Das magische Baumhaus 2 - Der geheimnisvolle Ritter. Mary Pope Osborne
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Der dunkle Wald
Philipp konnte nicht schlafen. Er setzte seine Brille auf und sah auf den Wecker. Fünf Uhr dreißig. Zu früh, um aufzustehen. Gestern waren so viele seltsame Dinge geschehen, über die er nachdenken musste.
Er machte das Licht an, holte sein Notizbuch und las sich die Liste durch, die er sich gemacht hatte, ehe er zu Bett gegangen war:
Philipp rückte seine Brille zurecht. Wer würde ihm das wohl glauben?
Seine Mutter jedenfalls nicht. Sein Vater auch nicht. Und erst recht nicht seine Klassenlehrerin, Mrs Watkins. Höchstens seine siebenjährige Schwester Anne. Aber die war ja auch dabei gewesen, als sie bei den Dinosauriern waren.
„Kannst du nicht schlafen?“ Es war Anne, die in seiner offenen Zimmertür stand.
„Nee“, antwortete Philipp.
„Ich auch nicht“, seufzte Anne. „Was machst du denn da?“
Sie kam rüber zu Philipp und las seine Liste.
„Du hast die goldene Medaille vergessen“, sagte sie.
Philipp nahm seinen Füller und schrieb:
„Willst du nicht noch das M auf die Medaille malen?“, fragte Anne.
„Medaillon“, verbesserte Philipp seine kleine Schwester, „nicht Medaille.“
Er malte ein M in seine Zeichnung.
„Und schreibst du nichts über den Zauberer?“, fragte Anne weiter.
„Wir wissen doch gar nicht, ob es überhaupt einen Zauberer gibt“, widersprach Philipp.
„Aber irgendjemand muss doch das magische Baumhaus gebaut und die Bücher dort hingelegt und die goldene Medaille in der Urzeit verloren haben!“
„Medaillon!“, verbesserte Philipp sie zum zweiten Mal. „Ich schreibe nur die Tatsachen auf. Das, was wir wirklich wissen.“
„Lass uns gleich noch mal zum Baumhaus gehen und nachschauen, ob der Zauberer nicht auch so eine Tatsache ist“, schlug Anne vor.
„Bist du verrückt?“, rief Philipp. „Die Sonne ist ja noch nicht einmal aufgegangen!“
„Komm schon!“, drängte Anne. „Vielleicht können wir ihn im Schlaf überraschen.“
„Ich glaube nicht, dass wir das tun sollten“, sagte Philipp zögernd. Was, wenn es ein böser Zauberer war? Oder wenn er gar nicht wollte, dass irgendwelche Kinder von seinem Baumhaus wussten?
„Also, ich gehe jedenfalls!“, sagte Anne entschlossen.
Philipp sah aus dem Fenster auf den dunkelgrauen Himmel. Es dämmerte schon. Er seufzte.
„Na gut, ziehen wir uns an und treffen uns an der Verandatür. Sei aber leise!“
„Klar!“, flüsterte Anne zurück und schlich aus dem Zimmer.
Philipp zog seine Jeans, einen warmen Pulli und Turnschuhe an. Er packte sein Notizbuch und einen Stift in seinen Rucksack und schlich sich nach unten. Anne wartete schon auf ihn. Sie leuchtete ihm mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht.
„Hui, ein Zauberstab!“, flüsterte sie und kicherte.
„Psst!“, machte Philipp. „Du weckst noch Mama und Papa auf! Und mach die Taschenlampe aus. Wir wollen schließlich nicht, dass uns jemand sieht.“
Anne nickte. Sie machte die Taschenlampe wieder aus und befestigte sie an ihrem Gürtel.
Die beiden schlichen aus dem Haus, hinaus in die kühle Morgenluft. Die ersten Vögel zwitscherten und der Hund von nebenan bellte.
„Still, Henry!“, flüsterte Anne.
Henry hörte auf zu bellen. Seltsam, Tiere taten fast immer, was Anne ihnen sagte.
„Los, rennen wir!“, schlug Philipp vor.
Sie liefen über den taufeuchten, dunklen Rasen und hielten erst an, als sie den Wald erreicht hatten.
„Jetzt brauchen wir deine Taschenlampe“, sagte Philipp. „Gut, dass du daran gedacht hast.“
Anne nahm sie vom Gürtel und machte sie an. Leise und vorsichtig gingen sie voran. Philipp hielt den Atem an. Es war unheimlich in dem dunklen Wald.
„Buh!“, rief Anne plötzlich und leuchtete Philipp mit der Taschenlampe ins Gesicht.
Philipp zuckte zusammen – dann runzelte er die Stirn. „Lass den Quatsch!“, zischte er.
„Erwischt!“, sagte sie grinsend.
Philipp starrte sie wütend an.
„Sei nicht so albern!“, flüsterte er. „Das hier ist eine ernste Sache!“
„Schon gut!“
Anne leuchtete mit der Taschenlampe in die Baumwipfel.
„Was machst du denn jetzt?“, fragte Philipp.
„Ich suche das Baumhaus.“
Der Lichtkegel blieb stehen. Da war das geheimnisvolle Baumhaus. Ganz oben im Wipfel des höchsten Baumes im ganzen Wald.
Anne ließ den Lichtstrahl die Leiter herunterwandern, die zum Baumhaus hinaufführte.
„Ich klettere hoch“, sagte sie.
Sie packte die Taschenlampe fester und begann zu klettern.
„Warte!“, rief Philipp. Was, wenn wirklich jemand oben war? „Anne, komm zurück!“
Aber sie war schon verschwunden. Der Lichtstrahl war nicht mehr zu sehen. Philipp war allein in der Dunkelheit.
Wieder unterwegs
„Keiner da!“, rief Anne nach unten.
Philipp wollte wieder nach Hause, aber dann fielen ihm die vielen Bücher oben im Baumhaus ein. Er kletterte hoch. Als er fast oben war, sah er, dass der Himmel langsam hell wurde. Er krabbelte durch das Loch im Boden und setzte seinen Rucksack ab.
Es war dunkel im Baumhaus. Anne leuchtete mit ihrer Taschenlampe über die Bücher.
„Sie sind noch alle da“, sagte sie.
Auf dem Dinosaurier-Buch verharrte der Lichtkegel einen Moment. Dieses Buch hatte sie in die Urzeit gebracht.
„Erinnerst du dich an den Tyrannosaurus?“, fragte Anne.
Philipp schüttelte sich. Natürlich erinnerte er sich. Wie könnte er je die Begegnung mit einem echten, lebenden Tyrannosaurus Rex vergessen?
„Erinnerst du dich auch an das Bild von Pepper Hill?“
„Klar!“, antwortete Philipp. Dieses Bild hatte sie wieder nach Hause gebracht.
„Das da ist mein Lieblingsbuch“, sagte Anne.
Sie deutete mit dem Lichtschein auf ein Buch mit Rittern und Burgen. Ein blaues, ledernes Lesezeichen steckte darin. Anne schlug das Buch auf der Seite mit dem Lesezeichen auf und betrachtete ein Bild von einem Ritter, der auf einem schwarzen Pferd auf ein Schloss zuritt.
„Anne“, sagte Philipp, „mach das Buch zu. Ich weiß genau, was du jetzt denkst!“
Anne deutete auf den Ritter.
„Nicht,