Solo für Schneidermann. Joshua Cohen
Читать онлайн книгу.oft die Idee, eine dreiteilige Kantate über die Mendelssohns zu komponieren, Moses und Felix die Außensätze, und den Mittelsatz über Abraham, Moses’ Sohn und Felix’ Vater, stumm, tacet, gleichwohl abgeschlossen und),
alles über Sokrates’ letzte Salbaderversuche, die beschreibt er, und wie Plato, der die ganze Sache in der dritten Person festhielt, wie Gott die Thora gab, er sagt so rührend:
»Plato aber, glaube ich, war krank«, um sich selbst, sollte man meinen, von der Disziplin der Psychologie zu befreien, während er – und zwar mit genau diesem Satz – die Nichtdisziplin der Psychologie eigentlich gerade begründet,
um frei zu sein, wenn auch nicht so frei wie bald darauf sein Meister Sokrates (der Gift schluckte, weil Xanthippe Gift und Galle spuckte),
wohingegen ich definitiv hier bin und für meine Altersgruppe in hinreichend guter Verfassung, wie meine Ärzte bezeugen können, und mehr noch, ich erdreiste mich, mir selbst den Plato zu machen, meinen eigenen Augenzeugen,
der ich mich gestern Abend unter den Lampen und Wandleuchtern zum Ton reifer Melanome bräunte, unendlichen Kunstsonnen, die sich mit einem Klatschen an- und abschalten lassen,
wobei ich nicht mit Dionysos verwechselt werden möchte, auch nicht mit Xenophanes, der den Horizont nie zu überschreiten vermochte,
die nachzitternde Saite, die aufgestellte Fingerspitze,
und er dachte, jedenfalls tat Xenophanes das Schneidermann zufolge, es gäbe so viele über den Horizont wandernde Sonnen wie unendliche Fingerspitzen unendlicher Hände, und vielleicht haben wir daher die mir zugestandene Zeit, um Ihnen die Köpfe mit meinen schwierigen Schwielen zu massieren. Xenophanes, der Rhapsode von Kolophon, von Homers Versen verdunkelt, prangerte laut Schneidermann, der so was wusste, die Dichter an, weil sie den Göttern menschliche Eigenschaften gaben, sie anthropomorphisiert, wenn man so will, und gab den Griechen einen Einzelgott, der in seiner Vorstellung die Form einer ewigen Sphäre hatte:
die Ziegenledertrommel der Erde eine bloße, blökende Tragödie,
ein Forte-Fortissimo durch die erweiterte Schlagzeugriege am Ende dieses Werks, das niemals endet,
die dieses Gebäude krönt, das nie seinen krönenden Abschluss findet,
und auch ich bin ein Rhapsode, aber ohne neue Innovationen, ohne optimierte Waren und Dienstleistungen, ich missbrauche nur öffentliche wie private Fonds, und wofür das alles? für Sie? um Ihretwillen?
Ich bin irgendwie Ihr Vater? Führer? Vergil? Liebhaber? Eher schon sind Sie, meine Damen und Herren, meine Waisen, und als weiser Lügner gebe ich mit meinen Lyraweisen den Nero oder nee, roh eigentlich nicht,
und sage, nicht alles dreht sich um Fantasie oder Schulweisheit, Freiheit oder Regeln, das Spontane oder das Serielle oder als was auch immer die das Serielle inzwischen verkleidet haben mögen, so dass man nicht mehr Apoll auf der einen Seite hat und Dionysos auf der anderen – Apoll der Bogen, Dionysos die Fiedel – nein, ganz im Gegenteil:
es geht um Orpheus, Apoll und Dionysos sind beide Orpheus, absolut, Orpheus von den Zehen bis zum abgerissenen Kopf, der noch sang, als er vielleicht den Hudson hinabtrieb.
Auch Jesus war ein Orpheus, ja, seine Musik die bergige Predigt, ebenso wie König David, der Sohn Isais, der Harfner der Tehillim,
die die Reformjuden unter Ihnen inmitten dieses Feldlagers die Psalmen nennen,
ja, er wurde ebenso nach dem Vorbild des Orpheus gestaltet wie der pagane Paganini, dessen Legende, die auch die Faustlegende ist, bei Orpheus abgekupfert wurde, aller Virtuosenkult ist im Grunde ein Orpheuskult, eine Sekte von Priestern, Propheten und einer erklecklichen Anzahl von toten weißen Männern.
Priester ohne Gott, ich ohne Schneidermann.
Schneidermann, der letzte Verfasser großer Unphonien und Euphonien.
Schneidermann, der Letzte der großen Komponisten.
