Die Harfenjule. Klabund

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Die Harfenjule - Klabund


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      Die Harfenjule

      Emsig dreht sich meine Spule, immer zur Musik bereit, denn ich bin die Harfenjule, schon seit meiner Kinderzeit.

      Niemand schlägt wie ich die Saiten, niemand hat wie ich Gewalt. Selbst die wilden Tiere schreiten sanft wie Lämmer durch den Wald.

      Und ich schlage meine Harfe, wo und wie es immer sei, zum Familienbedarfe, Kindstauf' oder Rauferei.

      Reich mir einer eine Halbe oder einen Groschen nur, als des Sommers letzte Schwalbe schwebe ich durch die Natur.

      Und so dreht sich meine Spule, tief vom Innersten bewegt, bis die alte Harfenjule einst im Himmel Harfe schlägt.

      Deutsches Volkslied

      Es braust ein Ruf wie Donnerhall, daß ich so traurig bin. Und Friede, Friede überall, das kommt mir nicht aus dem Sinn.

      Kaiser Rotbart im Kyffhäuser saß an der Wand entlang, an der Wand. Wer nie sein Brot mit Tränen aß, bist du, mein Bayernland!

      Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Ich rate dir gut, mein Sohn! Urahne, Großmutter, Mutter und Kind vom Roßbachbataillon.

      O selig, o selig, ein Kind noch zu sein, von der Wiege bis zur Bahr'! Mariechen saß auf einem Stein, sie kämmte ihr goldenes Haar.

      Sie kämmt's mit goldnem Kamme, wie Zieten aus dem Busch. Sonne, du klagende Flamme: Husch! Husch.

      Der liebe Gott geht durch den Wald, von der Etsch bis an den Belt, daß lustig es zum Himmel schallt: Fahr' wohl, du schöne Welt!

      Der schnellste Reiter ist der Tod, mit Juppheidi und Juppheida. Stolz weht die Flagge schwarzweißrot. Hurra, Germania!

      Der geistige Arbeiter in der Inflation

      Wer nur den lieben Gott laßt walten – Ich arbeite an einer Monographie über die römischen Laren. Am Tage liege ich im Bett, um Kohlen zu sparen. Ich werde ein Honorar von drei Mark erhalten. Drei Mark! Das schwellt meine Hühnerbrust wie ein Segel. Ein kleines Vermögen. Ich werde es in einem Taschentuch anlegen. Wie ich es früher trug und wie die reichen Leute es heute noch tragen. Um vorwärts zu kommen, muß man eben mal leichtsinnig sein und was wagen.

      Ein Jahr schon schneuze ich mich in die Hände, nun führt der Allerbarmer noch alles zum guten Ende. Abends, wenn die Sterne und elektrischen Lichter erwachen, da besteige ich des Glückes goldnen Nachen.

      Ich stehe am Anhalter Bahnhof. Ergebenster Diener! Ich biete Delikateßbockwurst feil und die ff. heißen Wiener. Manchmal hab' ich einen Reingewinn von einer halben Mark. Ich lege das Geld auf die hohe Kante. Ich spare für meinen Sarg.

      Ein eigener Sarg, das ist mein Stolz aus Eschen- oder Eichenholz, aus deutscher Eiche. Das Vaterland reichte mir hilfreich stets die Vaterhand. Begrabt mich in deutschem Holz, in deutscher Erde, im deutschen Wald. Aber bald! Wie schläft sich's sanft, wie ruht sich's gut, erlöst von Schwindsucht und Skorbut. Herrgott im Himmel, erwache ich zu neuem Leben noch einmal auf Erden: Laß mich Devisenhändler, Diamantenschleifer oder Kanalreiniger werden!

      Berliner Mittelstandsbegräbnis

      In einer Margarinekiste habe ich sie begraben. Ein Leihsarg war nicht mehr zu haben. Die Kosten für einen Begräbnisplatz konnt ich nicht erschwingen: Ich mußte die Margarinekiste mit der teueren Entschlafenen auf einem Handwagen in die Laubenkolonie am schlesischen Bahnhof bringen.

      Dort habe ich sie in stockfinsterer Nacht unter Kohlrüben zur ewigen Ruhe gebracht. Aber im Frühling werden aus der Erde Kohlrüben, die sie mit ihrem Leibe gedüngt, zum himmlischen Lichte sprießen, und der Hilfsweichensteller Kraschunke wird sie zum Nachtmahl genießen. Während sie noch in der Pfanne (in Margarine-Ersatz) schmoren und braten, bemerkt Frau Kraschunke erfreut: »Die Kohlrüben sind dieses Jahr aber ungewöhnlich groß geraten …«

      In der Stadtbahn

      Ein feiles Mädchen, schön und aufgetakelt, ihr gegenüber, grün und unbemakelt, ein Jüngling, dessen Hände sanft behüten zwei Veilchensträußchen in den Seidendüten. Sie sieht ihn an. Er lächelt traurig blöde: Mein Gott, wie wird das heute wieder öde bei Tante Linchen, die Geburtstag feiert. –

      Die Dame hat sich nunmehr ganz entschleiert. Da ist er hingerissen, starrt ein Weilchen, und reicht ihr wortlos alle seine Veilchen. Nun hat er nichts, für Tante kein Präsent … Er wundert sich – das schöne Fräulein flennt: Und ihre blassen Tränen auf die blauen Märzveilchen wie Gelübde niedertauen.

