Der exzellente Butler Parker 10 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Die Ampel sprang auf Grün, und Josuah Parker setzte seinen Privatwagen in Bewegung. Genau in diesem Moment passierte es.
Ein junger Farbiger warf sich direkt vor Parkers Wagen. Der Butler reagierte blitzschnell und bremste scharf. Eine Handbreit vor dem vermeintlichen Selbstmörder kam das hochbeinige Monstrum, wie Parkers Wagen von Freund und Feind genannt wurde, zum Stehen.
»Ich muß doch sehr bitten, Mister Parker! Was soll das?« grollte Lady Agatha aus dem Fond, als sie unsanft aus ihrem Nickerchen gerissen wurde. Die ältere Dame befand sich auf dem Rückweg nach Shepherd’s Market. Parkers Bremsmanöver hatte sie abrupt aus einem angenehmen Traum geholt, in dem ihr der schwedische König gerade den Nobelpreis für Literatur für ihre Verdienste um den englischen Kriminalroman verliehen hatte. Bevor Parker sich entschuldigen konnte, eskalierten die Dinge. Der Farbige glaubte ein Taxi vor sich zu haben, kam um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und warf sich auf den Sitz.
»Schnell«, keuchte er mit fliegendem Atem. »Fahren Sie irgendwohin – nur weg von hier!«
»Eine mehr als vage Zielangabe«, bemerkte Parker höflich, ohne seinen Gast darauf hinzuweisen, daß er sich keinesfalls in einem Taxi, sondern in einem Privatwagen befand. Er fuhr gerade langsam an, als die hintere Tür aufgerissen wurde und zwei weitere Fahrgäste hereindrängten. Sie schoben Lady Agatha im Fond unsanft zur Seite und richteten schwere Pistolen auf Parker.
»Einfach weiterfahren, Mann, wir sagen Ihnen dann schon, wie die Route ist.«
Der Farbige neben dem Butler stöhnte und starrte aus angsterfüllten Augen in den Rückspiegel.
»Du hast wohl schon gedacht, du hättest es geschafft, was, Gary?« erkundigte sich einer der beiden im Fond Sitzenden und lachte hämisch. »Aber du hast die Rechnung ohne uns gemacht, mein Junge, uns hängt man so leicht nicht ab.«
Lady Agatha räusperte sich und hob ihre Lorgnette, die an einer Kette vor ihrem Busen hing, an die Augen. Ungeniert musterte sie die Männer neben sich.
Angst war etwas, was die Lady grundsätzlich nicht kannte.
»Was soll das, Sie Lümmel?« grollte sie. »Wie kommen Sie dazu, sich so einfach in meinen Wagen zu drängeln und mich zu belästigen? Ich hoffe, Sie haben eine Erklärung abzugeben.«
Einer der beiden brutal aussehenden Männer drehte sich grinsend um und sah sie verächtlich an. »Reg dich nicht auf, altes Mädchen, du bist uns bald wieder los. Wir wollen nur unseren Schützling da vorn zurückholen, der Junge hat sich ohne unsere Erlaubnis aus dem Staub gemacht und wollte verschwinden. Am besten, du vergißt uns gleich wieder, dann gibt es auch keinen Ärger.«
»Die Herren sind so etwas wie die Aufpasser des jungen Mannes hier?« erkundigte sich Parker gemessen, während seine Hände rasch und routiniert über das reichhaltig ausgestattete, an das Cockpit eines modernen Jets erinnernde Armaturenbrett fuhren und unauffällig diverse Hebel umlegten.
»So in etwa.« Der zweite Mann im Fond beugte sich vor und hielt dem farbigen Beifahrer eine Pistole an den Hinterkopf.
»Dieser Hitzkopf ist aus unserer... äh... Obhut abgehauen und dachte, er könnte auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Ehrlich gesagt, haben wir das gar nicht gern.«
»Warum steht der junge Mann unter Ihrer Obhut, wenn man fragen darf?« wollte Josuah Parker wissen.
»Das geht dich nichts an, Alterchen. Was du nicht weißt, kann dir nicht gefährlich werden.«
»Die wollen mich umbringen«, meldete sich der Farbige mit zitternder Stimme zu Wort. »Das sind Killer, Sir, Sie müssen mir helfen.«
»Der Opa da?« Einer der Pistolenträger aus dem Fond lachte spöttisch. »Der ist doch froh, wenn ihm keiner was tut, was, Alter?«
»In etwa, Sir.« Parker blieb gelassen, es schien, als wäre ihm die Brisanz der Situation nicht bewußt. In Wirklichkeit hatte er die Lage im Griff, was allerdings weder der eingeschüchterte Farbige auf dem Beifahrersitz noch die Männer im Fond ahnten.