Pythagoras bis Schneidermann. Schneidermann bis Pythagoras. Pythagormann. Schneidoras der Letzte der Großen. Schneidermann der Letzte,
ich verdiene nur, zerrissen zu werden – auf Griechisch ist das ein Sparagmos, vielleicht auch Homophagia, Schneidermann, er hätte das gewusst – das rituelle Zerfleischen eines Opfers, oder muss ich vielleicht von den Frauen meines Lebens melonengelöffelt werden?
von ihnen ermordet werden wie Orpheus in einer Darstellung – in welcher, hab ich vergessen, Schneidermann, er hätte das gewusst, wie er alles wusste – die Hilfsmittel der Häuslichkeit wie das hohle Nudelholz, das man mit Wasser füllt, damit es mehr Gewicht bekommt, oder wie das schonungslose asiatische Messer, das eine Freundin von welcher Exfrau in Küchenvorführungen und als Klinkenputzerin verkaufte?
und wissen Sie, ich habe gelesen, dass eben dieser Plato auf einen Kult von Wanderpriestern anspielt, die nahmen Geld dafür, Laien ihre neurotischen Schuldgefühle abzunehmen (alle Eintrittskartenabschnitte noch da?),
dass das Orpheuspriester waren, zögern Sie also bitte nicht, sich das als Initiation in mannigfaltige Geheimnisse vorzustellen,
mit einem Schmek Mystik, wie Schneidermann fand (Schneidermann, er hatte genau wie Hölderlin eine fast pathologische Abneigung gegen alles, das alle anderen befürworteten),
und voller metaphysischer Schwärmerei, Schneidermann, er sagte immer, wenn man sich die einmal zu eigen gemacht hätte,
die des letzten Reichs, Schneidermann, er beharrte vor allen Dingen darauf, dessen Theosophie hätte ganz Europa und die Kunst zerstört oder zumindest – so Schneidermanns beharrliches Lamento – die Wahlmöglichkeit, sich das ins Stammbuch zu schreiben, in aller Ernsthaftigkeit, als Lebensmaxime.
Aber wie Schneidermann auch immer sagte, da sprächen nur die Filme aus ihm.
Denn jetzt – wo Schneidermann fort und vielleicht, wahrscheinlich tot ist – müssen wir sie als Ritual begreifen, und zwar ein ganz wesentliches, keine geistige Verirrung einer ganzen Gesellschaft, kein Absturz des Westens durch unsere geistigen Höhenflüge, die zu fehlgeleitet wären, um der Sonne auch nur zu nahe zu kommen.
Denn angesichts unseres Verlusts ist das unumgänglich, kein grober Fehler (wie Ehe, Kinder, Geborenwerden und).
Denn in diesem Saal, in dieser Violine, in mir ist das Geheimnis des
Stoffs der Transzendenz,
der
Ausflüchte, sagen sie, und ich sage Gründe,
Kommt vor, sagt Adam, mein Agent,
Über Geschmack lässt sich nicht streiten, sagen die Manager meines Plattenlabels,
Das Leben geht weiter, und um zu gewährleisten, dass die nächste Generation diesen Planeten nicht mit der nächsten Sintflut vollsabbert, sage ich,
Erbsünde, so steht es geschrieben, aber ich prophezeie im Krebsgang ein von Anfang an wirksames Verlustgefühl, das viele meiner Landsleute, meiner toten oder ohne Landsleute sterbenden Landsleute, viel besser erklärt haben, als ich es je hoffen könnte (Schneidermann, er hatte immer die Kultivierung eines negativen Kanons empfohlen),
und wie ich sehe, hören Sie jetzt zu! aber ich bin kein Jesaja, kein Jeremia, wir sind hier nicht bei Hesekiel 14,1–11 (die Verse, die Schneidermann am liebsten mit Musik unterlegte), das ist hier keine Apologia oder zumindest noch nicht,
nicht Ihnen gegenüber und nicht gegenüber Schneidermann, der – und vor keinem Senatsausschuss nenne ich die Namen Lebender (wie Ihr Vater das getan hat, Mr. Rothstein, und im Frühling 1950 damit die Party platzen ließ),
weil die alten Ägypter glaubten, die Benennung wäre eine Inbesitznahme, Eigentum laut Schneidermann, 10/10tel von allem göttlichen Recht und,
egal, besser man hat jeden Namen, mit dem die Leute, das Medienkonsortium, die Ex- und weiterhin Frauen, die Kinder einen ansprechen können: Polyonymer Schmock, denn ich werd Ihnen sagen, was Sie tun können und lassen müssen,
denn irgendwer muss das