      Berliner in Italien

      Die ganze Welt ist voll von Berlinern. Deutschland, Deutschland überall in der Welt. Ich sah sie auf der Promenade in Nervi sich gegenseitig bedienern, und sie waren als Statisten beim Empfang des italienischen Königs in Mailand aufgestellt.

      Da konnten sie einmal wieder aus vollem Herzen Hurra schreien. So 'n König, und sei er noch so klein, is doch janz was anderes als so 'ne miekrige Republik. In Bellaggio wandeln sie unter Palmen und Zypressen zu zweien, und aus dem Grandhotel tönt (fabelhaft echt Italienisch; Pensionspreis täglich 200 Lire) die Jazzmusik.

      Wie hübsch in Bologna die Jungens mit den schwarzen Mussolinhemden! Wie malerisch die Bettler am Kirchentor! Die und die Flöhe finden einen Fremden aus hunderttausend Eingebornen hervor.

      In Genua am Hafen aus engen mit Wäsche verhangenen Gassen winken schwarzäugige Mädchen und sind bereit, gegen entsprechendes Honorar sich abzuschminken. O du fröhliche, o du selige Frühlingszeit.

      Dagegen das Kolosseum, die ollen Klamotten, die verstaubten Geschichten, das haben wir zu Hause auf halb bebautem Gelände auch, nu jewiß. Den schiefen Turm von Pisa sollten sie mal jrade richten. Mussolini hat dazu den nötigen Schmiß.

      Ueber diesem Lande schweben egal weg die Musen, man sehe sich die Brera und die Uffizien an. Die mageren Weiber von Botticelli kann ich nich verknusen, aber Rubens, des is mein Mann.

      Wohin man sieht, spuckt einer oder verrichtet sonst eine Notdurft: es ist ein echt volkstümliches Treiben. Prächtig dies Monomuent Vittorio Emmanueles in Rom: goldbronziert und die Säulenhalle aus weißem Gips. Dafür kann mir das ganze Forum jestohlen bleiben. Ich bin modern. A proposito: haben Sie für Karlshorst sichere Tips?

      Die Ballade von den Hofsängern

      Wir ziehen dahin von Hof zu Hof. Arbeiten? Mensch, wir sind doch nicht dof. Wir singen nicht schön, aber wir singen laut, daß das Eis in den Dienstmädchenherzen taut. Jawoll.

      Wir haben nur lausige Fetzen an, damit unser Elend man sehen kann. Der hat keine Jacke und der kein Hemd, und dem sind Stiefel und Strümpfe fremd. Jawoll.

      Wir kriegen Kleider und Stullen viel, die verkaufen wir abends im Asyl. Ein Schneider lud mitleidig uns zu sich ein, da schlugen wir ihm den Schädel ein. Jawoll.

      Wir singen das Lied vom guten Mond und sind katholisch, wenn es sich lohnt, auch singen wir völkisch voll und ganz für'n Sechser Heil dir im Siegerkranz. Jawoll.

      Unger, Boeger, Ransick, so heißen wir. Auf die Gerechtigkeit sch … wir. Mal muß ja ein jeder in die Gruft und wir, wir baumeln mal in der Luft. Jawoll.

      Baumblüte in Werder

      Tante Klara ist schon um ein Uhr mittags besinnungslos betrunken. Ihr Satinkleid ist geplatzt. Sie sitzt im märkischen Sand und schluchzt. Der Johannisbeerwein hat's in sich. Alles jubelt und juchzt und schwankt wie auf der Havel die weißen Dschunken.

      Waldteufel knarren, und Mädchenaugen glühn. Mutta, Mutta, kiek ma die Boomblüte. Ach du liebe Güte.– Die Blüten sind alle erfroren. Ein einsamer Kirschbaum versucht zu blühn.

      Eisige Winde wehn. In den Kuten balgt und sielt sich ein Kinderhaufen. Der Lenz ist da: ertönt es von Seele zu Seele. Ein schön melierter Herr berappt für seine Tele, die ein Kinderbein für ein Britzer Knoblinchen hielt.

      Vater spielt auf der Bismarckhöhe mit sich selber Skat und haut alle Trümpfe auf den Tisch, unbeirrt um das Wogen und Treiben der Menge. Braut und


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