»Da sehen Sie mal wieder, wie Sie von anderen eingeschätzt werden, Mister Parker«, meldete sich Lady Agatha fast schadenfroh zu Wort.
»Du bist doch wohl noch älter«, bemerkte einer der Pistolenmänner gehässig, »und hast dir bestimmt schon den Sarg ausgesucht, oder?«
»Das war doch wohl eine ausgemachte Beleidigung, Mister Parker?« Aus Myladys Stimme klangen eine gewisse Vorfreude und Erwartungshaltung.
»Ein Eindruck, Mylady, dem meine bescheidene Wenigkeit leider vollinhaltlich zustimmen muß«, bemerkte Parker mit einem gewissen Bedauern über das rüde Benehmen der ungebetenen Fahrgäste.
»Ihr beide seid wohl nicht ganz bei Trost, wie?« stieß einer ungläubig hervor, »oder habt ihr immer noch nicht gecheckt, was hier abläuft? Das ist ’ne geladene Pistole, altes Haus, und wenn ich abdrücke, biste mausetot, klar?« Der Mann neben Lady Agatha fuchtelte ihr mit seiner Waffe vor der Nase herum und sah sie wütend an.
»Ach wirklich? Wie interessant!« Lady Agathas Hand schoß blitzschnell vor und umklammerte die Waffe. Der Gangster war einen Augenblick zu überrascht, um sich zu wehren. Dann versuchte er hastig, die Pistole zurückzuziehen. Aber er hatte nicht mit Agatha Simpsons Kraft gerechnet.
Da die ältere Dame ausgiebig dem Golf- und Bogensport huldigte, verfügte sie für eine Frau ihres Alters über erstaunliche Körperkräfte. Mühelos entwand sie dem verdatterten Mann die Waffe und untersuchte sie scheinbar ungeschickt.
Die passionierte Detektivin drehte sie in ihren Fingern, fummelte an Sicherung und Abzug herum und richtete die Mündung wie zufällig auf den Mann neben ihr, der entsetzt zur Seite drängte und sich seinem Partner fast auf den Schoß setzte.
»Ich wollte so was schon immer mal ausprobieren«, teilte die Lady erfreut mit.
»Vorsicht! Das Ding ist durchgeladen, und Sie haben eben entsichert«, stöhnte der entwaffnete Mann neben ihr und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn, auf der sich dicke Schweißtropfen gebildet hatten.
*
Der zweite Mann im Fond wollte seinem entwaffnetem Kollegen zu Hilfe eilen und griff in die Innentasche seines Sakkos, um einen Schalldämpfer hervorzuholen. Schnell und routiniert schraubte er ihn auf den Lauf seiner Pistole und richtete diese dann auf Lady Agatha, die noch nichts von der drohenden Gefahr mitbekommen hatte.
Parker, der das Geschehen auf dem Rücksitz aufmerksam im Spiegel beobachtete, hielt die Zeit zum Eingreifen für gekommen und preßte seinen Fuß auf einen Gummiball neben den Pedalen. Daraufhin sprang der Pistolenmann urplötzlich hoch und quiekte. Er ließ vor Schreck die Pistole fallen und griff nach seinem Hinterteil, das die Bekanntschaft mit einem spitzen Gegenstand gemacht hatte.
»Mann, Ihre Klapperkiste gehört wirklich auf den Schrottplatz«, beschwerte er sich, nachdem er auf den Sitz zurückgeplumpst war und seine Waffe wieder aufgehoben hatte. »Da kommen ja bereits die Federn durch die Polsterung.«
»Mein bescheidener Privatwagen ist tatsächlich nicht mehr der jüngste«, bemerkte Parker gemessen, »aber er hat mich viele Jahre meines Lebens begleitet, so daß ich ihn nicht so einfach der Schrottpresse überantworten möchte.«
Der Pistolenmann lehnte sich in die Polster zurück und schloß die Augen. »Irgendwie fühle ich mich auf einmal müde«, gähnte er. »Ich denke, ich werde ein Nickerchen machen.«
»Ein ausgezeichneter Einfall, Sir«, gab ihm Parker umgehend recht. »Man wird Sie zu gegebener Zeit rechtzeitig wecken.«
Sein entwaffneter Komplice starrte ihn ungläubig an. »He, was soll das, Jack, du kannst doch jetzt nicht pennen, Mensch?!«
»Warum nicht, wenn er müde ist?« reagierte Agatha Simpson freundlich, während sie nach ihrer seltsamen Hutschöpfung tastete. »Auch Sie werden gleich sehr müde werden.«
»Wie... wie meinen Sie das?« Der Mann wandte sich von seinem inzwischen im Tiefschlaf liegenden Partner ab und blickte die Lady mißtrauisch an.
Die Detektivin hatte die Pistole des Gangsters beiseite gelegt und hielt