind liebenswürdig genug, um alles dasjenige zu erlangen, was Sie unternehmen würden. Nur habe ich nichts gethan, um so viel von Ihnen zu verdienen.
– Sie haben nichts gethan? Sind Sie nicht mein Landsmann? haben Sie mir nicht einen Brief von meiner guten Rosa gebracht? haben Sie nicht, indem Sie mich an mein schönes Paris erinnert, mir eine der angenehmsten Stunden gewährt, die ich noch in St. Petersburg zugebracht? Ich hoffe, daß ich Sie wiedersehen werde?
– Wenn Sie es wünschen!
– Wann?
– Morgen, wenn Sie mir es erlauben wollen.
– Um dieselbe Stunde; es ist die, wo ich am freiesten bin, länger zu plaudern.
– Gut denn! um dieselbe Stunde. Ich verließ Louisen, entzückt von ihr, daß ich in St. Petersburg nicht mehr allein sey. Ein junges, alleinstehendes Mädchen, wie sie zu seyn schien, war freilich eine sehr ungewisse Stütze, aber es liegt etwas so süßes in der Freundschaft eines Weibes, daß das erste, was sie entstehen läßt, die Hoffnung ist. Ich aß dem Laden Louisens gegenüber bei einem französischen Restaurateur, Namens Talon, zu Mittag, ohne aber Lust zu haben, mit irgend einem meiner Landsleute zu sprechen, welche man dort wie überall an der erhobenen Stimme und der wunderbaren Leichtigkeit erkannte, mit der sie ganz laut von ihren Geschäften sprechen. Ich hatte außerdem genug mit meinen eigenen Gedanken, und jeder, der zu mir gekommen wäre, hätte mir ein Unbescheidener geschienen, der mir einen Theil meiner Träume zu entreißen suchte.
Ich nahm, wie am Abende zuvor, eine Gondel mit zwei Ruderern, und brachte die Nacht auf meinem Mantel liegend zu, indem ich mich an dieser süßen Harmonie der Hörner berauschte, Und alle Gestirne des Himmels einen nach dem anderen zählte.
Wie am Tage zuvor, kehrte ich um zwei Uhr Morgens nach Hause zurück, und erwachte um sieben Uhr. Da ich mit einem Schlage mit allen Sehenswürdigkeiten St. Petersburgs fertig werden wollte, damit ich mich mit nichts mehr, als mit meinen Angelegenheiten zu beschäftigen hätte; so ließ ich durch meinen Lohnbedienten eine Droschke zu demselben Preise, als gestern, kommen, und machte mich daran, alles, was mir übrig geblieben war, zu besuchen, von dem Sanct-Alexander Newski-Kloster mit seinem Grabmahle von Silber, auf welchem Gestalten von Lebensgröße beten, an, bis zu der Akademie der Wissenschaften, mit ihrer Mineralien-Sammlung, mit ihrem von Friedrich IV., Könige von Dänemark, an Peter I. geschenkten Globus von Gottorp, und ihrem Mammuth, dem Zeitgenossen der Sündfluth, von dem Reisenden Michael Adam unter dem Eise des weißen Meeres gefunden.
Alle diese Dinge waren sehr interessant, aber es ist darum nichts desto weniger wahr, daß ich von zehn zu zehn Minuten meine Uhr zog, um zu wissen, ob die Stunde zu Louisen zu gehen, heran nahete.
Endlich gegen vier Uhr war es mir unmöglich, länger dort auszuhalten, ich ließ mich demnach nach der Newskischen Perspective fahren, wo ich bis um fünf spazieren zu gehen gedachte. Aber an den Katharinen-Kanal gelangt, war es mir unmöglich, mit meiner Droschke durchzukommen, so groß war das Gedränge. Aufläufe sind in St. Petersburg eine so seltene Sache, daß ich, da ich beinahe an meiner Bestimmung angelangt war, meinen Ivoschik bezahlte, und mich zu Fuße unter die Gaffer mischte. Es handelte sich um einen Spitzbuben, den man in das Gefängniß führte, und den so eben Herr von Gorgoli, der Groß-Meister der Polizei, selbst überrascht hatte; die Umstände, welche den Diebstahl begleitet hatten, erklärten die Neugierde der Menge.
Obgleich Herr von Gorgoli, einer der schönsten Männer der Hauptstadt, und einer der tapfersten Generäle der Armee, von einer ziemlich seltenen Stattlichkeit war, so hatte es der Zufall gewollt, daß einer der gewandtesten Schelme von St. Petersburg eine wunderbare Aehnlichkeit mit ihm hatte. Der Spitzbube beschloß, diese äußere Aehnlichkeit zu benutzen: um dem zu Folge die Täuschung noch vollständiger zu machen, hüllt sich unser Sosie in eine General-Major-Uniform, wirft einen grauen Mantel mit großen Kragen über die Schultern, läßt sich eine Droschke gleich der anfertigen, welcher sich Herr von Gorgoli gewöhnlich bediente, vollendet die Nachahmung dadurch, daß er sich Pferde von derselben Farbe des Haares leihet, und gefahren von einem Kutscher, welcher wie der des Generals gekleidet ist, hält er vor der Thüre eines Kaufmannes der großen Millionen-Straße an, stürzt in den Laden, und sich an den Herrn des Hauses wendend, sagte er zu ihm:
– Sie kennen mich, mein Herr, ich bin der General Gorgoli, Groß-Meister der Polizei.
– Ja, Eure Excellenz.
– Nun denn! ich bedarf augenblicklich für eine sehr wichtige Operation fünf und zwanzig Tausend Rubel; ich bin zu weit vom Ministerium entfernt, um sie dort zu holen, denn eine Verzögerung würde alles verderben. Ich ersuche Sie, mir diese fünf und zwanzig Tausend Rubel zu geben, und morgen früh in meine Wohnung zu kommen, um sie wieder abzuholen.
– Excellenz, rief der Kaufmann entzückt über den Vorzug aus, ich bin zu glücklich, Ihnen angenehm seyn zu können; wollen Sie mehr?
– Ei nun, geben Sie mir denn dreißig Taufend.
– Hier sind sie, mein Herr.
– Danke,